Die Fortsätze vieler Neuronen sind von einer Isolierschicht umgeben, die eine wichtige Rolle bei der Weiterleitung von Informationen im zentralen Nervensystem spielt. Doch wie entsteht dieses Myelin? Das war bisher noch weitgehend unverstanden. Mainzer Wissenschaftler haben nun einen wesentlichen Beitrag zum Verständnis dieser komplexen zellulären Prozesse geliefert.
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Damit Nervenzellen Informationen über weite Distanzen effizient übermitteln können, hat sich bei höheren Organismen die so genannte saltatorische Erregungsleitung entwickelt. Diese wird ermöglicht, indem die zur Reizweiterleitung spezialisierten axonalen Fortsätze der Nervenzellen in bestimmten Abständen von Myelin – einer Art Isolierschicht – umgeben sind. Im Falle von Erkrankungen wie Multipler Sklerose oder Leukodystrophien ist die Bildung beziehungsweise die Funktion des Myelins gestört.
Vereinfacht betrachtet springen bei der saltatorischen Erregungsleitung weitergeleitete Signale von einem nicht myelinisierten Bereich, dem Ranvierschen Schnürring, zum nächsten, was die Geschwindigkeit der Weiterleitung enorm erhöht. Im zentralen Nervensystem entsteht Myelin dadurch, dass Oligodendrozyten, ein bestimmter Typ von Gehirnzellen, ihre Zellfortsätze mehrfach um die Axone der Nervenzellen wickeln und einen kompakten Stapel von Zellmembranen ausbilden.
Wie Nervenzellen Ort und Zeitpunkt der Myelinproduktion steuern
Die Wissenschaftler von der Universität Mainz um Professorin Jacqueline Trotter konnten nun zeigen, welche Mechanismen zur Bildung einer intakten Myelinscheide beitragen und wie die Nervenzellen Ort und Zeitpunkt der Myelinproduktion steuern.
In einer im Fachmagazin „Journal of Cell Science“ veröffentlichten Studie zeigten sie, dass ein so genannter endozytischer Recycling-Zyklus von Myelinproteinen für die spezifische Ausbildung von Myelindomänen von Bedeutung ist. Dabei werden die Proteine zunächst zur Zelloberfläche transportiert. Von dort werden sie durch Endozytose wieder in die Zelle aufgenommen, um in verschiedene Membrandomänen sortiert zu werden, die anschließend wieder an die Zelloberfläche gelangen. Dieser Membranumbau scheint notwendig für die korrekte Bildung einer intakten Myelinscheide.
Neuer Signalweg vorgestellt
In einer weiteren, im „Journal of Cell Biology“ erschienenen Untersuchung stellen sie zudem einen neuen Signalweg vor, der von der Interaktion eines neuronalen und eines oligodendroglialen Oberflächenmoleküls über die Aktivierung eines für die Myelinisierung essentiellen Signalmoleküls letztlich zu der lokalen Translation eines Hauptmyelinproteins im Oligodendrozyten führt.
Diese Ergebnisse beschreiben eine Möglichkeit der Nervenzelle zu beeinflussen, an welchen Stellen oder zu welchem Zeitpunkt Myelin synthetisiert werden soll. Sie verdeutlichen aber auch die entscheidende Rolle beider Zelltypen für die Ausbildung der Grundlage einer effizienten Reizweiterleitung im zentralen Nervensystem.
(idw – Universität Mainz, 05.06.2008 – DLO)