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Archäologie

Wer lebte in Machu Picchu?

DNA-Analysen liefern überraschende Erkenntnisse zu den Bewohnern der Inka-Siedlung

Machu PIcchu
Die Inkastadt Machu Picchu ist Weltkulturerbe und ein einzigartiges Zeugnis der Inka-Baukunst. © Dora Dalton/ iStock.com

Zeitreise ins Inkareich: Die berühmte Inkastadt Machu Picchu war nicht nur Winterresidenz der Inkakönige, sondern auch ständig Wohnsitz für hunderte von Bediensteten. Jetzt klären DNA-Analysen erstmals, wo diese Bewohner von Machu Picchu herkamen, und liefern erste Einblicke in ihr Leben auf dem entlegenen Berggipfel. Das überraschende Ergebnis: Die Bewohner von Machu Picchu waren ganz unterschiedlicher Herkunft und kamen größtenteils aus weit entfernten Teilen des Inkareichs.

Die um das Jahr 1450 errichtete Inkastadt Machu Picchu gilt als eines der Wunder menschlicher Baukunst. Denn die aus massiven Steinblöcken nahtlos zusammengefügten Bauten fügen sich perfekt in das Terrain des 2.430 Meter hohen Berggipfels ein. Die Gebäude könnten sogar gezielt auf tektonischen Brüchen gebaut worden sein, um den Wasserabfluss und die Verfügbarkeit von Baumaterial zu optimieren. Machu Picchu war zudem so unzugänglich und versteckt, dass selbst die Spanier es übersahen.

Karte von Machu PIcchu
Karte von Machu Picchu mit den wichtigsten Bauten und Bereichen. © Lencer/ CC-by-sa 3.0

Winterresidenz der Inkakönige

Doch wer wohnte in Machu Picchu und wozu dienten die massiven Bauten? Historische Überlieferungen und Dokumente legen nahe, dass der Inkakönig Pachacuti, der Gründer des Inkareichs, diese Stadt als königliche Winterresidenz errichten ließ. „Machu Picchu muss vor allem während der winterlichen Trockenzeit von Mai bis Oktober attraktiv gewesen sein“, erklären Lucy Salazar von der Yale University und ihre Kollegen. „Der König, seine Familie und Gäste dürften das tropische Klima und die Abwesenheit der für Cusco typischen Nachtfröste genossen haben.“

Allerdings war der königliche Hofstaat von Pachacuti und seinen Nachfolgern nur in den Wintermonaten in Machu Picchu präsent, den Rest des Jahres kümmerten sich mehrere hundert Bedienstete um die Anlagen, Felder und Gärten. Diese als Yanacona bezeichneten Diener wurden den Inkakönigen oft als Tribute eroberter Gebiete oder als Geschenk anderer Angehöriger der herrschenden Elite übergeben.

Friedhöfe für die Bediensteten

Während die Inkakönige und Eliten meist in der Hauptstadt Cusco bestattet wurden, blieben die Yanacona und die als Aclalla bezeichneten Dienerinnen bis zu ihrem Tod in Machu Picchu. Ihre Überreste finden sich heute in vier Friedhöfen, die am Rand der Höhensiedlung verteilt liegen. „Die einfachen Gräber enthalten manchmal mehrere Tote und liegen in flachen, von großen Felsblöcken bedeckten Gruben im Schutz grober Steinmauern oder unter natürlichen Felsüberhängen“, berichten die Archäologen. Grabeigaben in Form von Keramikgefäßen finden sich nur selten.

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Für ihre Studie haben Salazar und ihr Team nun die Gebeine von 34 Toten aus den vier Friedhöfen von Machu Picchu näher untersucht. Außerdem entnahmen sie DNA-Proben, die sie mit Erbgut von Toten aus dem nahen Urubamba-Tal und aus der Umgebung der Inkahauptstadt Cusco verglichen, Zusätzlich bezogen sie DNA-Proben heutiger Bewohner verschiedener Regionen Mittel- und Südamerikas in ihre Vergleichsanalysen mit ein.

