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Genetik

Thor Heyerdahl hatte doch Recht

Indianische Seefahrer hatten schon im Mittelalter Kontakt mit Polynesiern

Osterinsel
Die Vorfahren der Rapa Nui auf der Osterinseln hatten Kontakt mit indianischen Seefahrern – Jahrhunderte vor Ankunft der Europäer. © Andres Moreno-Estrada

Frühe Vermischung: Schon vor gut 800 Jahren segelten präkolumbische Indianer über den Pazifik nach Polynesien – wie es Thor Heyerdahl schon 1947 vermutet hat. Den Beweis dafür liefern Gensequenzen bei heutigen Polynesiern, die von Ureinwohnern Kolumbiens und Mexikos stammen, aber schon vor Jahrhunderten eingekreuzt wurden. Es könnte sogar sein, dass die Indianer noch vor den Polynesiern die Südseeinseln erreichten.

Woher kamen die ersten Bewohner der Osterinsel und der restlichen Inseln im Osten Polynesiens? Gängiger Theorie nach wurden diese Inseln durch frühe Seefahrer vom südasiatischen Festland und den Philippinen aus besiedelt – darauf deuten unter anderem Genvergleiche hin. Merkwürdig jedoch: Die Steinfiguren der Osterinsel und auch einige polynesische Sprachwendungen ähneln auffallend denen der präkolumbischen Indianer in Südamerika.

Polynesien
Lage der polynesischen Inseln. © gemeinfrei

Gab es einen frühen Kontakt mit Südamerika?

Das fiel schon vor gut 70 Jahren dem norwegischen Archäologen Thor Heyerdahl auf. Er schloss daraus, dass die Vorfahren der Polynesier Indianer gewesen sein müssen – oder dass es zumindest einen frühen Kontakt zwischen diesen Kulturen gab. 1947 bewies er mit seiner „Kon Tiki“, dass eine solche Seereise von Südamerika möglich gewesen wäre. Seither streiten Wissenschaftler darüber, ob es einen solchen Kontakt gab oder nicht. Bisherige Studien dazu erbrachten widersprüchliche Ergebnisse.

Jetzt liefert ein umfangreicherer Genomvergleich neue Einblicke. Alexander Ioannidis von der Stanford University und seine Kollegen haben dafür die DNA-Proben von 807 Studienteilnehmern von 17 polynesischen Inseln und 15 Indianervölkern Südamerikas gesammelt. In diesem Erbgut suchten sie mithilfe spezieller statistischer Methoden nach Sequenzen, die für die jeweiligen Populationen charakteristisch sind. Dann prüften sie, ob solche Marker sich auch in „fremden“ Populationen fanden.

Vermischung schon vor Jahrhunderten

Das Ergebnis: Bei den Bewohnern der östlichen Inseln Polynesiens, darunter auch der Osterinsel, gab es eine auffällige Beimischung im Erbgut. Es handelte sich um DNA-Sequenzen, die für einige Indianerstämme in Mexiko und Kolumbien typisch sind, wie die Forscher erklären. Gleichzeitig unterscheiden sich diese Genmarker deutlich von denen, die erst mit der europäischen Kolonisierung der Inseln im Erbgut der Polynesier auftauchten.

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„Diese Mischung passierte lange vor der Ankunft der Europäer“, sagen die Wissenschaftler. Demnach gab es – wie Thor Heyerdahl schon vermutete – tatsächlich frühe Kontakte zwischen indianischen Seefahrern aus Südamerika und den Bewohnern der polynesischen Inseln. Allerdings ist auch das umgekehrte Szenario nicht ausgeschlossen: Einige polynesische Seefahrer könnten den Norden Südamerikas erreicht haben und dann mit indianischen Begleitern auf ihre Inseln zurückgekehrt sein.

Waren die Indianer zuerst da?

Durch weitere Analysen konnten die Forscher näher eingrenzen, wann es zu diesen Kontakten zwischen Polynesiern und Mittelamerikanern gekommen sein muss. Demnach fand der früheste Kontakt zwischen Indios und Polynesiern um 1150 auf der zu den südlichen Marquesas gehörenden Insel Fatu Hiva statt. Das passt zu Studien, nach denen diese Inselgruppe aufgrund der Meeresströmungen und Winde von Südamerika aus am leichtesten zu erreichen war.

Interessant auch: „Das Datum für diesen ersten Kontakt liegt nahe an dem durch Radiokarbondatierung ermittelten Datum für die Erstbesiedlung dieser Inselgruppe“, erklären Ioannidis und seine Kollegen. „Das weckt die spannende Möglichkeit, dass die polynesischen Siedler bei Ankunft auf diesen Inseln schon eine kleine, bereits etablierte Population von Indianern antrafen.“ Dann könnten diese indianischen Seefahrer sogar die „Ureinwohner“ dieser Insel gewesen sein.

Geschichtsfäden neu verknüpft

Die restlichen Inseln Polynesiens wurden den Gendaten zufolge von den Marquesas aus besiedelt. „Die Nachkommen aus dieser ersten Vermischung brachten ihr doppeltes Erbe auf die neuen Inseln mit“, so die Forscher. Als letztes erreichten die Nachfahren dieser indianisch-polynesischen Mischung dann ab 1300 auch die Osterinsel.

Damit scheint klar, dass Heyerdahl zumindest in Teilen richtig vermutete: Es gab einen frühen Kontakt zwischen Südamerika und Polynesien. „Unsere Arbeit trägt so dazu bei, viele Fäden der Geschichte miteinander zu verknüpfen“, sagt Ioannidis. (Nature, 2020; doi: 10.1038/s41586-020-2487-2)

Quelle: Stanford University

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