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Manganknollen sind radioaktiv

Radioaktivität in metallreichen Tiefseeknollen überschreitet Strahlenschutz-Grenzwerte erheblich

radioaktive Manganknollen
Manganknollen vom Meeresgrund der Tiefsee sind radioaktiv – vor allem ihre äußeren Schichten sind mit radioaktiven Isotopen angereichert. © HG: Thomas Ronge/ AWI

Nicht gesund: Der Abbau von Manganknollen aus der Tiefsee ist nicht nur ökologisch bedenklich – er wäre auch gesundheitsschädlich. Denn die metallhaltigen Knollen sind radioaktiv und überschreiten Strahlenschutz-Grenzwerte um das Hundert- bis Tausendfache, wie Messungen enthüllen. Außerdem setzen die Manganknollen das radioaktive Gas Radon frei. Ursache sind in den metallischen Schichten angereicherte natürliche radioaktive Isotope wie Thorium-230 und Radium-226.

Die am Grund der Tiefsee vorkommenden Manganknollen gelten als vielversprechende Rohstofflieferanten. Denn die rundlichen, über Jahrmillionen gewachsenen Knollen enthalten wertvolle und für Hightech-Anwendungen wichtige Metallrohstoffe wie Kupfer, Nickel, Kobalt oder Seltene Erden. Dies weckt Begehrlichkeiten – einige Staaten und Unternehmen wollen die Manganknollen mittels Tiefseebergbau abbauen.

Manganknolle
Manganknollen aus der Tiefsee sind reich an wertvollen Metallrohstoffen und Seltenen Erden. © Hannes Grobe/ AWI, CC-by-sa 4.0

Allein in den Lizenzgebieten der Clarion-Clipperton-Zone im Nordost-Pazifik könnten geschätzt 30 Billionen Tonnen an Manganknollen in 4.000 bis 6.000 Meter Tiefe am Meeresgrund lagern. Im Juli 2023 soll die Internationale Meeresbodenbehörde (ISA) konkrete Regeln für eine mögliche industrielle Förderung festlegen.

Radioaktive Isotope in Manganknollen gemessen

Jetzt enthüllen Messungen, dass der Abbau der Manganknollen nicht nur schwere ökologische Folgen für die Tiefsee hätte, sondern auch gesundheitsschädlich für uns Menschen wäre. Für ihre Studie hatten Jessica Volz vom Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung (AWI) Manganknollen untersucht, die 2015 und 2019 im Zuge von zwei Expeditionen in der Clarion-Clipperton-Zone gewonnen wurden.

„Wir haben die Verteilung von radioaktiven Isotopen wie Thorium-230, Radium-226, Protactinium-231 und Radon-222 in den polymetallischen Knollen untersucht“, berichtet das Team. Diese radioaktiven Substanzen entstehen beim Zerfall von natürlichem Uran-235 und Uran-238 im Wasser und im Sediment und reichern sich selektiv in den Metallen der Manganknollen und im Besonderen in den Eisenmanganoxid-Anteilen der Knollen an. Die radioaktiven Isotope gehören vorwiegend zu den Alphastrahlern und geben beim Zerfall Heliumkerne ab.

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„Aus früheren Studien war bereits bekannt, dass die äußere Schicht der Manganknollen auch natürliche radioaktive Stoffe wie Thorium-230 und Radium-226 enthält, die sie über lange Zeiträume aus dem Meerwasser anreichern“, sagt Volz. Wie hoch die radioaktive Belastung durch diese Isotope ist, haben die Forschenden erst jetzt erstmals systematisch untersucht.

Grenzwerte um das Hundert- bis Tausendfache überschritten

Das Ergebnis: Die Radioaktivität an der Außenseite der Manganknollen erreichte Werte von bis zu sieben Becquerel pro Gramm für Thorium-230 und bis neun Becquerel pro Gramm für Radium-226. Bei Protactinium-231 lagen die Messwerte bei 0,55 Becquerel. „Die äußere Schicht der Knollen kann damit für bestimmte Alphastrahler Werte des Hundert- bis Tausendfachen einiger Grenzwerte erreichen, die im Rahmen von Strahlenschutzregelungen gesetzt sind“, berichtet Volz.

