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Klima

Wie viel Wärme schlucken die Landmassen?

Wärmeaufnahme des kontinentalen Untergrunds ist seit 1960 um das 20-Fache gestiegen

Erde und Sonne
Die Landmassen der Erde nehmen heute rund 20-mal mehr Wärme auf als noch vor 60 Jahren. © Photovideostock/ Getty images

Unterschätzte Wärmeschlucker: Nach den Weltmeeren sind irdischen Landmassen der größte Wärmespeicher unseres Planeten. Sie haben seit 1960 die enorme Energiemenge von 23,8 Trilliarden Joule an zusätzlicher Wärme aufgenommen, wie Forschende jetzt ermittelt haben. Rund 90 Prozent dieser Wärme werden in den oberen 300 Metern des Untergrunds gespeichert, der Rest wird größtenteils vom Permafrost absorbiert und verursacht sein Auftauen. Die Analysen zeigen auch, dass der Untergrund heute 20-mal mehr Wärme pro Jahr aufnimmt als noch vor 60 Jahren.

Unser Planet leidet an Überhitzung: Die Erde nimmt inzwischen deutlich mehr Energie auf als sie ans All abgeben kann. Der anthropogene Treibhauseffekt sorgt dafür, dass vermehrt Wärme im Erdsystem gefangen bleibt. Den mit knapp 90 Prozent größten Teil dieser überschüssigen Wärmeenergie schlucken die Ozeane. Allein im Jahr 2022 haben die oberen 2.000 Meter der Weltmeere dadurch rund 25 Trilliarden Joule an zusätzlicher Energie aufgenommen – neue Wärmerekorde sind die Folge.

Wärmeaufnahme seit 1960
Die Wärmeaufnahme des kontinentalen Untergrunds (rot), der Binnengewässer (blau) und des Permafrosts (grün) ist seit 1960 stetig gestiegen. Schwarz sind Vergleichwerte einer früheren Studie.© Cuesta-Valero et al. / Earth System Dynamics 2023

Speicherkapazität kontinentaler Landmassen im Blick

Doch auch die Landmassen der Erde nehmen Teile der überschüssigen Hitze auf. Schätzungen zufolge absorbieren die Kontinente rund fünf bis sechs Prozent der von der Sonne eingestrahlten Wärme. Sie stehen damit an zweiter Stelle der irdischen Wärmespeicher. Aber wie hoch genau die Wärmeaufnahme der Landmassen inklusive der Binnengewässer ist und wie sich diese Wärme innerhalb dieses Erdsystems verteilt, war bisher unklar. Dies haben nun Forschende um Francisco José Cuesta-Valero vom Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung in Leipzig genauer ermittelt.

Für ihre Studie werteten sie neben Klimadaten auch Temperaturprofile des kontinentalen Untergrunds, zum Wärmefluss und zur Temperatur von Binnengewässern aus. Auch Messdaten aus dem Permafrost flossen in die modellgestützten Berechnungen ein. Das Team ermittelte dabei die aufgenommenen Energiemengen in der Zeit von 1960 bis 2020. „Die Verwendung von Modellen ermöglichte es, den Mangel an Beobachtungen in vielen Seen und in der Arktis auszugleichen und die Unsicherheiten aufgrund der begrenzten Anzahl von Beobachtungen besser einzuschätzen“, erklärt Cuesta-Valero.

Wärmeaufnahme um das 20-Fache gestiegen

Die Auswertungen ergaben: Die kontinentalen Landmassen haben in den letzten rund 60 Jahren 23,8 Trilliarden Joule an Wärmeenergie aufgenommen. Das entspricht in etwa dem 1.800-fachen des Stromverbrauch Deutschlands in der gleichen Zeitspanne. Die Analysen zeigen jedoch auch, dass sich die Wärmeaufnahme der irdischen Landmassen seit 1960 deutlich erhöht hat: Von der ersten Dekade des Zeitraums (1960-1970) bis zur letzten (2010-2020) stieg die absorbierte Energie um fast das 20-fache, wie die Forschenden ermittelten.

