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Geowissen

Gebirge schwinden doch nicht schneller

Angeblich seit fünf Millionen Jahren andauernde Zunahme an Sedimentenablagerungen existiert nicht

Die hohe Sedimentfracht des Flusses zeigt die starke Wirkung der Erosion unterhalb des Bernina-Gletschers in der Schweiz. © GFZ

Erosion durch Wasser und Eis sowie die chemische Verwitterung von Gesteinen der Erdoberfläche tragen Gebirge über Millionen von Jahren ab. Das ist nicht neu. Doch eine angeblich seit fünf Millionen Jahren andauernde stetige Zunahme der Menge an Sedimentenablagerungen, die bisher von vielen Geowissenschaftlern unterstellt wurde, existiert nicht. Das ist jedenfalls das zentrale Ergebnis einer neuen Studie eines Potsdamer Forscherteams im Wissenschaftsmagazin „Nature“.

Wie das Team um Jane Willenbring und Friedhelm von Blanckenburg vom Deutschen GeoForschungsZentrum GFZ berichtet, ist die weltweit beobachtete vierfache Zunahme der Sedimentation ein reines Beobachtungsartefakt. Alle darauf beruhenden Hypothesen müssen nun einer Überprüfung unterzogen werden.

Stärkeres Gebirgswachstum und erhöhte Erosionseffekte

Erodiertes Gestein wird durch Flüsse und Gletscher fortgetragen und findet sich im Sediment der Ozeane und auf den Kontinenten in der Umgebung großer Gebirge wieder. Die weltweite Vermessung der Dicke von Sedimentschichten hatte in der Vergangenheit das Ergebnis erbracht, dass sich die Menge an Sediment, die pro Zeitabschnitt weltweit in den letzten fünf Millionen Jahren abgelagert wurde, kontinuierlich vervielfacht hat. Um diesen Überschuss an Sediment zu produzieren, müssten die Gebirge eigentlich mit ebenso höherer Geschwindigkeit erodieren.

Hypothesen für die Ursache dieses Phänomens unterstellten global ein verstärktes Gebirgswachstum und folglich erhöhte Erosionseffekte. Es könnte aber auch genau umgekehrt gewesen sein: die Gebirge waren schon lange vorher mit hohem Relief vorhanden, aber erst eine Klimaverschiebung wie etwa diejenige, die zu der Eiszeit vor circa drei Millionen Jahren führte, hat die Gebirge schneller abgetragen und sie in der Folge durch die Entlastung des Gewichtes auch wieder schneller aufsteigen lassen. Keine der beiden Hypothesen konnte man jedoch bisher zufriedenstellend begründen.

Erosion in den Alpen: Monte Disgrazia, italienische Alpen, 3.678 Meter. © F.v.Blanckenburg / GFZ

Kohlendioxid und Gesteinsverwitterung

Sie führen nur zu einem weiteren Paradox, das Geowissenschaftler ebenfalls bisher nicht lösen konnten. Rekonstruktionen der früheren Konzentrationen des Treibhausgases Kohlendioxid (CO2) der Atmosphäre mit indirekten chemischen und biologischen Methoden ergaben, dass diese schon seit über zehn Millionen Jahren ungefähr um den Wert schwanken, den die Atmosphäre auch vor Beginn des heutigen schnellen Anstieges der CO2 -Konzentration hatte. Nimmt jedoch die Erosion weltweit zu, so muss auch die Zersetzung von Gestein ebenso zunehmen.

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Doch diese verbraucht über die im Regen enthaltene Kohlensäure ständig geringe Mengen atmosphärischen Kohlendioxids. Genau genommen ist dieser Verbrauch genauso groß, wie die Abgabe dieses Gases an die Atmosphäre durch Vulkane. Über Jahrmillionen stabilisiert die Natur damit den Treibhauseffekt der Atmosphäre und somit die Temperatur. Hätte sich aber der Entzug von CO2 durch die hohe Verwitterung vervielfacht, enthielte die Atmosphäre heute kaum noch nennenswerte Mengen des Treibhausgases. Die Folge wäre eine extrem kalte Erde, auf der alles Wasser gefroren wäre.

Der globale Beryllium Zyklus © F. v. Blanckenburg / GFZ

Beryllium 9 und Sedimenterhaltung

Die GFZ-Wissenschaftlerin Willenbring und ihr Kollege von Blanckenburg lösten nun dieses Rätsel. Sie stellten fest, dass die Zunahme der Sedimentationsgeschwindigkeit ein Artefakt der Beobachtungen darstellt: je genauer Geologen hinschauen, umso mehr Sedimentablagerung entdecken sie. Und in die jüngere geologische Vergangenheit kann man besser hineinschauen als in die Geschichte vor sehr langer Zeit, denn auch Sediment überlebt nicht immer den geologischen Wandel. Je älter es ist, desto weniger wird überliefert. So nimmt scheinbar die geologische Sedimentationsrate zu, je jünger die geologische Zeit und je kürzer der Beobachtungszeitraum ist. Das Phänomen der Zunahme der Sedimentation ist damit nicht real, sondern spiegelt lediglich die Sedimenterhaltung wider.

Als Beleg für diese Neuinterpretation führen Willenbring und von Blanckenburg nun geochemische Messungen in bestimmten Ozeanablagerungen an. In zentimeter-dicken Eisen-Mangankrusten, die tief im Ozean über Jahrmillionen extrem langsam wachsen, steckt in Form veränderlicher Metallkonzentrationen die Information über den Eintrag von Stoffen in die Ozeane in der Vergangenheit. Die beiden Forscher verwendeten nun das Isotop der Masse 9 des seltenen Elementes Beryllium zur Bestimmung der Menge an Sediment, das über Flüsse in die Ozeane eingetragen wird. Hätte die erosionsbedingte Sedimentation zugenommen, würden wir in den jüngeren Lagen dieser Krusten mehr von diesem Beryllium-9 finden.

Beryllium 10 als Zeuge

Zur Überprüfung dieses Effekts verwendeten Willenbring und von Blanckenburg zusätzlich auch noch das sehr seltene Isotop Beryllium-10. Dieses entsteht in der Atmosphäre durch kosmische Strahlung in immer gleichen Mengen und wird über den Niederschlag den Ozeanen zugeführt. Während die Eisen-Mangankrusten wachsen, wird das Beryllium-10 in konstanten Mengen in die Eisen-Mangankrusten eingebaut. Schwankt also das Verhältnis von Beryllium-10 zu Beryllium-9, so liegt das nur an Änderungen des Eintrages des aus der Erosion stammenden Beryllium-9.

Wie Messungen zeigen, hat sich das in die Eisen-Mangankrusten aller Ozeane eingebaute Verhältnis der beiden Isotope zueinander in den letzten zehn Millionen Jahren kaum geändert. Als Folgerung daraus bleibt nach Angaben der Wissenschaftler nur ein Schluss: die Erosion der Kontinente war über die vergangenen paar Millionen Jahre stabil, eine Zunahme hat es nie gegeben. Damit ist eine geologische Grundannahme gestürzt, zugleich aber auch ein Rätsel gelöst worden.

(idw – Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ, 14.05.2010 – DLO)

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