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Archäologie

Spionage-Satelliten enthüllen römische Forts

Aufnahmen aus dem Kalten Krieg werfen neues Licht auf römische Stützpunkte im Nahen Osten

Römisches Fort
Diese Luftaufnahme aus den 1920er Jahren zeigt die Überreste eines römischen Forts in Syrien. Inzwischen haben Archäologen mithilfe von Aufnahmen amerikanischer Spionagesatelliten fast 400 weitere solcher Forts im Nahen Osten entdeckt. © Casana et al./ Antiquity, CC-by 4.0

Kein bloßer Grenzwall: Aufnahmen von Spionage-Satelliten aus dem Kalten Krieg haben 396 Relikte römischer Forts im Nahen Osten enthüllt – mehr als doppelt so viele wie zuvor bekannt. Die Verteilung dieser Garnisonen und befestigten Stützpunkte widerlegt frühere Annahmen, nach denen die Forts vor allem entlang der römischen Ostgrenze lagen und dem Grenzschutz dienten. Stattdessen sind sie viel weiter verteilt und bildeten eher Versorgungsstützpunkte für römische Truppen und Händler.

In der Zeit von 145 bis 300 erreichte das römische Reich seine größte Ausdehnung – es reichte von der Atlantikküste Spaniens und Marokkos im Westen bis ans Kaspische Meer und Mesopotamien im Osten. Vor allem der ab 285 regierende Kaiser Diokletian sorgte durch umfangreiche Befestigungen dafür, dass die Ostgrenze seines Reichs gegen Angriffe der Perser und Araber gesichert war. Im Nahen Osten ließ er entlang des Limes eine Straße bauen, die grob in Nord-Südrichtung von der Türkei bis ans Rote Meer verlief.

Römer-Forts
Luftaufnahmen römischer Forts, erstellt von Antoine Poidebard in den 1920er Jahren. © Casana et al./ Antiquity, CC-by 4.0

Ein Jesuitenpater kartiert Römer-Festungen

In den 1920er Jahren flog der Jesuitenpater und Archäologe Antoine Poidebard die mutmaßliche Route der Römerstraße Diokletians ab, um aus der Luft nach römischen Forts und anderen Relikten zu suchen. Auf seinem Flug entdeckte und kartierte Poidebard 116 römische Forts, die er als Grenzposten des römischen Reichs interpretierte. „Gängiger Annahme nach markierten die Forts in Poidebards Kartierung die Grenze“, erklären Jesse Casana und seine Kollegen von der Dartmouth University.

Allerdings gab es schon damals Zweifel an dieser Interpretation: „Einige Gelehrte argumentierten, dass diese römischen Befestigungen viel zu weit voneinander entfernt lagen, um eine Passage in das römische Territorium kontrollieren zu können“, so die Archäologen. Allerdings blieb unklar, ob es nicht zwischen den von Poidebard gefundenen Forts vielleicht noch andere lagen.

Spionage-Satelliten als Hilfsmittel

Um mehr Klarheit zu schaffen, haben Casana und sein Team ein ungewöhnliches Hilfsmittel genutzt: Sie werteten die hochauflösenden Aufnahmen von US-Spionagesatelliten aus der Zeit des Kalten Krieges aus. Die früher streng geheimen Aufnahmen stammen von den von 1960 bis 1972 aktiven CORONA-Satelliten und den HEXAGON-Spionage-Satelliten aus der Zeit von 1970 bis 1986. Die Aufnahmen und wurden inzwischen deklassifiziert.

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„Weil diese Bilder eine hochauflösende Stereo-Perspektive auf eine Landschaft geben, die inzwischen stark von moderner Landnutzung verändert ist, bieten sie eine einzigartige Ressource für die archäologische Forschung“, erklärt das Team. Für ihre Suche analysierten die Archäologen Aufnahmen, die rund 300.000 Quadratkilometer im Gebiet des nördlichen fruchtbaren Halbmonds abdecken und vom Westen Syriens bis in den Norden des Iraks reichen. Anders als zuvor Poidebard erfassten sie damit auch Gebiete, die weit abseits der alten Römerstraße lagen.

