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Sonnensystem

Lunare Edelgase geben Rätsel auf

Hat der Mond Neon, Xenon und Co von der Erde geerbt?

Mond und Erde
Der Mond könnte zumindest einen Teil seiner Edelgase von der Erde geerbt haben. © RomoloTavani/ Getty images

Unerwarteter Überschuss: In Proben von Mondgestein haben Wissenschaftler überraschend hohe Gehalte von Edelgasen entdeckt. Diese in Lavaeinschlüssen konservierten Gase weichen in ihrer Isotopen-Signatur deutlich von denen der Mondoberfläche oder von Meteoriten ab. Das legt nahe, dass sie weder durch Sonnenwind noch durch Einschläge auf den Mond gelangt sind, sondern von der Erde stammen könnten. Aber wie? Gängiger Theorie zufolge blieben nach der mondbildenden Kollision nur wenige flüchtige Elemente erhalten.

Der Mond entstand bei einer planetaren Katastrophe: Vor rund 4,5 Milliarden kollidierte ein marsgroßer Protoplanet mit der jungen Erde und erzeugte eine gewaltige Trümmerwolke. Aus ihr entwichen große Mengen an flüchtigen Elementen ins All, bevor sich aus ihnen der Mond bildete. Dieser müsste deshalb einerseits wenig Wasserstoff und andere flüchtige Gase aufweisen, andererseits chemische und isotopische Spuren des Protoplaneten in sich tragen – denn dessen Trümmer waren an seiner Entstehung beteiligt.

Mondprobe
Dünnschliff einer Mondmeteorit-Probe unter dem Polarisations-Mikroskop. © ETH Zurich / Patrizia Will

Doch beides scheint nicht der Fall zu sein: Analysen von Mondgesteinsproben legen stattdessen nahe, dass sich Erde und Mond ähnlicher sind als es das gängige Kollisions-Szenario zulässt. Vor allem einige Metalle und das im lunaren Gestein gebundene Wasser weisen fast identische Isotopensignaturen auf. Um dies zu erklären, postulieren einige Forscher eine fast komplette Verdampfung auch der Erde, andere vermuten, dass der Protoplanet der Erde ungewöhnlich ähnlich war.

Mondmeteoriten auf dem Prüfstand

Jetzt kommt zu diesem Rätsel ein weiteres Puzzleteil hinzu. Für ihre Studie haben Patrizia Will und ihre Kollegen von der ETH Zürich Proben von sechs Meteoriten lunaren Ursprungs untersucht, die von einer NASA-Expedition in der Antarktis entdeckt wurden. Erste Untersuchungen legten bereits nahe, dass dieses Mondgestein vorwiegend aus lunarem Basalt besteht, wie er in den Mond-Maaren vorkommt. Zusätzlich enthalten die Bröckchen Beimischungen, die für das mit Seltenerdmetallen angereicherte KREEP-Terrain des Mondes typisch sind.

Will und ihre Kollegen haben dieses Mondgestein nun auf ihren Gehalt an Edelgasen und deren Isotopensignatur hin untersucht. „Edelgase sind besonders aussagekräftige Indikatoren für den Ursprung und die Entwicklung solcher flüchtigen Elemente“, erklärt das Team. „Sie können daher auch dabei helfen, das Schicksal dieser Elemente bei der Bildung des Erde-Mond-Systems zu rekonstruieren.“

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Unerwarteter Überschuss an Edelgasen

Die Analysen enthüllten Überraschendes: Winzige schwarze Glaspartikel in einigen Proben enthielten unerwartet hohe Konzentrationen an Neon, Argon, Krypton und Xenon. Ihr Gehalt lag bis zu tausendfach höher als im Rest des Gesteins, wie die Forschenden berichten. Auf den ersten Blick liegt nahe, dass dieser Edelgas-Überschuss aus einer externen Quelle auf den Mond gelangt ist – durch den Sonnenwind oder mit den zahlreichen Meteoriten, die im Laufe der Jahrmilliarden auf dem Mond eingeschlagen sind.

Isotopensignaturen
In ihrem Verhältnis von Helium-4 zu Neon-20 unterscheiden sich die schwarzen Glaskörnchen aus den basaltischen Mondmeteoriten (LAP) deutlich von bekannten lunaren Proben.© Will et al./ Science Advances, CC-by-nc 4.0

Das Problem nur: Die Zusammensetzung und Struktur der schwarzen Partikel deuteten darauf hin, dass diese nicht von der Mondoberfläche stammten, sondern aus einem mehrere Meter unter der lunaren Oberfläche liegenden Lavagestein. Die Analysen ergaben zudem, dass sich die Isotopensignatur des Neons, Heliums und Xenons deutlich von der des Sonnenwinds oder typischer chondritischer Meteoriten unterscheidet. Auch das Verhältnis von Helium-4 zu Neon-20 weicht von dem anderer lunarer Proben ab.

„Dass wir zum ersten Mal Edelgase in basaltischen Materialien vom Mond gefunden haben, die nicht aus dem Sonnenwind stammen können, ist eine aufregende Entdeckung“, erklärt Will.

Isotopische Übereinstimmung mit dem Erdmantel

Doch woher haben diese lunaren Körnchen dann ihren Edelgas-Überschuss? Den Isotopenmessungen nach gibt es enge Übereinstimmungen dieser lunaren Proben mit dem Erdmantel, wie Will und ihre Kollegen berichten. So weisen einige durch Mantelplumes aus dem unteren Erdmantel an die Erdoberfläche gebrachte Gesteine beim Neon ein fast identisches Verhältnis von Neon-20 zu Neon-22 auf wie die Mondproben. „Auch die schweren Edelgase könnten sich ähnlich sein, hierfür fehlen uns aber noch ausreichend Daten“, so das Team.

Nach Ansicht der Forschenden deutet dies darauf hin, dass bei der mondbildenden Kollision doch mehr flüchtige Elemente erhalten blieben als bisher angenommen. Wie dies möglich war, ist jedoch noch unklar. „Das muss nun durch künftige geophysikalische Modelle der Mondbildung erklärt werden“, so Will und ihr Team.

Eingeschlossen und im lunaren Mantel konserviert

Was nach der Mondbildung mit den Edelgasen geschah, erklären die Wissenschaftler dagegen so: Diese Gase könnten beim Erstarren des lunaren Magmaozeans in dem dunklen, magmatischen Gesteinsglas eingeschlossen worden und in die Tiefe gesunken sein. Im Laufe der Zeit schmolzen dann einige dieser unregelmäßig im lunaren Mantel verteilten Reservoire auf und wurden von Vulkanausbrüchen näher an die Oberfläche befördert.

Dies erklärt auch, warum nicht alle Proben des Marebasalts so hohe Edelgasgehalte aufwiesen: „Die hohen Konzentrationen der Edelgase in den KREEP-Basalten sind nicht repräsentativ für den gesamten lunaren Mantel“, erklären Will und ihre Kollegen. Stattdessen bilden die mit Edelgasen und Seltenerdmetallen angereicherten Gesteine im Mondmantel weitgehend isolierte Reservoire. (Science Advances, 2022; doi: 10.1126/sciadv.abl4920)

Quelle: Science Advances, Eidgenössische Technische Hochschule Zürich (ETH Zürich)

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