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Klima

Drei Quadratmeter Eis pro Tonne CO2

Forscher ermitteln persönlichen Beitrag jedes Menschen zur arktischen Eisschmelze

Für jede zusätzliche Tonne CO2 schmelzen im Arktissommer drei Quadratmeter Meereis mehr. © NOAA

Persönlicher Beitrag: Forscher haben erstmals ermittelt, wie viel jeder von uns zur Eisschmelze in der Arktis beiträgt. Für jede Tonne Kohlendioxid, die ein Mensch irgendwo auf der Erde freisetzt, schrumpft das sommerliche Meereis um drei Quadratmeter, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten. Werden insgesamt noch weitere 1.000 Gigatonnen CO2 ausgestoßen, wird die Arktis im September eisfrei sein – das ist wahrscheinlich schon bis 2050 der Fall.

Das Abtauen der Arktis ist in vollem Gang: In den letzten vierzig Jahren hat sich die Fläche des sommerlichen Meereises etwa halbiert – und der Eisschwund hält an. 2016 gab es so viele offene Wasserflächen am Nordpol wie nie zuvor, Nordost- und Nordwestpassage waren im Sommer für Schiffe befahrbar. Die Folgen: Das schwindende Eis schwächt Meeresströmungen, verändert das Klima der Nordhalbkugel und erhöht den Methanausstoß des arktischen Meeres.

Dennoch bleibt der Klimawandel und die von ihm verursachte Eisschmelze für die meisten von uns eher abstrakt. Jetzt jedoch könnte sich das ändern. Denn erstmals haben Forscher ermittelt, wie viel jeder von uns zum Eisschwund beiträgt. Diese Zahlen erlauben es erstmals, den persönlichen Beitrag zur globalen Klimaerwärmung intuitiv zu erfassen.

Linearer Zusammenhang

Dirk Notz vom Max-Planck-Institut für Meteorologie und Julienne Stroeve vom US-National Snow and Ice Data Center haben für ihre Studie Korrelationen zwischen der Meereisfläche und dem Ausstoß von CO2 untersucht. Dabei stellten sie fest, dass es zwischen der arktischen Eisbedeckung im September und den anthropogenen CO2-Emissionen in den letzten 30 Jahren einen nahezu linearen Zusammenhang gab.

„Vereinfacht ausgedrückt, erwärmt sich pro Tonne Kohlendioxid das globale Klima um ein kleines bisschen. Um diese Erwärmung auszugleichen, bewegt sich der Eisrand des Arktischen Packeises ein kleines Stück in Richtung Nordpol, weil dort die Sonneneinstrahlung schwächer wird“, erklärt Notz. „Hierdurch nimmt die Eisfläche entsprechend ab. Aus geometrischen Gründen ergeben diese Prozesse den beobachteten, linearen Zusammenhang.“

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Ziemlich löchrig: Schon jetzt ist selbst nahe dem Nordpol offenes Wasser zu sehen. © Pablo Clemente-Colon/ NOAA

Drei Quadratmeter pro Tonne CO2

Konkret bedeutet dies: Für jede Tonne CO2, die jemand irgendwo auf der Welt freisetzt, schrumpft das arktische Sommermeereis um drei Quadratmeter. Das bricht diese Folge des Klimawandels auf ein verständliches, persönliches Maß herunter. „Diese Zahl ist intuitiv genug, um den persönlichen Beitrag zur Eisschmelze zu verstehen“, meinen Notz und Stroeve.

„Wir können damit zum Beispiel direkt ausrechnen, dass die Kohlendioxid-Emissionen auf einem Hin- und Rückflug von Frankfurt nach San Francisco pro Sitz etwa fünf Quadratmeter Meereis in der Arktis abschmelzen lassen“, sagt Stroeve. Geht man von einem durchschnittlichen CO2-Fußabdruck von mehreren Tonnen pro Kopf und Jahr aus, ist jeder Mensch für den Verlust von mehreren Dutzend Quadratmeter Sommereis jährlich verantwortlich.

Eisfrei bis Mitte des Jahrhunderts

Wann die Arktis komplett eisfrei sein wird, ergaben die Berechnungen ebenfalls. Demnach sind nur noch 1.000 Gigatonnen CO2 zusätzlich nötig, um das arktische Meereis im September vollständig tauen zu lassen. „Angesichts der gegenwärtigen Emissionen von rund 35 Gigatonnen CO2 pro Jahr wird diese Schwelle noch vor Mitte dieses Jahrhunderts erreicht werden“, berichten Notz und Stroeve.

Das bedeutet jedoch auch, dass das Zwei-Grad-Ziel nicht mehr ausreicht, um diese Entwicklung zu verhindern. Denn selbst bei diesem Klimaschutzziel würde die Menschheit bis Mitte des Jahrhunderts noch 1.000 Gigatonnen CO2 ausstoßen, wie die Forscher erklären. Verhindern ließ sich dies nur durch eine Begrenzung der Emissionen und damit der Erwärmung auf 1,5 Grad – ein Ziel, das vermutlich ohnehin kaum mehr zu erreichen sein dürfte. (Science, 2016; doi: 10.1126/science.aag2345)

(Max-Planck-Institut für Meteorologie/ Science, 04.11.2016 – NPO)

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