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Geowissen

Kohlendioxid bedroht Weltmeere

Sondergutachten warnt vor schwerwiegenden Folgen ungebremste Emissionen

Der ungebremste, vom Menschen verursachte Ausstoß von Kohlendioxid wird schwerwiegende Folgen für die Weltmeere haben. Das zeigt ein neues Sondergutachten des wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU). Besonders kritisch sind die fortschreitende Erwärmung und Versauerung der Ozeane sowie der Anstieg des Meeresspiegels.

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Unter dem Titel "Die Zukunft der Meere – zu warm, zu hoch, zu sauer" stellt der WBGU neue wissenschaftliche Erkenntnisse zu den Folgen des Ausstoßes von Kohlendioxid und der Klimaänderung auf die Meere vor. Sie zeigen, dass der Klimawandel schwerwiegende Folgen für den Zustand der Meere hat. Die Menschheit ist dabei, Veränderungsprozesse im Meer anzustoßen, die in den letzten Jahrmillionen ohne Beispiel sind. Diese Veränderungen sind eine direkte Folge der Anreicherung von Treibhausgasen und insbesondere Kohlendioxid in der Atmosphäre.

Die Meere werden saurer

Das durch menschliche Aktivitäten freigesetzte Kohlendioxid verändert nicht nur die Strahlungsbilanz der Atmosphäre und treibt damit den Klimawandel an. Es löst sich darüber hinaus direkt im Meerwasser. Dadurch kommt es zu einer schon heute feststellbaren raschen Versauerung der Meere. Ohne Gegenmaßnahmen könnte sie schon in diesem Jahrhundert ein Ausmaß erreichen, wie es wahrscheinlich seit vielen Jahrmillionen nicht vorgekommen ist. Dieser Vorgang wird zudem über einen sehr langen Zeitraum unumkehrbar sein. Durch die Versauerung sind besonders kalkbildende Meeresorganismen, beispielsweise Korallen bedroht, die eine wichtige Funktion für die Nahrungsnetze im Meer und die globalen Stoffkreisläufe haben.

…und wärmer, das Meereis schmilzt

Durch die Erwärmung des Meerwassers werden zahlreiche Meeresökosysteme und Fischbestände bedroht. Diese Entwicklung birgt unkalkulierbare Risiken, beispielsweise für die Ernährung der Menschheit: Etwa 15 Prozent des global konsumierten tierischen Eiweißes stammen vom Fisch. Eine der sichtbarsten Folgen des Temperaturanstiegs ist der Rückgang des arktischen Meereises. Die Ausdehnung der Eisdecke im Sommer hat in den vergangenen 30 Jahren um etwa 20 Prozent abgenommen. Ohne Klimaschutzmaßnahmen dürfte der arktische Ozean gegen Ende des 21. Jahrhunderts im Sommer praktisch eisfrei sein, mit weit reichenden Folgen für das globale Klimageschehen.

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Die Zerstörungskraft von Wirbelstürmen nimmt zu

Beobachtungen und Modellrechnungen deuten darauf hin, dass die Klimaerwärmung zwar nicht die Anzahl tropischer Wirbelstürme erhöht, wohl aber deren Zerstörungskraft. Schon für die bisherige Erwärmung der tropischen Meerestemperatur um nur etwa ein halbes Grad Celsius wurde eine Erhöhung der Energie der Hurrikane um 70 Prozent beobachtet.

Der Anstieg des Meeresspiegels beschleunigt sich

Durch das Abschmelzen von Inlandgletschern und kontinentalen Eisschilden sowie durch die Ausdehnung des Meerwassers als direkte Folge der Erwärmung steigt der Meeresspiegel an. Im 20. Jahrhundert erhöhte sich der Meeresspiegel global um 1,5 – 2 Zentimeter pro Jahrzehnt. Satellitenmessungen belegen für das vergangene Jahrzehnt einen Anstieg von sogar drei Zentimetern. Steigt der Meeresspiegel um mehr als einen Meter gegenüber dem vorindustriellen Wert, sieht der WBGU die Anpassungsfähigkeit von Küstengesellschaften überfordert.

Was kann getan werden?

Der Schutz der Meere werde entscheidend davon abhängen, ob der Anstieg von Kohlendioxid rechtzeitig gestoppt werden kann. Der WBGU betont, dass rasches Handeln notwendig sei: wegen der erheblichen Verzögerungseffekte bestimmt das heutige Verhalten der Menschheit den Zustand der Weltmeere für viele Jahrhunderte. Die vom WBGU bereits früher empfohlene Begrenzung des Anstiegs der globalen Mitteltemperatur auf höchstens zwei Grad Celsius gegenüber dem vorindustriellen Wert sei daher auch zum Schutz der Meere erforderlich.

Von der zur Zeit diskutierten Möglichkeit einer Einlagerung von Kohlendioxid in die Tiefsee rät der WBGU grundsätzlich ab, da dies das Meer noch weiter belaste. Tolerabel sei allenfalls eine Einlagerung von Kohlendioxid in geologische Formationen unter dem Meeresboden, wenn diese eine Sicherheit für mehr als 10.000 Jahre garantieren könne. Aber auch dies betrachtet das Gutachten nur als Übergangslösung.

Zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit von Meeresökosystemen empfahl der WBGU die Ausweisung von Meeresschutzgebieten, die besonders gefährdeten Küstenregionen sollten weltweit mithilfe eines "Integrierten Küstenzonenmanagements (IKZM)" überwacht und egschützt werden.

„Leitplanken“ zur Schadensbegrenzung

Neu ist in dem Dossier der Versuch, Schwellenwerte zu definieren. Zu jeder Problemanalyse hält das Gutachten so genannte "Leitplanken" bereit: Messwerte, deren Über- bzw. Unterschreitung ernste Folgen für den Ozean und sein biologisches und geologisches Gleichgewicht hat. Das Gutachten gehe dabei ausgesprochen mutig vor, um in der Öffentlichkeit den Ernst der Situation deutlich zu machen, so Professor Ulf Riebesell von der Universität Kiel und Mitglied im Forschernetzwerk Ozean der Zukunft.

"Der Beirat nimmt kein Blatt vor den Mund: Zum ersten Mal wird hier die zweifache Bedrohung durch die beiden Folgen des übermäßigen Kohlendioxidausstoßes, nämlich der Treibhauseffekt und die Versauerung der Ozeane, aufeinander bezogen", so Riebesell. "Gut, dass die doppelte Bedrohung, der wir den Ozean aussetzen, hier endlich einmal komplett formuliert wird."

(WBGU, Universität Kiel, BMU, 01.06.2006 – NPO)

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