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Ökologie

Was sind die Top Ten der invasiven Arten?

Bericht des Weltbiodiversitätsrats: Bedrohung durch gebietsfremde Arten nimmt zu

Ratte
Die Ratte gehört zu den erfolgreichsten Bioinvasoren weltweit. © CreativeNature_nl/ Getty images

Ob Wasserhyazinthe, Ratte oder Robinie: Rund 37.000 Tier- und Pflanzenarten weltweit haben sich in neue Gebiete ausgebreitet, mehr als 3.500 davon bedrohen dort die heimische Artenvielfalt – und solche invasiven Arten werden immer mehr, wie ein aktueller Bericht des Weltbiodiversitätsrats IPBES aufzeigt. Demnach sind gebietsfremde Spezies an rund 60 Prozent des globalen Artensterbens beteiligt und verursachen weltweite Kosten von mehr als 392 Milliarden Euro jährlich. Doch welche Arten sind die schlimmsten?

Das Problem ist nicht neu: Schon seit Jahrhunderten gelangen – meist durch Mitwirkung des Menschen – Tier- und Pflanzenarten in Regionen, in denen sie ursprünglich nicht heimisch waren. Selbst die meisten unserer Nutzpflanzen gehören zu diesen „Neobiota“. Zum Problem wird es allerdings dann, wenn die Neuankömmlinge sich nach ihrer Ankunft rasant vermehren, weil sie dort keine natürlichen Feinde haben. Sie werden dann zur invasiven Art und können heimische Spezies verdrängen und sogar zum Aussterben bringen.

Wie schwerwiegend das Problem der invasiven Arten inzwischen ist, unterstreicht nun der aktuelle Bericht des UN-Biodiversitätsrats (IPBES). In ihm haben 85 Forschende aus 49 Ländern über vier Jahre hinweg den bisherigen Wissenstand zu Verbreitung und Folgen von Bioinvasoren zusammengetragen. Analog zum Weltklimabericht haben sie nun ihren Assessment Report veröffentlicht.

Folgen invasiver Arten
Beispiele für aggressive Bioinvasoren und ihre Folgen. © IPBES

37.000 gebietsfremde Arten – Tendenz steigend

Das Ergebnis: Weltweit gibt es inzwischen mehr als 37.000 gebietsfremde Arten und jedes Jahr kommen rund 200 neu dazu. Zwar wirken sich nicht alle davon negativ auf die Ökosysteme der neu besiedelten Gebiete aus, aber bei gut 80 Prozent von ihnen ist dies der Fall, wie der IPBES-Bericht aufzeigt. Mehr als 3.500 Tier- und Pflanzenarten gelten zudem als invasiv – sie breiten sich unkontrolliert aus und bedrohen die heimische Artenvielfalt. Unter diesen Bioinvasoren sind mehr als tausend Pflanzen, gut 1.850 wirbellose Tiere und 461 Säugetiere.

„Invasive Arten sind eine der fünf schwerwiegendsten Ursachen für den weltweiten Verlust der biologischen Vielfalt“, sagt Mitautor Hanno Seebens vom Senckenberg Biodiversität und Klima Forschungszentrum Frankfurt. Dem Bericht zufolge sind invasive Arten für etwa 60 Prozent des weltweiten Aussterbens von Tieren und Pflanzen mitverantwortlich. „Mindestens 1.200 Aussterbeereignisse von Tieren und Pflanzen können direkt auf 218 invasive Arten zurückgeführt werden“, berichtet Seebens.

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Betroffene Regionen
Europa gehört weltweit zu den Regionen, in denen sich besonders viele gebietsfremde Arten etabliert haben. © IPBES

Alle Regionen betroffen

Die ökologischen Folgen einer Einschleppung oder Einführung invasiver Arten können verheerend sein – für die betroffenen Ökosysteme, aber auch uns Menschen. So verursacht beispielsweise die Karibische Miesmuschel (Mytilopsis sallei) enorme wirtschaftliche Schäden in der indischen Fischerei, die invasive Gemeine Strandkrabbe (Carcinus maenas) gefährdet kommerziell betriebene Muschelbänke in Neuengland und invasive Mückenarten wie die Asiatische Tigermücke( Aedes albopictus) oder Aedes aegyptii übertragen Krankheiten wie Malaria, Zika und das West-Nil-Fieber.

