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Biologie

Erneut massives Amselsterben durch Usutu

Tödliches Virus ist inzwischen in ganz Deutschland verbreitet

Diese Amsel starb an einer Infektion mit dem Usutu-Virus. Seit Anfang 2019 wurden in Deutschland schon 9.000 solcher Fälle gemeldet. © NABU/ Michael Beusch

Tropenvirus breitet sich aus: In Deutschland sterben immer mehr Amseln am Usutu-Virus – einem aus den Tropen stammenden Erreger, der von Mücken übertragen wird. Bis Mitte August wurden bereits 9.000 tote oder kranke Vögel gemeldet – dies ist gut zehnmal mehr als im letzten Jahr um diese Zeit, wie der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) berichtet. Inzwischen ist zudem kein Bundesland mehr Usutu-frei.

Immer häufiger kommt es vor, dass Stechmücken und andere Blutsauger auch in Deutschland tropische Erreger übertragen. Denn durch den Klimawandel breiten sich bei uns wärmeliebende Blutsauger wie die Tigermücke oder die Hyalomma-Zecke aus, die im Gegensatz zu unseren heimischen Arten effektive Überträger von tropischen Erkrankungen sind. Unter Vögeln und vor allem Amseln grassiert dadurch schon seit 2011 das Usutu-Virus. Infizierte Vögel wirken krank, apathisch, flüchten nicht mehr und sterben meist innerhalb weniger Tage.

tote Amsel
Schon erkrankt: Amsel mit Symptomen des Usutu-Virus. © NABU /Pia Heimberg

Inzwischen in ganz Deutschland verbreitet

Während anfangs in Deutschland nur Fälle in den wärmebegünstigten Regionen entlang des Rheintals und am Untermain auftraten, hat sich das Usutu-Virus seit 2016 zunehmend weiter nach Norden ausgebreitet. Begünstigt durch den Hitzesommer erreichte das „Amselsterben“ im letzten Jahr auch Nord- und Ostdeutschland. „Damit ist kein deutsches Bundesland mehr Usutu-frei“, sagt NABU-Vogelschutzexperte Lars Lachmann. „Nur aus höher gelegenen Mittelgebirgsregionen werden bisher noch keine toten Vögel gemeldet.“

Treibende Kraft dieser Ausbreitung ist vor allem das im Winter milde und im Sommer heiße Wetter, wie die Experten erklären: „Der trocken-heiße Sommer 2018 war offensichtlich günstig für die Ausbreitung des wärmebedürftigen Usutu-Virus, auch wenn die Zahl der Mücken als potentielle Überträger aufgrund der Trockenheit allgemein eher gering war“, erklärt Renke Lühken vom Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin.

Höhepunkt der Epidemie kommt noch

In diesem Jahr jedoch scheint das Amselsterben noch gravierender auszufallen. Von Jahresbeginn 2019 bis zum 12. August wurden dem NABU deutschlandweit bereits Verdachtsfälle zu fast 9.000 kranken oder toten Vögel gemeldet. Beim bisher stärksten Auftreten der Usutu-Epidemie im vergangenen Jahr waren es im gleichen Zeitraum lediglich 800 Meldungen. Die Forscher rechnen deshalb damit, dass die Usutu-Epidemie in diesem Jahr mehr Todesopfer unter Vögeln fordern wird.

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Der wahrscheinliche Grund dafür: 2019 ist genauso heiß, dabei aber deutlich feuchter und mückenreicher als das Vorjahr. „Daher könnte die diesjährige Usutu-Saison noch stärker ausfallen“, sagt Lühken. Den Höhepunkt des Vogelsterbens erwarten die Vogelkundler und Virologen in den kommenden Wochen, denn die meisten Usutu-Fälle treten im August und September auf. Die nächsten Wochen werden daher zeigen, ob das Virus sich in diesem Jahr noch weiter ausbreiten kann, und in welchen Regionen besonders viele Vögel daran sterben.

Todesraten in neu befallenen Gebieten am höchsten

Immerhin einen Hoffnungsschimmer gibt es jedoch: Die Erfahrung der letzten Jahre zeigt, dass immer dort besonders viele Vögel sterben, wo das Virus gegen Ende des Vorjahres zum ersten Mal aufgetreten ist. Wo das Virus jedoch schon länger vorkommt, sinken die Todesraten. Nach Ansicht der Forscher liegt dies vermutlich daran, dass überlebende Vögel eines Ausbruchs eine Immunität gegen die Krankheit erwerben.

Deutlich erkennbar ist bereits, dass der Nordwesten Deutschlands, wo im Vorjahr die meisten Vögel gestorben waren, in diesem Jahr nicht mehr außergewöhnlich stark betroffen zu sein scheint. Stattdessen deuten sich neue Schwerpunkte des Vogelsterbens weiter östlich um Berlin und München an, wie die Wissenschaftler berichten. NABU und Tropenmediziner bitten die Bevölkerung weiterhin, kranke oder verendete Tiere zu melden und möglichst zur Untersuchung einzusenden.

Usutu und West-Nil-Virus auch auf Menschen übertragbar

Usutu ist nicht das einzige Virus, das unsere Vögel bedroht: Die Tropenmediziner interessiert auch die Ausbreitung des ebenfalls durch Mücken übertragenen West-Nil-Virus in Deutschland. Es wurde im vergangenen Jahr erstmals in Vögeln und Pferden nachgewiesen. Ein aktueller Nachweis Anfang Juli 2019 belegt zudem, dass das West-Nil-Virus in Deutschland inzwischen auch überwintern kann. „Alle toten Vögel werden daher auf das Usutu- und West-Nil-Virus getestet“ erklärt Lühken.

Sowohl das Usutu-Virus als auch das West-Nil-Virus befallen zwar in erster Linie Vögel, können aber durch Mückenstiche auch auf den Menschen übertragen werden. „Beide Viren können in seltenen Fällen auch die menschliche Gesundheit beeinträchtigen“, erklärt Lühken. Bisher allerdings sind aus Deutschland noch keine Fälle einer solchen Ansteckung bekannt.

Amseln bei der Regeneration helfen

Ob sich betroffene Amsel-Bestände wieder vollständig erholen können, dauerhaft reduziert bleiben oder gar immer weiter abnehmen werden, ist bislang unklar. „Leider kann man Usutu-Infektionen weder verhindern noch behandeln“, sagt Lachmann. „Der NABU ruft daher alle Vogelfreunde dazu auf, zumindest dafür zu sorgen, dass Amseln und andere Gartenvögel in naturnahen Gärten gute Lebensbedingungen vorfinden, um die Verluste durch die neue Vogelkrankheit durch guten Bruterfolg wieder ausgleichen.“

Quelle: NABU

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