„Unsere Studie konzentriert sich nicht auf das Leben der Royals oder der politischen Eliten, sondern auf die einfachen Menschen, die nach Machu Picchu gebracht wurden, um dem Inkaadel zu dienen, und die hier lebten und den Palast in Schuss hielten“, sagt Seniorautor Lars Fehren-Schmitz von der University of California in Santa Cruz.

Kaum Rechte, aber ein komfortables Leben

Einen ersten Einblick in das Leben der Bewohner von Machu Picchu lieferten die Untersuchungen der Knochen. „Die osteologischen Analysen sprechen dafür, dass die Yanacona und Aclalla ein relativ komfortables Leben führten“, berichtet das Team. „Sie mussten keine schwere körperliche Arbeit auf den Feldern oder beim Bau leisten.“ Auch Verletzungen durch Kämpfe oder auf Mangelernährung hindeutende Wachstumsstörungen fehlten.

Zudem wurden die Bewohner von Machu Picchu relativ alt: „Viele von ihnen überlebten bis ins Erwachsenenalter und ein substanzieller Teil wurde sogar 50 Jahre und älter“, so die Archäologen. Diese Befunde passen zu historischen Überlieferungen, nach denen die Yanacona im Vergleich zur einfachen Bevölkerung als privilegiert galten. Durch ihre Nähe zum königlichen Hofstaat hatten sie materielle Vorteile und lebten in relativem Wohlstand.

Genetische Herkunft der Bewohner
Die Bewohner von Machu Picchu waren in Bezug auf ihre Herkunft sogar vielfältiger als die Bevölkerung der Inkahauptstadt Cusco. © Salazar et al./ Science Advances, CC-by 4.0

Herkunft aus dem gesamten Inkareich

Woher die Yanacona von Machu Picchu ursprünglich kamen, enthüllten die Genomvergleiche. „Die DNA-Analysen bestätigen die historischen Überlieferungen, nach denen diese Haushälter aus vielen ethnischen Gruppen stammten, die unter der Herrschaft der Inka standen“, berichtet Koautor Richard Burger von der Yale University. „Die Individuen zeigen genetische Abstammungen, die auf eine Herkunft aus dem gesamten inkareich hindeuten, von der Küste über das Hochland bis nach Amazonien.“

Damit unterschieden sich die Bewohner von Machu Picchu deutlich von denen der benachbarten Urubamba-Schlucht und auch von den Bewohnern der Inkahauptstadt Cusco: Während diese vorwiegend aus der Umgebung oder zumindest derselben Region kamen, zeigten die Yanacona eine selbst für die Archäologen überraschende Vielfalt der Herkünfte. „Besonders unerwartet war die Tatsache, dass viele dieser Bediensteten aus dem Amazonasgebiet stammten“, sagt Salazar. „Rund ein Drittel von ihnen hatte signifikante Anteile amazonischer Vorfahren.“

Zusammenleben in gemischter Gemeinschaft

Ebenfalls überraschend: Die ursprüngliche Herkunft spielte für die Bewohner von Machu Picchu im Alltag und im Tod offenbar keine Rolle mehr. Obwohl es zwischen den Völkern im Inkastaat deutlich kulturelle Unterschiede gab, mischten sich die Yanacona, heirateten untereinander und wurden oft sogar in einem Grab bestattet, wie die Beigaben verrieten. „Die Bediensteten-Gemeinschaft in Machu Picchu war sehr divers, dennoch war ihr Leben offensichtlich nicht von den ethnischen oder regionalen Hintergründen geprägt“, berichten die Forschenden.

Die DNA-Analysen enthüllten zudem, dass nicht wenige Bewohner eine Mischung verschiedener genetischer Herkunftsgebiete in sich vereinten. Ihre Eltern müssen demnach aus verschiedenennTeilen des Inkareichs nach Machu Picchu gebracht worden sein. Dort lernten sie sich dann kennen und gründeten Familien. „Machu Picchu war eine kosmopolitische Gemeinschaft, in der Menschen ganz verschiedener Herkunft lebten, liebten und gemeinsam begraben wurden“, sagt Burger. (Science Advances, 2023; doi: 10.1126/sciadv.adg3377)

Quelle: Yale University, Tulane University

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