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Astronomie

Erstes Bild eines Photonenrings

Astronomen machen erstmals den inneren Lichtring eines Schwarzen Lochs sichtbar

Photonenring
Diese Aufnahme zeigt erstmals den dünnen Photonenring um das Schwarze Loch M87*. Die blauen Konturen zeigen die Strahlungsverteilung des ausgeblendeten restlichen Lichts an, das im ersten Foto dieses Schwarzen Lochs zu sehen war. © Broderick et al./ Astrophysical Journal 2022

Einzigartiger Einblick: Astronomen haben erstmals den Photonenring eines Schwarzen Lochs sichtbar gemacht – ein schon von Albert Einstein vorhergesagtes Phänomen. Demnach bilden die vom Schwarzen Loch gefangenen Photonen nah am Ereignishorizont einen dünnen Lichtring aus konzentrischen Photonenbahnen. Durch eine Neuanalyse der Daten, die das Event-Horizon-Teleskop vom Schwarzen Loch M87* aufgezeichnet hat, gelang es dem Team nun, diesen Ring sichtbar zu machen.

Im Jahr 2019 wurde das erste Foto eines Schwarzen Lochs veröffentlicht – die Daten dafür lieferten die gekoppelten Radioteleskope des Event-Horizon-Verbunds (EHT). Zu sehen war der doughnutförmige Strahlenring um das als zentraler Schatten sichtbare supermassereiche Schwarze Loch M87*. Später gelang es den Astronomen auf Basis der EHT-Daten, auch die Polarisation und damit die Magnetfelder nahe am Ereignishorizont sichtbar zu machen.

Schwarzes Loch M87*
Dies ist die erste Aufnahme eines Schwarzen Lochs. Man sieht den dunklen Schatten des Schwerkraftgiganten, umgeben vom hellen Lichtring des Ereignishorizonts. © Event Horizon Telescope Collaboration

Ein Ring aus eingefangenen Photonen

Jetzt ist einem Team um Avery Broderick vom Perimeter Institute for Theoretical Physics in Kanada ein weiterer Durchbruch gelungen: Zum ersten Mal haben sie den Photonenring eines Schwarzen Lochs sichtbar gemacht. Dieses schon von Albert Einstein vorhergesagte Phänomen entsteht, wenn Licht durch die Schwerkraft des Schwarzen Lochs nicht nur gebeugt, sondern eingefangen wird. Knapp außerhalb des Ereignishorizont bilden diese gefangenen Photonen eine schmale Zone, in der sie lange Zeit kreisen.

Je älter die Photonen sind, desto näher rücken sie an den Ereignishorizont heran. Dadurch bildet sich ein schmaler, in konzentrische Unterringe geteilter Lichtring – eine Art Zeitkapsel für uraltes Licht. In Modellen haben Astrophysiker dieses Phänomen schon genauer erkundet, gesehen hat den Photonenring aber noch niemand. Man ging davon aus, dass selbst die enorme Auflösung des Event-Horizon-Teleskopverbunds dafür nicht ausreicht.

Rohdaten digital „remastered“

Doch dem Team um Broderick ist es gelungen, die EHT-Daten vom Schwarzen Loch M87* so zu „remastern“, dass sie die Strahlung des Photonenrings vom restlichen Streulicht unterscheiden und isolieren konnten. „Wir haben gewissermaßen den Scheinwerfer ausgeschaltet, um die Glühwürmchen erkennen zu können“, erklärt Broderick. Dieses „Glühwürmchen“ – der hellste Teil des Photonenrings – hat allerdings nur eine Dicke von rund einer Mikrobogensekunde, also weit weniger als die nominelle Auflösung des EHT von rund 20 Mikrobogensekunden.

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„Aber auch wenn wir die Dicke des Rings nicht auf Anhieb erkennen können, sollten die visuellen Daten den zu erwartenden Durchmesser dieses Rings von rund 40 Bogensekunden zeigen können“, erklären die Astrophysiker. Basierend auf diesem Wissen entwickelten sie einen speziellen Algorithmus, der die Rohdaten des Event-Horizon-Teleskops für diesen Bereich neu analysiert. „Das EHT ist im Kern ein digitales Instrument, das genauso stark von Algorithmen abhängt wie vom Stahl seiner Antennen“, erklärt Broderick.

So haben die Astronomen den Photonenring sichtbar gemacht.© Perimeter Institute for Theoretical Physics

Photonenring von vier verschiedenen Tagen

Dadurch gelang dem Team das für scheinbar Unmögliche: Sie konnten das vergleichsweise schwache Licht des dünnen Photonenrings in den Datensätzen von vier verschiedenen Beobachtungstagen identifizieren. Das Resultat sind die ersten Aufnahmen des Photonenrings von M87*. „Die EHT-Beobachtungen der Strahlung am Ereignishorizont von M87* bestätigen die Präsenz eines schmalen Lichtrings“, berichten die Astronomen. Dessen Strahlung stammt primär vom äußersten und hellsten der konzentrischen Unterringe.

Photonenringe
Der Photonenring und das diffuse Begleitlicht (blau) an vier verschiedenen Beobachtungstagen. © Broderick et al./ The Astrophysical Journal, CC-by 4.0

„Uns ist damit etwas Bedeutendes gelungen – wir haben eine fundamentale Signatur der Gravitation um ein Schwarzes Loch erkennbar gemacht“, sagt Broderick. Die vier Aufnahmen des Photonenrings passen nicht nur in Größe und Aussehen zu den Erwartungen der theoretischen Vorhersagen – es ist sogar eine zeitliche Entwicklung zu sehen: Eine dunklere Stelle im Photonenring verändert seine Position und Helligkeit im Verlauf der Beobachtungszeit. Das Team vermutet, dass hier der „Fußabdruck“ des Teilchen- und Strahlen-Jets von M87* zu sehen sein könnte.

Masse und Größe des Schwarzen Lochs eingegrenzt

„Noch wichtiger ist aber, was sich nicht verändert: Der schmale Photonenring zeigt keine signifikanten Veränderungen in seiner Größe“, betonen die Forschenden. Denn die Größe des Rings wird von der Gravitation des Schwarzen Lochs bestimmt – und die verändert sich nicht so schnell. Den Messdaten zufolge hat der Photonenring einen Durchmesser von 43,48 Mikrobogensekunden. Das trägt auch dazu bei, die Größe des nur wenig innerhalb liegenden Ereignishorizonts weiter einzugrenzen.

Auf Basis dieses Werts konnten die Astronomen auch die Masse des Schwarzen Lochs genauer bestimmen als bisher möglich. Das zentrale Schwarze Loch der Galaxie M87 ist demnach 7,13 Milliarden Sonnenmassen schwer. Zum Vergleich: Das zentrale Schwarze Loch der Milchstraße, Sagittarius A*, bringt nur rund 4,1 Millionen Sonnenmassen auf die kosmische Waage.

Broderick und seine Kollegen hoffen nun, bei künftigen Beobachtungen sogar noch mehr Informationen zum Schwarzen Loch M87* sammeln und sichtbar machen zu können. „Da der Verbund durch immer mehr Teleskope ergänzt wird, wird uns die zunehmende Qualität und Quantität der Daten ermöglichen, noch genauere Grenzen für die jetzt beobachteten Signaturen festzulegen“, sagt Koautor Paul Tiede von der Harvard University. (The Astrophysical Journal, 2022; doi: 10.3847/1538-4357/ac7c1d)

Quelle: Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics, Perimeter Institute for Theoretical Physics, University of Waterloo

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