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Neurobiologie

Im „sozialen Gehirn“ des Hundes

Hunde und Menschen verarbeiten Körperhaltung ihres Gegenübers ähnlich

Mensch und Hund
Mensch und Hund sind nicht nur enge Weggefährten, sondern verarbeiten auch soziale Informationen ähnlich. © Zbynek Pospisil/ Getty Images

Wie der Mensch, so der Hund: Hunde sind ähnlich wie wir Menschen besonders gut darin, Gesichtsausdrücke und Gesten zu verstehen. Und das zeigt sich auch in ihrem Gehirn, wie Forschende nun herausgefunden haben. Demnach haben Hunde wie wir ein spezielles Hirnareal, in dem sie die Körperhaltung ihres Gegenübers verarbeiten und einordnen. Anders als bei uns kommen bei der Wahrnehmung anderer allerdings nicht nur visuelle Gehirnregionen zum Einsatz, sondern auch solche für den Geruchssinn.

Mensch und Hund sind seit mindestens 15.000 Jahren ein enges Team, das sich auch ohne Worte versteht. Das liegt unter anderem daran, dass die Vierbeiner im Laufe der Zeit unsere Gestik und Mimik verinnerlicht haben. So verstehen Hunde zum Beispiel allein anhand unseres Gesichtsausdrucks, ob wir fröhlich oder zornig sind. Darin sind sie sogar besser als Schimpansen.

Außerdem sind Hunde in der Lage, die Gesichter vertrauter Personen auf Fotos wiederzuerkennen. Wie genau sich diese ausgeprägten sozialen Fähigkeiten im Hundehirn zeigen, ist bislang allerdings nur in Teilen bekannt.

Hund im fMRT
Hündin Maeva liegt im fMRT, wo ihre Hirnaktivität gemessen werden soll. © Universität Wien CCNU

Diaschau mit Hirnscan

Forschende um Magdalena Boch von der Universität Wien haben nun untersucht, was im Gehirn eines Hundes vor sich geht, wenn er Gesichter und Körper von Menschen und Artgenossen sowie leblose Objekte, zum Beispiel Spielzeug, betrachtet. Dafür zeigten sie 15 Hunden entsprechende Bilder und zeichneten parallel ihre Hirnaktivität mit einem funktionellen Magnetresonanztomografen (fMRT) auf. Zuvor waren die Vierbeiner schrittweise an das Gerät gewöhnt worden. Während der Scans trugen sie außerdem Ohrenstöpsel als Lärmschutz und konnten über eine spezielle Rampe jederzeit gehen.

Im Verlauf von zwei mehrminütigen Durchläufen sahen die Tiere insgesamt 180 verschiedene Bilder. Zusätzlich zu den Hunden durchliefen auch 40 menschliche Probanden denselben Versuch. Auf diese Weise konnten Boch und ihre Kollegen die „sozialen Gehirne“ beider Spezies direkt miteinander vergleichen.

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Ein eigenes Hirnareal für Körperhaltungen

Die Hirnscans zeigten: Wenn die Hunde belebte Objekte wie Gesichter oder Körper betrachteten, aktivierte das verschiedene Regionen in ihrem Schläfenlappen. Die Vierbeiner verarbeiteten das Gesehene demnach ähnlich wie wir Menschen. Diesen Effekt riefen sowohl Bilder von Artgenossen als auch solche von Menschen hervor, wie Boch und ihr Team berichten.

Im „sozialen Gehirn“ der untersuchten Hunde sind die Forschenden außerdem erstmals auf eine Region gestoßen, die rein auf die visuelle Wahrnehmung von Körperhaltungen spezialisiert ist. Auch bei uns Menschen gibt es ein solches Areal. Es hilft uns dabei, die Absichten und den emotionalen Zustand unseres Gegenübers möglichst präzise einzuordnen. Ist derjenige niedergeschlagen? Will er mir sogar etwas Böses?

Anders verkabelt

Abgesehen davon scheint das soziale Hundehirn allerdings ein wenig anders strukturiert zu sein als das menschliche. Während wir zum Beispiel Hirnareale besitzen, die ausschließlich Gesichter verarbeiten, gibt es diese beim Hund nicht. Bei den Vierbeinern liegt die Gesichtserkennung stattdessen in Regionen, die an der Körperwahrnehmung beteiligt sind, wie die Forschenden beobachten konnten.

„Wir Menschen fokussieren uns oft auf das Gesicht in der Kommunikation mit anderen. Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass Gesichter ebenfalls eine wichtige Informationsquelle für Hunde darstellen. Jedoch scheinen Körperhaltungen und eine ganzheitliche Wahrnehmung eine übergeordnete Rolle zu spielen“, erläutert Boch. Hunde achten bei ihren Artgenossen und bei uns Menschen demnach eher auf die Haltung und Bewegung insgesamt.

Geruchssinn für Hunde wichtiger

Ein weiterer Unterschied: Bei uns ist die Wahrnehmung von Gesichtern und Körpern ausschließlich in visuellen Gehirnregionen angesiedelt, beim Hund jedoch offenbar nicht. So fanden Boch und ihr Team heraus, dass bei den Vierbeinern zusätzlich Bereiche aktiv werden, die für die Verarbeitung von Gerüchen zuständig sind – selbst wenn sie nur ein Bild sehen. Den Forschenden zufolge liegt das wahrscheinlich daran, dass der Geruchssinn beim Hund deutlich ausgeprägter ist und im Gehirn Gesehenes stärker mit Gerochenem verknüpft wird als bei uns.

Fügt man die Erkenntnisse von Boch und ihrem Team in ein größeres Gesamtbild ein, dann verdeutlichen sie, wie zwei nur entfernt verwandte Säugetierarten soziale Informationen dennoch ähnlich verarbeiten. Sie liefern damit ein Beispiel für konvergente Evolution, in der sich Arten unabhängig voneinander in eine ähnliche Richtung entwickelt haben. (Communications Biology, 2023, doi: 10.1038/s42003-023-05014-7

Quelle: Universität Wien

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