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Biotechnologie

Japan kein Paradies für Klonforscher

Bioethische Regelungen nicht freizügiger als Deutschland

In Debatten über das Klonen oder die Forschung mit embryonalen Stammzellen wird häufig behauptet, in Asien gebe es freizügigere Regelungen für die medizinische Spitzenforschung. Doch dem ist nicht so, wie eine Studie deutscher Forscher jetzt zeigt.

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Wissenschaftler der Universität Bonn untersuchen seit 2002, wie es um die bioethische Diskussion im wirtschaftlich und technologisch stärksten Land Ostasiens wirklich bestellt ist. Erstaunliches Ergebnis: So groß wie immer wieder behauptet sind die Unterschiede zu Deutschland nicht, trotz religiöser und kultureller Unterschiede.

Embryonen sakrosankt

In Japan gibt es etwa eine Millionen Christen, das ist weniger als ein Prozent der Bevölkerung. Die weitaus meisten Japaner bekennen sich dagegen zum Buddhismus oder zum Shintoismus. „Im Unterschied zum Christentum kennt man in diesen Religionen keinen Gott, der die Menschen geschaffen hat“, erklärt der Bonner Philosoph Dr. Christian Steineck. „Daher hört man häufig die Behauptung, in Japan habe man weniger Skrupel, bei Geburt und Tod einzugreifen.“ Eine These, die er für ausgemachten Unsinn hält: „Auch für viele Japaner sind Lebensanfang und -ende sakrosankte Bereiche.“

Statt großer Unterschiede sieht Steineck deutliche Parallelen zur bioethischen Diskussion hierzulande: Auch in Japan gelte die befruchtete Eizelle als Anfang des Lebens und genieße besonderen Schutz. Zwar dürfen japanische Wissenschaftler im Gegensatz zu ihren deutschen Kollegen embryonale Stammzellen herstellen. Dazu dürfen sie aber nur „überzählige“ Embryonen aus künstlichen Befruchtungen verwenden. Klonen zu Forschungszwecken – also die „Produktion“ von Embryonen, um aus ihnen Stammzellen für die Forschung herzustellen – ist verboten, ebenso das reproduktive Klonen.

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Ethik-Diskussion ähnlich heftig

„Ähnlich wie bei uns ist das Meinungsbild jedoch sehr heterogen“, erläutert Steineck: „Auf der einen Seite stehen die Ethiker, die eher kritisch und vorsichtig eingestellt sind, während die Mediziner und Naturwissenschaftler stärker die Chancen für die Forschung sehen. Für die Politik zählt zudem noch das wirtschaftliche Argument.“ Wie hitzig die Diskussion geführt wird, zeigt auch die jüngste Empfehlung der japanischen Bioethik-Kommission, „Forschungsklonen“ unter strengen Auflagen zuzulassen: In der Kommission entspann sich in dieser Frage ein heftiger Streit. Mehrere Gegner machten ihre Kritik an der ihrer Meinung nach zu oberflächlichen und einseitigen Diskussion nach der Abstimmung öffentlich. In den Medien hagelte es Kritik über die Art und Weise, wie das Mehrheitsvotum zustande gekommen war.

Ein Grund: In der akademischen Debatte halten viele das Forschungsklonen für problematischer als das reproduktive Klonen. „Beim Forschungsklonen werden menschliche Embryonen geschaffen und später getötet“, sagt Steineck. „Viele japanische Ethiker sind gegen eine solche Behandlung von Embryonen als Forschungsmaterial. In ihren Begründungen macht sich häufig eine starke Kant-Tradition in der Ethik bemerkbar.“ Die Öffentlichkeit zeigt sich dagegen bis heute nicht sonderlich an dieser Frage interessiert.

Ereignisse stärkeren Einfluss als Kultur

Das Beispiel Japan zeigt auch, dass es häufig Zufälle sind, die einer bioethischen Debatte eine Wende geben. So wurde die erste Herztransplantation, die 1968 in Japan durchgeführt wurde, zunächst als Erfolg japanischer Wissenschaft bejubelt. Später kam jedoch der Verdacht auf, der Spender sei nicht – wie behauptet – hirntot gewesen, sondern überehrgeizigen Ärzten zum Opfer gefallen. Nach diesem Skandal entwickelte sich großes Misstrauen gegenüber der Transplantationsmedizin und dem Hirntod-Kriterium.

Bis heute spielen Hirntote als Organspender in Japan eine untergeordnete Rolle. „Der Skandal von 1968 hat sicherlich einen guten Teil dazu beigetragen“, betont Steineck. „Dennoch erklären heute viele den starken Widerstand gegen das Hirntod-Kriterium mit ‚kulturellen‘ Gründen. Dabei zeigen Umfragen in Japan, Deutschland und den USA, dass Laien in allen drei Ländern Laien ganz ähnliche Bedenken haben.“ Wie ein Einzelfall die bioethische Debatte beeinflussen kann, zeigt auch das Schicksal von Terri Schiavo, das in diesem Frühjahr in den USA zu hoch emotionalen Auseinandersetzungen zum Thema Sterbehilfe führte.

(Universität Bonn, 28.07.2005 – NPO)

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