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Neurobiologie

Neue Gehirnzellen wirken nicht nur positiv

Neubildung kann Leistungsfähigkeit einschränken

Das Gehirn ändert sich ein Leben lang. Ständig werden neu entstandene Zellen in das Netzwerk integriert und neue Verbindungen geknüpft. Doch nicht immer erhöhen zusätzliche Gehirnzellen die Lernfähigkeit, wie Wissenschaftler jetzt entdeckten. Zu viele neue Zellen können das Knüpfen weiterer Verbindungen im Gehirn sogar hemmen.

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Viele Prozesse unseres Bewusstseins sind darauf angewiesen,

dass das Gehirn ständig neue Zellen produziert. Wissenschaftler haben deshalb bislang angenommen, dass neue Zellen grundsätzlich die Fähigkeit des Gehirns, sich zu reorganisieren, und damit die Lernfähigkeit erhöhen. Dieser positive Einfluss von neuen Zellen auf die Umstrukturierung des Gehirns hat aber offenbar seine Grenzen.

Wie Wissenschaftler um Markus Butz vom Max Planck-Institut für Dynamik und Selbstorganisation, vom Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience und den Universitäten Amsterdam und Bielefeld erstmals gezeigt haben, können zu viele neue Zellen die Leistungsfähigkeit des Gehirns sogar einschränken.

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Starke Zellteilung hemmt Verbindungen

Das Team untersuchte den Zusammenhang zwischen Zellteilung und der Entstehung neuronaler Verknüpfungen im Hippokampus von Wüstenrennmäusen. Der Hippokampus ist für die Übermittlung von Informationen in das Langzeitgedächtnis zuständig. Er zeichnet sich dadurch aus, dass hier ein Leben lang sehr viel Zellteilung und neuronale Reorganisation stattfindet.

Wenn Wüstenrennmäuse isoliert und mit wenig Anregung großgezogen werden, entwickeln sie Verhaltensstörungen: Sie sind ängstlich und zeigen stereotypes Verhalten. Das geht einher mit anatomischen Anomalien in der Struktur des Gehirns, es werden nicht genügend neue Verbindungen geknüpft. Diese Entwicklung ist auf eine zu starke Zellteilung zurückzuführen. Wie die Wissenschaftler zeigten, lässt sich die strukturelle Reorganisation im Gehirn dieser Mäuse nahezu auf ein Normalmaß steigern, wenn die Zellteilung künstlich verringert wird. Welcher Mechanismus dieser Behinderung neuronaler Reorganisation durch überschüssige neuronale Zellen zu Grunde liegt, untersuchten sie im Computermodell.

Kontakte besetzt

Freie neuronale Kontakte sind eine Voraussetzung dafür, dass sich das neuronale Netzwerk umorganisieren kann. Neue Zellen, die gerade erst aus einer Zellteilung hervorgegangen sind, produzieren sogenannte „neurotrophe Faktoren“, die solche Kontakte anziehen. Auf diese Weise werden die neuen Zellen ins Netzwerk integriert.

Gibt es aber zu viele neue Zellen, werden alle vorhandenen Kontaktstellen besetzt – eine anschließende Reorganisation zwischen den bereits bestehenden Zellen wird dadurch behindert. Das führt zu einer falschen Organisation des Netzwerks. Eine solche Fehlorganisation, so spekulieren die Forscher, kann auch zu Epilepsie führen.

(MPG, 16.06.2008 – NPO)

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