Zum Vergleich: Die deutsche Strahlenschutzverordnung sieht für eine uneingeschränkte Freigabe Höchstwerte von lediglich 0,01 Becquerel pro Gramm vor. Und selbst beim Umgang mit Altlasten aus dem Uranerzbergbau muss je nach Situation bereits oberhalb von gemessenen Höchstwerten von 0,2 beziehungsweise einem Becquerel pro Gramm eine genaue Gefährdungsprüfung erfolgen.

radioaktive Isotope in einer Manganknolle
Anreicherung radioaktiver Isotope aus Wasser und Sediment in den Manganknollen. © Volz et al./ Scientific Reports, CC-by 4.0

Stellenweise sogar radioaktiver als Uranerz

„Obwohl wir aus früheren Studien wussten, dass wir in den Knollen mit einer beträchtlichen Radioaktivität rechnen müssen, hat uns die tatsächlich gemessene Höhe doch überrascht“, erklärt Koautor Walter Geibert vom AWI. Die Messungen ergaben, dass die Radioaktivität an der Oberseite der Manganknollen am höchsten ist, weil dort besonders viel radioaktive Isotope aus dem Meerwasser gebunden wurden.

„An der oberen Außenseite der Manganknollen übertraf die Radioaktivität von Thorium-230, Radium-226 und Protactinium-231 sogar die der als Referenz genutzten Uranerzprobe“, berichten die Forschenden. Die Bergung und Verarbeitung der Manganknollen sei daher mit Gesundheitsgefahren verbunden. So entsteht beispielsweise beim Zerkleinern der Knollen feiner Staub, der in die Lungen eindringen kann und dort Alphastrahlung abgibt. „Diese aufgenommenen Alphaemitter können Zellen schädigen und bergen eine erhebliche radiologische Gefahr für den Körper“, so das Team.

Freisetzung radioaktiven Radongases

Doch das ist noch nicht alles: Durch den radioaktiven Zerfall von Radium-226 geben die Manganknollen radioaktives Radongas ab. „Unseren Messungen zufolge produziert schon eine einzige zehn Zentimeter kleine Manganknolle nach sechs Stunden Aufbewahrung in einem zwei Liter-Behälter eine Radioaktivität von fünf Becquerel pro Liter Luft“, berichten Volz und ihre Kollegen. „Zum Vergleich: die mittlere Hintergrundbelastung für Radon-222 liegt in Innenräumen bei 0,05 Becquerel und in der Atmosphäre bei 0,01 Becquerel pro Liter.“

Hochgerechnet auf den großskaligen Abbau und Transport von Manganknollen bedeutet dies: Im Laderaum eines mit rund 50.000 Tonnen Manganknollen beladenen Frachters würden sich auf der dreitägigen Fahrt vom Abbaugebiet im Zentralpazifik bis zu den nächstgelegenen Häfen in Mexiko erhebliche Mengen an Radongas ansammeln. „Die rund 22 Millionen Kubikdezimeter Luft im Porenraum einer Schiffsladung Knollen würde mit Sicherheit die Strahlenschutzgrenzwerte für Radon-222 um mehrere Größenordnungen überschreiten“, schreiben die Forschenden.

Ihren Schätzungen nach könnten die Radioaktivität des Radons im Frachtraum 200 bis 1.000 Becquerel pro Liter erreichen – die Strahlenschutzgrenzwerte liegen bei 0,2 bis 0,3 Becquerel pro Liter. Der ungeschützte Umgang mit den Manganknollen beim Be- und Entladen wäre demnach klar gesundheitsschädlich.

Schädlich für Mensch und Meeresumwelt

Hinzu kommt, dass die Stäube und Verarbeitungsprodukte der Manganknollen weitere radioaktive Zerfallsprodukte von Thorium, Radium und Proactinium enthalten können, deren Konzentration und Wirkungen bisher nicht berücksichtigt wurden. So könnten die aus den Tiefseeknollen gewonnen Seltenerdmetalle das ihnen chemisch ähnliche Zerfallsprodukt Actinium-227 anreichern, wie Volz und ihr Team erklären. Der beim Abbau und Zerkleinern der Manganknollen anfallende Schlamm könnte zudem die Meeresumwelt belasten.

„Unsere neue Studie zur Radioaktivität von Manganknollen zeigt nun, dass sich neben den Folgen für die Meeresökosysteme auch potenzielle Gesundheitsgefahren für Menschen im Zusammenhang mit der Förderung und Verarbeitung von Manganknollen sowie der Nutzung der daraus gewonnenen Produkte ergeben können“, sagt Volz. „Diese müssen bei den weiteren Planungen dringend berücksichtigt werden.“ (Scientific Reports, 2023; doi: 10.1038/s41598-023-33971-w)

Quelle: Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung

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