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Der größte Teil dieser aufgenommenen Wärme ist im kontinentalen Untergrund gespeichert: Rund 90 Prozent der Energie wurde von den oberen 300 Metern der Erdkruste absorbiert. Sie hat seit 1960 rund 161 Megajoule pro Quadratmeter Bodenfläche aufgenommen, wie Cuesta-Valero und seine Kollegen berichten. Allerdings gibt es dabei auch regionale Unterschiede: Die höchste Wärmeaufnahme pro Fläche findet sich in Nordamerika, Teilen Ostasiens und im Süden Australiens. In Europa hat der Untergrund dagegen kaum an Wärme hinzugewonnen.

REgionale Unterschiede
Regionale Unterschiede in der Wärmeaufnahme des Untergrunds (oben) und der Binnengewässer.© Cuesta-Valero et al. / Earth System Dynamics 2023

Mehr Wärme auch in Permafrost und Binnengewässern

Auch die Permafrostgebiete und die Binnengewässer haben in den letzten 60 Jahren vermehrt Wärme aufgenommen, wenngleich ihr Anteil insgesamt deutlich geringer ist als der des kontinentalen Untergrunds. Den Analysen zufolge entfallen auf die Permafrostböden rund neun Prozent der seit 1960 absorbierten Wärmeenergie. Pro Quadratmeter speicherten die dauerhaft gefrorenen Böden in dieser Zeit rund 115 Megajoule. Besonders ausgeprägt war die Wärmeaufnahme dabei am südlichen Rand der nordamerikanischen und asiatischen Arktis.

Auf Flüssen und Seen entfallen rund 0,7 Prozent der aufgenommenen Wärme. Die weltweiten Binnengewässer haben seit 1960 im Schnitt rund 67 Megajoule Wärmeenergie pro Quadratmeter absorbiert. „Obwohl die Binnengewässer und Permafrostböden weniger Wärme speichern als die Böden, müssen sie dauerhaft beobachtet werden, denn die zusätzliche Energie sorgt für bedeutsame Veränderungen der Ökosysteme“, sagt Cuesta-Valero.

Auswirkungen auch auf Natur und Mensch

Nach Ansicht der Forschenden reflektieren diese Zahlen, wie sehr der Klimawandel auch die Landmassen der Erde beeinflusst. „Es ist wichtig, die von den kontinentalen Landmassen absorbierte zusätzliche Wärmemenge genauer zu quantifizieren und zu überwachen“, betont Koautor Jian Peng vom UFZ. „Denn dies ist ein Indikator, um zu verstehen, wie sich die aufgrund der Wärmespeicherung veränderten natürlichen Prozesse künftig auf die Natur und den Menschen auswirken werden“.

So verändert die schleichende Erwärmung des Untergrunds unter anderem die mikrobielle Aktivität und die Kapazität der Böden, Kohlenstoff über längere Zeit zu speichern. Auch die Verdunstung und Bodenfeuchte verändern sich mit steigender Bodentemperatur. Dies wiederum begünstigt das Austrocknen von Böden und kann im Extremfall Missernten und Dürren fördern, wie das Team erklärt. Der sich erwärmende Permafrost setzt beim Auftauen große Mengen an Treibhausgasen wie Kohlendioxid, Lachgas und Methan frei – und kann so den Klimawandel noch verstärken.

Auch bei Flüssen und Seen kann die Erwärmung des Wassers negative Folgen haben: Die Wasserschichtung verändert sich, am Grund der Gewässer kommt es häufiger zu sauerstoffarmen Zonen. An der Oberfläche fördert das wärmere Wasser hingegen Algenblüten, deren abgestorbene Relikte am Grund dann die Sauerstoffzehrung weiter verstärken. „Es ist deshalb wichtig, alle drei Komponenten des kontinentalen Wärmespeichers weiter eng zu überwachen“, schreiben Cuesta-Valero und seine Kollegen. (Earth System Dynamics, 2023; doi: 10.5194/esd-14-609-2023)

Quelle: Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ

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