Betroffen sind nahezu alle Regionen und Biome unseres Planeten: „34 Prozent der Auswirkungen biologischer Invasionen finden wir in Süd- und Nordamerika, 31 Prozent in Europa und Zentralasien, 25 Prozent in Asien und dem Pazifik, etwa sieben Prozent wurden aus Afrika gemeldet“, berichtet Seebens. Am stärksten betroffen sind Ökosysteme an Land, aber auch im Süßwasser und im Ozean kommt es zunehmend zur Verdrängung heimischer Arten durch Bioinvasoren, darunter gebietsfremde Krebse, Weichtiere und Fischarten.

Dramatisch ist die Lage bereits auf vielen Inseln: Auf mehr einem Viertel von ihnen gibt es heute schon mehr gebietsfremde Pflanzen als einheimische Flora und auch die endemische Fauna vieler Inseln ist durch eingeschleppte Tiere dezimiert.

Top Ten der gebietsfremden Arten
Diese zehn Arten haben sich am erfolgreichsten weltweit ausgebreitet. © IPBES

Die Top Ten der Bioinvasoren

Doch welches sind die weltweit „erfolgreichsten“ Bioinvasoren? Den ersten Rang unter den Top Ten der invasiven Arten hat die ursprünglich in Südamerika heimische Dickstielige Wasserhyazinthe (Pontederia crassipes). Weil sie als Zierpflanze für Gartenteiche beliebt ist, hat sie sich inzwischen in 74 Regionen neu ausgebreitet. Weil diese Schwimmpflanze Gewässer komplett bedeckt, erstickt sie fast alles Leben unter sich. Sie gilt auch in der EU als „unerwünschte Art“.

Ebenfalls unter den Top Ten der erfolgreichsten Bioinvasoren sind gleich drei Nagetiere: die Hausmaus und die beiden Rattenarten Rattus norvegicus und Rattus rattus (Wanderratte). Sie sind gemeinsam für rund 30 Prozent aller Aussterbe-Fälle verantwortlich, vor allem Vögel wurden dezimiert, weil die Nager ihre Eier und Küken fressen. Bei den Pflanzen stehen noch die giftige Rizinusbohne und die Robinie auf der Liste der zehn Top-Invasoren.

Gegenmaßnahmen bisher nicht ausreichend

Der IPBES-Bericht unterstreicht auch, dass das Problem gravierender wird, denn die Zahl invasiver Arten nimmt zu – zurzeit werden jedes Jahr rund 200 neue gebietsfremde Arten entdeckt. Die Forschenden schätzen, dass sich es im Jahr 2050 rund 36 Prozent mehr gebietsfremde Arten geben wird als noch 2005, sofern keine wirksameren Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Denn der Klimawandel und die Zunahme des weltweiten Handels und Reisens fördern die Ausbreitung von Bioinvasoren.

Das Problem: Bisher sind die Maßnahmen gegen invasive Arten laut IPBES-Bericht unzureichend. Zwar haben 80 Prozent der Länder in ihren nationalen Biodiversitätsplänen Ziele für den Umgang mit invasiven gebietsfremden Arten verankert, aber nur 17 Prozent der Länder haben auch Gesetze oder Vorschriften, die sich damit befassen. 45 Prozent aller Staaten investieren überhaupt nicht in das Management biologischer Invasionen.

Dabei gäbe es durchaus wirksame Gegenmittel: „Es gibt fast für jeden Kontext und jede Situation Managementinstrumente, Steuerungsoptionen und gezielte Maßnahmen, die wirklich funktionieren“, erläutert Seebens. „Präventionsmaßnahmen – wie streng durchgesetzte Einfuhrkontrollen – sind dabei die beste und kosteneffizienteste Option, aber auch die Ausrottung, Eindämmung und Kontrolle von invasiven Arten sind in bestimmten Situationen wirksam.“ (IPBES Invasive Alien Species Assessment, 2023: Summary for Policymakers)

Quelle: Intergovernmental Science-Policy Platform on Biodiversity and Ecosystem Services (IPBES),
Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung

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