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Archäologie

Ältester Wurfstock der Welt entdeckt

Archäologen finden 300.000 Jahre alte Jagdwaffe des Homo heidelbergensis

Wurfstock
Zwei Ansichten des 300.000 Jahren Wurfstocks aus Fichtenholz. Diese vom Homo heidelbergensis gefertigte Jagdwaffe ist der älteste Wurfstock der Welt. © Alexander Janas/ Universität Tübingen

Spektakulärer Fund: Im niedersächsischen Schöningen haben Forscher einen 300.000 Jahre alten Wurfstock aus Fichtenholz entdeckt – es ist das mit Abstand älteste Exemplar einer solchen Jagdwaffe weltweit. Gefertigt wurde der Wurfstock vom Frühmenschen Homo heidelbergensis, der damit wahrscheinlich Kaninchen und andere kleine Beutetiere jagte oder bei Treibjagden Wildpferde trieb, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Ecology & Evolution“ berichten.

Dass unsere frühen Vorfahren Werkzeuge aus Stein oder Knochen herstellten und verwendeten, bezeugen unzählige Funde -auch aus Deutschland. Eine echte Rarität sind dagegen Waffen oder Werkzeuge aus Holz, weil dieses nur selten die Jahrtausende überdauert. Zu den ältesten Zeugnissen dieser Art gehören 171.000 Jahre alte, im Feuer gehärtete Holzwerkzeuge der Neandertaler und mehrere 1994 im Tagebau von Schöningen entdeckte 300.000 Jahre alte Holzspeere des Homo heidelbergensis – die ältesten Jagdwaffen der Welt.

Stock in situ
Neu entdeckter Steinzeit-Stock an der Schöninger Fundstelle. © Alexander Gonschior/ Universität Tübingen

Ein Steinzeit-Stock mit zwei Spitzen

Jetzt haben Nicholas Conard und seine Kollegen von der Universität Tübingen einen weiteren spektakulären Fund im „Speer-Horizont“ von Schöningen gemacht. Es handelt sich um einen 64,5 Zentimeter langen dünnen Stock aus Fichtenholz. Er ist an beiden Enden zugespitzt und leicht asymmetrisch geformt: Eine Seite ist etwas gebogen, die andere etwas flacher. Wie die berühmten Speere ist auch dieser Stock rund 300.00 Jahre alt.

Nähere Untersuchungen ergaben, dass es sich bei diesem Stab nicht um ein natürlich gewachsenes Holzstück handelt, sondern um ein gezielt hergestelltes Werkzeug. „Spuren auf seiner Oberfläche belegen, dass die Frühmenschen Steinwerkzeuge verwendeten, um diesen Fund zurechtzuschneiden und zu bearbeiten“, berichten Conard und seine Kollegen. So sind 21 Stellen zu erkennen, an denen Seitenzweige entfernt wurden, zudem wurde die Oberfläche des Holzes geglättet.

Aufprallspuren im Mittelbereich

Das Spannende daran: Der neu entdeckte Fund ähnelt einem hölzernen Stab, der schon 1994 zusammen mit den Speeren in Schöningen entdeckt worden war. Weil dieser frühere Fund aber keinerlei Gebrauchsspuren aufwies, ließ sich sein Zweck nicht feststellen. „Verschiedene Hypothesen wurden für die Funktion dieses Stocks vorgeschlagen, darunter die Nutzung als Wurfstock, als Grabstock, als Rindenschäler oder als Kinderspeer“, erklären Conard und seine Kollegen.

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Welche Annahme stimmt, klärt erst jetzt der neue Fund. Denn er weist zahlreiche Gebrauchsspuren auf, darunter Macken und Stoßspuren, die sich über den gesamten Mittelteil des Holzstocks verteilen. An den Enden gibt es dagegen keine Abnutzungsmerkmale. Nach Ansicht der Archäologen spricht dies dagegen, dass es sich um einen Grabstock oder eine Art Keule handelt.

Wurfstock im Einsatz
Der Homo heidelbergensis könnte mit diesem Wurfstock Wasservögel oder Kaninchen gejagt haben. © Benoit Clarys/ Universität Tübingen

Der älteste Wurfstock der Welt

Was aber ist es dann? „Die gestreute Verteilung der Impaktspuren stimmt mit der Hypothese überein, dass dieses Werkzeug als Wurfstock verwendet wurde“, sagen Conard und seine Kollegen. Solche Wurfstöcke werden noch heute von Naturvölkern in Afrika, Australien und Amerika genutzt. Experimente zeigen, dass solche Stäbe je nach Wurftechnik zwischen fünf und 100 Meter weit fliegen können und dabei ein Tempo von bis zu 30 Metern pro Sekunde erreichen.

„Sie sind effektive Waffen und können eingesetzt werden, um Vögel oder Kaninchen zu töten oder um größere Tiere vor sich herzutreiben – wie beispielsweise die Wildpferde, die damals in großer Zahl in Schöningen getötet und geschlachtet wurden“, erklärt Conards Kollege Jordi Serangeli. Ähnlich wie die Bumerangs der australischen Ureinwohner rotieren Wurfstöcke beim Werfen, was ihre Flugbahn stabilisiert. Im Unterschied zu Bumerangs kehren sie allerdings nicht zum Werfer zurück, sondern fliegen in einer geraden Linie zum Ziel.

Ein breites Arsenal von Holzwaffen

Nach Ansicht der Archäologen demonstriert der Fund eines solchen Fundstocks, dass Frühmenschen schon vor 300.000 Jahren hochgradig effektive Jäger mit einem breitgefächerten Arsenal von hölzernen Jagdwaffen waren. Gleichzeitig ist der Wurfstock von Schöningen das mit Abstand älteste bekannte Exemplar eines solchen Waffe weltweit. „Außerhalb von Schöningen sind keine altsteinzeitlichen Wurfstöcke bekannt“, berichten Conard und seine Kollegen.

Die bisher ältesten Wurfstöcke oder Bumerangs sind einige 8900 bis 10.000 Jahre alte Funde aus Südaustralien. „Die Chance, altsteinzeitliche Artefakte aus Holz zu finden ist normalerweise gleich Null“, erklärt Conard. In Schöningen jedoch blieben die hölzernen Objekte konserviert, weil die Fundschicht seit der Zeit des Homo heidelbergensis ungestört wassergesättigt und nahezu sauerstofffrei geblieben ist. (Nature Ecology & Evolution, 2020; doi: 10.1038/s41559-020-1139-0)

Quelle: Universität Tübingen, Nature

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