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Sonnensystem

„Mann im Mond“ neu datiert

Verschiebung der lunaren "Krateruhr" um 200 Millionen Jahre hat auch Folgen für die Erdgeschichte

Vollmond
Die großen, dunklen Mondmare bilden ein Muster, in dem Menschen schon früher ein Gesicht oder auch einen Hasen zu erkennen glaubten. Für die Wissenschaft sind die Mondkrater aber eine wichtige "Uhr" auch für erdgeschichtliche Ereignisse. © BrianEKushner/ Getty images

Folgenreiche Verschiebung: Die Mondmaria und viele andere Krater auf dem Mond sind rund 200 Millionen Jahre älter als bisher angenommen, wie eine Neudatierung enthüllt. Diese Korrektur der lunaren „Krateruhr“ hat Auswirkungen auch für die Geschichte der Erde und des inneren Sonnensystems. Denn die urzeitliche Phase heftigen Bombardements durch Asteroiden fand der neuen Datierung zufolge früher statt – und damit möglicherweise auch die Entstehung der Kontinente und des Lebens.

Die Oberfläche des Mondes ist von Einschlagskratern geradezu übersät. Einige von ihnen sind von der Erde aus mit bloßem Auge zu erkennen, wie die großen Einschlagsenken auf der uns zugewandten Seite. Die Form dieser dunklen Mondmare hat schon unsere Vorfahren dazu inspiriert, ein Gesicht, einen Hasen oder andere Formen auf der Mondscheibe zu sehen.

Mare Imbrium
Aus den Überlagerungen der Mondkrater, hier das Mare Imbrium mit jüngeren Kratern, lässt sich eine Chronologie der Einschläge und Krater erstellen.© NASA

Mondkrater als „Uhr“ des Sonnensystems

Doch für die Wissenschaft haben die Mondkrater eine ganz andere Bedeutung: Weil sie über Jahrmilliarden erhalten geblieben sind, sind sie wichtige Zeugen der Frühgeschichte unseres Sonnensystems. An ihnen lässt sich ablesen, wann wie viele Asteroiden auf dem Mond und den Planeten des inneren Sonnensystems eingeschlagen sind. Damit hilft diese Krater-Chronologie dabei, geologische Ereignisse auf dem Mond und anderen Himmelskörpern einzuordnen und zu datieren.

Umso wichtiger ist es, das Alter der Mondkrater möglichst genau zu bestimmen. Möglich wird dies durch Kombination zweier Methoden: Zuerst ermittelt man die relative Reihenfolge und Häufigkeit der Einschläge, indem man sich anschaut, welche Mondkrater einander überlappen und wie stark sie erodiert sind. Im zweiten Schritt haben Wissenschaftler Mondgesteinsproben der Apollo-Missionen genutzt, um das absolute Alter einiger dieser Krater zu bestimmen – und so die relative Zeitabfolge zu überprüfen und zu „eichen“.

Kraterchronologie neu kalibriert

„Aber seit den Apollo-Missionen sind reichlich neue Informationen dazugekommen, unter anderem aus spektralen Kartierungen durch Mondsonden, durch neue Datierungsmethoden von Gesteinsproben und eine verbesserte Kraterstatistik„, erklären Stephanie Werner von der Universität Oslo und ihre Kollegen. Die chinesische Mondmission Chang’e 5 hat zudem im Jahr 2020 erstmals wieder Mondproben zur Erde zurückgebracht und damit weitere geochemische Analysen und Datierungen ermöglicht.

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„Um diese Entwicklungen mit einzubeziehen, musste das existierende Modell der lunaren Krater-Chronologie daher aktualisiert werden“, erklärt Werner. Dafür nutzten sie und ihr Team die Analysendaten von Mondproben der Apollo-, Luna- und Chang’e-5-Missionen sowie spektroskopische Daten von Mondsonden wie Chandrayaan-1, um gezielt das Alter bestimmter lunarer Gebiete mit der Zahl der dort vorhandenen Krater und deren Alter zu korrelieren.

Lunare „Krateruhr“ lag um 200 Millionen Jahre falsch

Das Ergebnis: Die neue Kalibrierung der Kraterchronologie verstellt die lunare Krateruhr deutlich. „Wir stellten fest, dass die neue Chronologie nicht nur einige frühere Diskrepanzen beseitigt, sondern auch das Alter der Mondoberfläche um bis zu 200 Millionen Jahre in die Vergangenheit verschiebt“, berichtet Werner. „‚Unser neues System der Datierung verändert das Alter aller Bereiche der Mondoberfläche – nicht überall in gleichem Maße, sondern mit den größten Verschiebungen bei den ältesten Oberflächen.“

Vor allem die sehr alten und großen Mondmaria sind demnach deutlich älter als bisher angenommen. So ereignete sich beispielsweise der Asteroideneinschlag, der das Imbrium-Becken schuf, schon vor 4,1 Milliarden statt vor 3,9 Milliarden Jahren. Dieses zweitgrößte lunare Mare ist ein prominenter Teil des von der Erde aus sichtbaren „Mondgesichts“. Gleichzeitig markiert seine Entstehung den Beginn eines neuen Mondzeitalters und das Ende des „Late Heavy Bombardements“ – der Phase besonders häufiger Einschläge großer Asteroiden in der Frühzeit des Sonnensystems.

Bedeutung auch für die Frühgeschichte der Erde

Damit hat die neue „Monduhr“ auch Bedeutung für die Chronologie der Erdgeschichte und des inneren Sonnensystems: „Es erlaubt uns, die Periode des starken Bombardements weiter in die Vergangenheit zu schieben“, erklärt Werner. „Und wenn dies auf dem Mond der Fall war, dann war auch die Erde diesem Bombardement früher ausgesetzt.“ Dies beeinflusst auch die Sicht auf entscheidende Ereignisse der irdischen Frühgeschichte. Denn frühe Einschläge könnten die Bildung der ersten Kontinente gefördert und vielleicht sogar die Entstehung des Lebens begünstigt haben.

Ähnlich sieht es auch die nicht an der Studie beteiligte Geowissenschaftlerin Audrey Bouvier von der Universität Bayreuth: „Die Periode des starken Bombardements muss den Ursprung und die frühe Entwicklung des Lebens auf der Erde und potenziell auch anderen Planeten wie dem Mars beeinflusst haben“, sagt sie. (Goldschmidt Conference 2023; Abstract 15810; The Planetary Science Journal, in press)

Quelle: Goldschmidt Conference

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