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Umwelt

Neues Baumsterben in Mitteleuropa?

Die Baummortalität ist in den letzten 30 Jahren stark angestiegen

Tote Bäume im Bayerischen Wald. Diese Aufnahme stammt nicht aus der Zeit des "klasssischen" Waldsterbens in den 1980ern, sondern aus 2011. © High Contrast/ CC-by-sa 3.0 de

Waldsterben 2.0: Seit den 1980er Jahren ist das Baumsterben in Mitteleuropa nicht weniger geworden – im Gegenteil. In den letzten 30 Jahren haben sich die betroffenen Waldflächen sogar verdoppelt, wie nun eine Studie enthüllt. Statt durch sauren Regen und Schadstoffe wie beim Waldsterben der 1980er Jahre sterben heute jedoch immer mehr Bäume durch die Folgen des Klimawandels, Borkenkäfer oder Abholzung, wie die Forscher im Fachmagazin „Nature Communications“ berichten.

In den 1980er und 1990er Jahren war das „Waldsterben“ ein großes Thema. Vor allem der von der Luftverschmutzung verursachte saure Regen setzte den Baumbeständen damals stark zu. Mancherorts starben ganze Waldgebiete ab. Seitdem strengere Emissions-Richtlinien gelten, hat zumindest diese Form des Baumsterbens nachgelassen. Der Wald schien auf dem Wege der Besserung – so dachte man jedenfalls bislang.

Baumsterben 2018 – nur ein Ausreißer?

Doch gerade in diesem Jahr sorgen die Wälder erneut für Schlagzeilen. Denn der extrem trockene Sommer 2018 hat vielen Waldbäumen in Deutschland, aber auch anderen Ländern schwer zugesetzt. Hinzu kommt in vielen Nadelwäldern ein schwerer Befall mit Borkenkäfern, durch den tausende von Bäumen absterben und gefällt werden müssen. Aber ist das nur ein einmaliger „Ausreißer“ oder steckt ein Trend dahinter?

Um das herauszufinden, haben Cornelius Senf von der Humboldt-Universität Berlin und sein Team 24.000 Satellitenbilder aus der Zeit von 1984 bis 2016 ausgewertet und verglichen. Anhand dieser Aufnahmen konnte sie die Entwicklung der Kronendichte und den Waldzustand für rund 30 Millionen Hektar Wald in Mitteleuropa nachvollziehen und bewerten.

Betroffene Waldfläche hat sich verdoppelt

Das überraschende Ergebnis: Das „Waldsterben“ hat nie aufgehört. Stattdessen hält das Baumsterben in Mitteleuropa schon seit 30 Jahren an – und hat sich sogar verstärkt. „Die Mortalität

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in den Wäldern ist pro Jahr um 2,4 Prozent gestiegen, dadurch hat sich die vom Baumsterben betroffene Waldfläche seit 1984 verdoppelt“, berichten Senf und seine Kollegen. War anfangs im Schnitt noch ein halbes Prozent der Waldfläche pro Jahr betroffen, so waren es 2015 bereits ein Prozent.

Im Klartext bedeutet dies: Heute reißt die Baummortalität sogar mehr Lücken in die Wälder Mitteleuropas als auf dem Höhepunkt des „Waldsterbens“ vor 30 Jahren. Jedes Jahr gehen Bäume auf einer Fläche von rund 3.000 Quadratkilometern verloren, wie die Forscher berichten. Dies entspricht etwa der Fläche des Saarlands. Dass dieses neue Baumsterben bisher trotzdem kaum aufgefallen ist, liegt an seinem schleichenden Fortschreiten: Betroffen sind nicht mehr ganze Bestände auf einmal, sondern einzelne Bäume, die im Wald verteilt stehen.

Fraßgänge von Borkenkäferlarven unter der Rinde einer Fichte. © Harald Kloth/ CC-by-sa 4.0

Klimawandel statt saurer Regen

Die Ursachen für das anhaltende Baumsterben sind heute allerdings andere als noch vor 30 Jahren: Setzten damals vor allem Schadstoffe und saurer Regen den Wäldern zu, sind es heute vor allem die Folgen des Klimawandels. Zunehmende Trockenheit und steigende Temperaturen schwächen die Bäume und begünstigen einen Schädlingsbefall. Dazu kommen häufigere und stärker werdende Stürme, die Bäume entwurzeln und brechen.

„Winterstürme und Borkenkäfer, welche sich durch die warmen und trockenen Bedingungen rasch vermehren, verursachen großflächige Baummortalität“, sagt Senf. Er hält es daher für sehr wahrscheinlich, dass dieses Baumsterben weiter anhalten und sogar noch zunehmen wird. Ein weiterer Grund ist der seit den 1980er stark gestiegene Holzeinschlag in Mitteleuropa. Während früher dafür ganze Bestände komplett abgeholzt wurden, werden heute dafür immer nur einzelne Bäume gefällt – aber auch das reißt Lücken in den Wald.

„Eine Verdopplung der Baummortalität innerhalb von 33 Jahren, wie hier beobachtet, repräsentiert eine substanzielle Veränderung in der Ökoystemdynamik der Wälder“, konstatieren die Forscher. „Das hat auch große Bedeutung für den Erhalt der Artenvielfalt und die Kohlenstoffspeicherung der Wälder.“ Denn das Baumsterben trifft vor allem alte und große Bäume – und gerade sie sind wertvolle Lebensräume für Tiere und effektive CO2-Senken. (Nature Communications, 2018; doi: 10.1038/s41467-018-07539-6)

(Humboldt-Universität zu Berlin, 27.11.2018 – NPO)

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