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Biologie

Nanoröhrchen: Zellmembran auf Vorrat

Osmotische Kräfte an der Bildung von Nanoröhrchen in Zellen beteiligt

Bildung von Nanoröhrchen in einem Vesikel © MPI für Kolloid- und Grenzflächenforschung

Wenn sich eine Zelle teilt, wächst die Fläche der Zellmembran. Um schnell Membran-Nachschub zur Verfügung stellen zu können, speichern Zellen in ihrem Innern Membranfläche in Form von Nanoröhrchen, schlauchförmigen Einstülpungen der Zellmembran. Max-Planck-Forscher haben nun einen Mechanismus enthüllt, mit dem die Zelle solche stabilen Membran-Nanoröhrchen bilden könnte.

Röhrchenförmige Einstülpungen der Zellmembran finden sich an vielen Stellen einer Zelle: im Golgi-Apparat, einer Art Verschiebebahnhof der Zelle, der Transportvesikel bildet, in den Mitochondrien, den Kraftwerken der Zelle oder im Endoplasmatischen Retikulum, eine Art Kanalnetzwerk innerhalb von Zellen. Die Röhrchen haben Durchmesser von wenigen Nanometern – Millionstel Millimeter – bis hin zu einigen Mikrometern (Tausendstel Millimeter).

Je dünner die Röhrchen sind, desto größer ist das Verhältnis zwischen ihrer Oberfläche und ihrem Volumen. Sie sind daher ideal, um Membranfläche auf kleinstem Raum zu speichern.

Motorproteine falten Zellmembran zusammen

Forscher nehmen an, dass Motorproteine die Zellmembran unter Energieeinsatz zu Nanoröhrchen zusammenfalten können. „Doch diese Motorproteine sind nicht überall dort in der Zelle vorhanden, wo sich Membran-Nanoröhrchen ausbilden“, sagt Rumiana Dimova vom Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung, Mitautorin der Studie in der Fachzeitschrift „Proceedings of the National Academy of Sciences USA“ (PNAS). Daher müsse es noch einen weiteren Mechanismus geben, der stabile Nanoröhrchen erzeugt, sagt Dimova.

Eine mögliche Lösung des Rätsels haben die Potsdamer Forscher nun gefunden. „Der Mechanismus erzeugt stabile Nanoröhrchen, ohne dass Kräfte auf die Membran ausgeübt werden müssen. Er kommt somit ohne Motorproteine aus“, erklärt Dimova.

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Phänomen Osmose

Ein Teil des Mechanismus beruht auf einem Phänomen, das in der Welt der Membranen allgegenwärtig ist, der so genannten Osmose. Wenn bestimmte Moleküle außerhalb einer Zelle in einer größeren Konzentration vorliegen als innerhalb der Zelle – sie also eine so genannte hypertone Lösung bilden – dann fließt Wasser aus der Zelle heraus und die Zelle schrumpft.

Genau das haben die Potsdamer Forscher mit einer Modellzelle gemacht. Dabei handelte es sich um ein künstliches Vesikel von der Größe einer Zelle, das eine Mischung von zwei Polymeren, nämlich Polyethylenglykol (PEG) und Dextran, enthielt. „Auch in lebenden Zellen befinden sich Biopolymere in ähnlich hoher Konzentration“, sagt Dimova. „Wir halten das Vesikel daher für ein gutes Zellmodell.“

Polymerarten entmischen sich

Das Vesikel haben die Forscher in eine hypertone Lösung überführt. Darin schrumpfte es, weil es Wasser an die hypertone Lösung abgab. Allerdings tat es das auf ganz andere Weise als ein Badeball, aus dem man die Luft entlässt und der einfach zu einem flachen Pfannkuchen zusammenfällt. Das Herausfließen des Wassers ließ die Konzentration der gelösten Polymere im Vesikel ansteigen.

Das wiederum hatte nach Angaben der Wissenschaftler zur Folge, dass die beiden Polymerarten sich weitgehend entmischten. Dadurch bildeten sich zwei getrennte, unterschiedlich große Tropfen in dem Vesikel, sodass es die Form eines Schneemannes annahm, mit einer größeren Kugel, die hauptsächlich PEG und einer kleineren, die überwiegend Dextran enthielt.

Mit einem Fluoreszenzmikroskop konnten die Potsdamer Forscher beobachten, dass sich Membran-Nanoröhrchen im PEG-reichen Teil des Vesikels ausbildeten und sich an die Grenzfläche zwischen den beiden Tropfen anlagerten. Die Wissenschaftler zeigten, dass etwa 15 Prozent der Membranfläche in den Röhrchen gespeichert wurde. Das Auflösungsvermögen des Mikroskops reichte nicht aus, um den Durchmesser der Röhrchen zu bestimmen. Die Forscher konnten ihn aber auf rund 240 Nanometer berechnen.

Warum bleiben Membranröhrchen stabil?

Die Forscher haben auch ein Erklärungsmodell für die Entstehung und die Stabilität der Nanoröhrchen. Sie beobachteten, dass sich beim Trennen der Polymere Strömungen von Lösungen unterschiedlicher Dichte ergeben. Diese üben Kräfte auf die Membran aus und tragen so zur Ausbildung der Röhrchen bei.

Als nächstes fragten sich die Wissenschaftler, wodurch die Membranröhrchen stabil bleiben. Die theoretische Analyse der beobachteten Membranformen zeigte, dass nur dann stabile Röhrchen entstehen, wenn die beiden Seiten der Membran einen asymmetrischen molekularen Aufbau haben. Diese Asymmetrie wird durch die Wechselwirkung zwischen Membran und Biopolymeren verursacht. Auf der einen Seite befindet sich eine hohe Konzentration von PEG-Molekülen auf der anderen Seite hingegen finden sich keine solchen Moleküle.

Osmose sorgt für Schrumpfen

Weil das PEG mit den Lipid-Molekülen wechselwirkt, aus denen die Membran besteht, hat die Membran das Bestreben, sich nach innen zu krümmen. Durch die Ausbildung der Nanoröhrchen kommt die Zellmembran diesem Streben entgegen. Die Forscher beobachteten, dass die Nanoröhrchen wieder verschwinden, wenn man die Vesikel durch Osmose wieder anschwellen lässt.

„Für natürliche Zellen ist es einfach, eine Asymmetrie zu erzeugen, wie wir sie in unserem Experiment beobachtet haben“, sagt Dimova. Ein durch Osmose herbeigeführtes Schrumpfen sei beispielsweise von roten Blutzellen her bekannt. Die Biophysikerin glaubt daher, dass der neu entdeckte Mechanismus in lebenden Zellen zur Speicherung von Membranfläche genutzt werden könnte. Der Beweis dafür stehe aber noch aus. (PNAS, 2011; doi:10.1073/pnas.1015892108)

(MPG, 09.03.2011 – DLO)

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