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Geowissen

Pioniere hatten mehr Kinder als spätere Siedler

Geringere Konkurrenz um Land ermöglichte höheren Fortpflanzungserfolg

Diese Aufnahme aus dem Jahr 1876 zeigt die kanadischen Siedler Achille Bhérer und Hortense Gaudreault mit sieben ihrer insgesamt 14 Kinder; sie gehörten zu den frühesten europäischen Siedlern in ihrem Wohngebiet in der Region Lac-Saint-Jean. © Bhérer Family

Bei der Eroberung neuer Gegenden unter den Pionieren zu sein lohnt sich: Die ersten europäischen Siedler im kanadischen Quebec hinterließen mehr Nachkommen als diejenigen, die ihnen erst später folgten. Die Gene der damaligen Pioniere haben dadurch bis heute einen höheren Anteil am Genpool der Gesamtbevölkerung. Das berichtet ein internationales Forscherteam im Fachmagazin „Science“. Ein solcher biologischer Vorteil für Pioniere sei damit erstmals auch für den Menschen belegbar. Bisher habe man diesen Effekt nur bei anderen Tierarten mit kürzeren Generationszeiten beobachten können.

Für ihre Studie hatten die Wissenschaftler die Ausbreitung und die Familiengrößen europäischer Siedler im südöstlichen Quebec zwischen 1686 und 1960 rekonstruiert. Dafür nutzten sie historische Aufzeichnungen aus dieser Region. Aus den Auswertungen dieser Daten gehe hervor, dass die Frauen der Pioniere damals einen bis zu 15 Prozent größeren Fortpflanzungserfolg hatten, sagen die Forscher.

Ursache dieses Fortpflanzungsvorteils der Pioniere sei vermutlich die geringere Konkurrenz um Ressourcen. „Im Bevölkerungszentrum verhindert der Wettbewerb oft, dass Mitglieder großer Familien Land bekommen und früh heiraten können“, sagt Studienleiter Laurent Excoffier von der Université de Montréal. Da für die Pioniere mehr Land verfügbar sei, konnten sie leichter eine große Familie gründen.

Diese Aufnahme aus dem Jahr 1960 zeigt die Nachkommen des kanadischen Pioniers Achille Bhérer, der sich 1876 in der Region Lac-Saint-Jean niederließ. © Bhérer Family

Frühere Heirat

Die Frauen der Pioniere heirateten zudem im Durchschnitt ein Jahr früher als Frauen, die im Bevölkerungszentrum lebten, berichten die Forscher. Bereits frühere Studien an Tieren, aber auch an menschlichen Populationen hätten gezeigt, dass ein früherer Beginn der Fortpflanzung die Anzahl der Nachkommen am effektivsten erhöhe.

„Seit ihrer Entstehung haben menschliche Populationen den gesamten Planeten erobert, aber die mit dieser Ausbreitung verbundenen Prozesse waren noch weitgehend unerforscht“, sagen die Wissenschaftler. Es sei aufregend zu sehen, wie eine Studie an einer regionalen Bevölkerung in Quebec Einblicke in einen menschlichen Prozess bringe, der sich seit Jahrtausenden auf der Erde abspiele.

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Besiedlung folgte Tälern und Flüssen nach Norden

Die Besiedelung von Quebec durch die europäischen Einwanderer und ihre Nachkommen begann im Jahr 1608 nach der Gründung von Quebec City. Immer mehr Menschen verließen damals die Stadt und siedelten in den nördlich liegenden Gebieten. Allmählich drangen die Siedler, dem Lauf von Flüssen folgend, immer weiter in den Nordwesten vor.

Um den Verlauf dieser Expansion zu rekonstruieren, werteten die Forscher Daten aus alten Kirchenregistern der nördlich von Quebec City liegenden Region Saguenay Lac-Saint-Jean aus. In den von 1960 bis 1686 zurückreichenden Aufzeichnungen wurden Hochzeiten, Geburten von Kindern und Todesfälle der damaligen Siedler festgehalten. „Wir konnten zählen, wie viele Kinder jede Frau hatte, sowohl an der Wellenfront der Besiedlung als auch im Bevölkerungskern dahinter“, sagt Excoffier.

Diese Karte der Regionen Saguenay Lac-Saint-Jean und Charlevoix zeigt die Ausbreitung europäischer Siedler zwischen 1686 und 1960 (Punkte mit schwarzem Zentrum kennzeichnen Siedler der Charlevoix-Region). © Science / AAAS

Stammbäume rekonstruiert

Insgesamt habe man die Stammbäume von mehr als einer Millionen Einwohnern rekonstruiert. „Die Herkunft der meisten heutigen Einwohner der Region Saguenay Lac-Saint-Jean kann zurückverfolgt werden bis auf Vorfahren, die direkt an der ersten Front der Besiedlung lebten oder sehr nah dahinter“, schreiben die Forscher. Demnach seien die Gene dieser einstigen Pioniere auch heute noch überproportional stark in der Bevölkerung vertreten. (Science, 2011; doi: 10.1126/science.1212880)

(Science / dapd, 04.11.2011 – NPO)

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