396 zuvor unentdeckte Römer-Forts ausgespürt

Die Archäologen wurden fündig: Auf den Aufnahmen der Spionage-Satelliten entdeckten sie 396 römische Forts, die zuvor unerkannt geblieben waren und die auch auf Poidebards Kartierung fehlten. „Ich war überrascht, dass wir auf so viele Römerforts gestoßen sind“, sagt Casana. Der häufigste von ihnen entdeckte Typ entspreche dem klassischen quadratischen Römerfort mit rund 50 bis 80 Meter Seitenlänge. „Diese Gebäude stehen meist isoliert von anderen archäologischen Strukturen und auch von modernen Siedlungen“, berichten die Archäologen.

Unter den Funden waren aber auch einige weit größere römische Festungsanlagen mit mehr als 200 Meter Seitenlänge und massiven quadratischen oder rechteckigen Befestigungsmauern. „Viele dieser großen Anlagen umfassen zudem ausgedehnte Überreste von weiteren Gebäuden und Strukturen innerhalb der Befestigungsmauern oder in ihrem Umfeld“, schreiben die Archäologen. Auch mehrfach befestigte Gebäude und große Zitadellen seien darunter.

Verteilung der Forts
Luftaufnahmen römischer Forts, erstellt von Antoine Poidebard in den 1920er Jahren. © Casana et al./ Antiquity, CC-by 4.0

Verteilung folgt nicht dem römischen Limes

„Eine der überraschendsten Aspekte der in unserer Stude identifizierten römischen Forts und Fort-ähnlichen Anlagen ist jedoch ihre räumliche Verteilung“, konstatieren Casana und sein Team. Denn anders als von Poidebard kartiert lagen diese Römerbefestigungen nicht primär entlang des in Nord-Südrichtung verlaufenden römischen Limes. „Die neue Verteilung der Forts zeigt dagegen, dass sie über eine enorme, sich eher von West nach Ost erstreckende Region verteilt lagen“, berichtet das Team.

Demnach folgen die neu entdeckten Forts einer groben Linie, die vom irakischen Mossul durch die halbtrockenen Ebenen westlich des Euphrat bis in den Westen Syriens und zum Mittelmeer reicht. „Die Verteilung dieser römischen Forts deutet darauf hin, dass sie nicht der Grenzbefestigung gegen das Eindringen der persischen Armee oder zur Abwehr bewaffneter Raubzüge benachbarter Nomadenstämme dienten“, erklären die Archäologen. Stattdessen könnten diese römischen Garnisonen primär als Stützpunkte für den Karawanen-Handel, die Kommunikation und die militärische Versorgung gedient haben.

Versorgung von Karawanen statt Grenzschutz

„Ähnlich wie schon zuvor von einigen Wissenschaftlern für die römischen Grenzgebiete postuliert, sehen wir die römischen Forts in der syrischen Steppe primär als Stützpunkte, die den sicheren Transit durch diese Landschaft gewährleisteten“, schreiben die Archäologen. „Sie boten Kamelen und Vieh Wasser, den erschöpften Reisenden einen Platz zum Essen, Trinken und Schlafen und spielten damit eine wichtige Rolle für den Kontakt zwischen Ost und West.“

Casana und sein Team gehen davon aus, dass es zur Zeit der Römer noch weit mehr solcher Stützpunkte im Nahen und Mittleren Osten gab. „Unsere Beobachtungen sind nur ein Bruchteil dessen, was in der Vergangenheit dort wahrscheinlich existierte“, sagt Casana. (Antiquity, 2023; doi: 10.15184/aqy.2023.153)

Quelle: Antiquity, Dartmouth College

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