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Archäologie

Rätsel des Kriegergrabs von Bryher gelöst

Eisenzeit-Grab mit Schwert, Schild und Spiegel gehörte einer hochrangigen Kriegerin

Schwert und Spiegel
Dieses eiserne Schwert und der Bronzespiegel wurden in einem gut 2.000 Jahre alten Grab auf der englischen Insel Bryher entdeckt. Doch wem gehörten sie? © Historic England Archive. PLB K000684

Archäologen haben endlich geklärt, wer in einem gut 2.000 Jahre alten Kriegergrab auf der britischen Kanalinsel Bryher bestattet wurde – und warum darin neben einem Eisenschwert und Resten eines Schilds auch ein Bronzespiegel lag. Zahnschmelzanalysen enthüllen: Der vermeintlich männliche Tote war eine Kriegerin – und sie bekleidete wahrscheinlich einen hohen Rang in der Kriegshierarchie. Der Spiegel diente ihr nicht der Selbstbetrachtung, sondern wahrscheinlich dem Signalgeben bei Kämpfen und Raubzügen.

Ob unter Wikingern, bei den Steppenkriegern Zentralasiens oder in der europäischen Bronzezeit: Lange galten Krieg und Kampf in diesen Kulturen als Männersache, Gräber von Männern mit Schwertern und anderen Waffen schienen dies zu belegen. Doch in den letzten Jahren haben DNA-Analysen enthüllt, dass einige dieser Krieger in Wirklichkeit Frauen waren, darunter eine hochrangige Anführerin der Wikinger und mehrere Reiterkriegerinnen der asiatischen Xiongnu.

Eisenzeit-Grab auf Bryher
Das eisenzeitliche Grab auf der Insel Bryher. © Isles of Scilly Museum Association

Mit Eisenschwert und Schild begraben

Doch ein Kriegergrab entzog sich bisher jeder Zuordnung. Entdeckt wurde das von großen Steinplatten abgedeckte Grab im Jahr 1999 auf der Insel Bryher vor der Küste von Cornwall. „Dieses Grab, das auf die Zeit um 50 bis 10 vor Christus datiert wurde, war schon wegen seiner reichen Grabbeigaben und Metallobjekte bemerkenswert“, erklären Simon Mays von der University of Southampton und seine Kollegen. Darunter waren auch die Reste eines Schilds aus Holz und Leder und ein eisernes Schwert.

Bei dem Schwert handelt es sich um eine gut 82 Zentimeter lange Waffe in einer Schwertscheide aus einer Kupferlegierung. „Schwerter sind in Gräbern aus der britischen Eisenzeit sehr selten, vor allem im Süden Großbritanniens“, berichten die Archäologen. „Wenn sie jedoch als Grabbeigaben auftauchen, dann gewöhnlich in Gräbern von Männern.“ Unter anderem deshalb wurde auch das Grab von Bryher zunächst als Kriegergrab eingeordnet.

Bronzespiegel stiftet Verwirrung

Das Merkwürdige jedoch: „Einzigartig für die westeuropäische Eisenzeit ist die Tatsache, dass dieses Grab sowohl ein Schwert als auch einen Spiegel enthielt – Objekte, die gewöhnlich mit gegensätzlichen Geschlechtern verbunden werden“, sagt Mays. Schwerter gelten als typische Beigaben männlicher Krieger, Spiegel werden dagegen für gewöhnlich mit Frauengräbern assoziiert, wenn auch nicht ganz so eindeutig. In diesem Fall war der Spiegel eine runde, polierte Bronzescheibe mit dem Relief einer Sonnenscheibe auf der Rückseite.

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Was hat das zu bedeuten? Dummerweise sind die wenigen Knochenfragmente der toten Person in diesem Kriegergrab so stark zersetzt, dass keine DNA für die Geschlechtsanalyse gewonnen werden konnte. Die Identität des Toten blieb daher fast 25 Jahre lang ungeklärt. Erst jetzt konnten Mays und sein Team mithilfe einer noch relativ neuen biochemischen Analysen Klarheit schaffen. Dafür entnahmen sie von einigen im Grab gefundenen Zähnen Zahnschmelzproben, die sie auf das Amelogenin hin untersuchten.

Die Besonderheit dieses Proteins liegt darin, dass seine Bauanleitung auf den Geschlechtschromosomen liegt und bei Männern und Frauen leicht verschieden ist. Dadurch lässt sich an der Struktur dieses Zahnschmelzproteins erkennen, ob es vom männlichen AMELY-Gen oder von weiblichen AMELX-Gen erzeugt wurde.

Schwert-Detail
Detailansicht des Schwerts – Schwerter sind in eisenzeitlichen Gräbern Großbritanniens eine Rarität. © Historic England Archive. PLB K000686

Grab einer hochrangigen Kriegerin

Für das Bryher-Grab ergaben diese Analysen Überraschendes: „79,9 Prozent des analysierten Signals stammte von der mit dem X-Chromosom assoziierten Form des Amelogenins“, berichten die Archäologen. „Für die männliche Form dieses Proteins wurden dagegen keine Peptide detektiert.“ Daraus schließen die Forschenden, dass es sich bei dieser mit Schwert, Schild und reichen Grabeigaben bestatteten Person um eine Frau gehandelt haben muss. Sie war zum Zeitpunkt ihres Todes erst 20 bis 25 Jahre alt.

„Diese Ergebnisse belegen, dass es unter den Kriegern auf den eisenzeitlichen Scilly-Inseln eine Frau in führender Position gab. Denn die Kombination von Schwert und Spiegel legt nahe, dass diese Frau einen hohen sozialen Status in ihrer Gemeinschaft gehabt haben muss“, sagt Koautorin Sarah Stark von Historic England. Aus anderen Regionen ist bekannt, dass Bronzespiegel auf See und auch bei kriegerischen Überfällen damals auch zum Signalgeben verwendet wurden.

Die Forschenden halten es daher für wahrscheinlich, dass der Spiegel der Kriegerin deshalb mit ins Grab gegeben wurde – er gehörte zu ihrem Handwerkszeug als Anführerin. Für die Funktion als „Heliograph“ könnte zudem das Sonnenscheibenrelief auf der Rückseite des Spiegels sprechen.

Jeder waffenfähige Arm wurde gebraucht

Und noch etwas könnte erklären, warum eine Frau auf dieser Insel einen hohen Posten in der kriegerischen Hierarchie bekleidete: „In einer so kleinen Inselgemeinschaft ist es vorteilhaft, wenn alle fähigen Individuen ihre Siedlung mit Waffengewalt verteidigen können“, erklären Mays und sein Team. Die im eisenzeitlichen Kistengrab bestattete Kriegerin könnte jedoch eine herausgehobene Stellung gehabt haben, weil sie nicht nur an der Verteidigung teilnahm, sondern wahrscheinlich auch an aktiven Überfällen der Inselbewohner auf andere Siedlungen.

„Unsere Funde legen nahe, dass Frauen der Eisenzeit häufiger an Überfällen und anderen Formen kriegerischer Auseinandersetzungen teilnahmen als wir früher dachten“, sagt Stark. „Es könnte interessant sein, auch andere Kriegergräber mit stark zersetzten Gebeinen noch einmal neu zu analysierten, um nachzuschauen, ob es noch mehr verborgene Kriegerinnen dort draußen gibt.“ (Journal of Archaeological Science: Reports, 2023; doi: 10.1016/j.jasrep.2023.104099)

Quelle: Historic England

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