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Archäologie

Nil-Seitenarm half beim Pyramidenbau

Heute ausgetrockneter Cheops-Arm war schiffbar und führte bis zum Pyramidenplateau

Als die Pyramiden von Gizeh erbaut wurden, reichte ein Seitenarm des Nils bis an das Pyramidenplateau heran. © Alex Boersma/ PNAS

Hilfreiche Wasserstraße: Ein heute ausgetrockneter Seitenarm des Nils könnte für den Bau der Pyramiden von Gizeh entscheidend gewesen sein, wie eine Studie enthüllt. Weil dieser Cheops-Arm zur richtigen Zeit schiffbar war, konnten die ägyptischen Baumeister die tonnenschweren Steinblöcke per Schiff bis ans Pyramidenplateau bringen. Obwohl der Nilpegel während der Herrschaft der Pharaonen Cheops, Chefre und Menkaure schon abgesunken war, blieb der Seitenarm während der gesamten Bauzeit passierbar.

Die drei großen Pyramiden von Gizeh – Cheops, Chefre und Menkaure – gehören zu den berühmtesten Bauwerken der Welt und zu den sieben Weltwundern der Antike. Sie entstanden in der Zeit von 2620 bis 2500 vor Christus während der vierten Dynastie auf einem großen Kalksteinplateau, das heute fast zehn Kilometer vom Westufer des Nils entfernt liegt. Wie die Arbeiter damals die tonnenschweren, von nilaufwärts gelegenen Steinbrüchen herangeschafften Blöcke zum Plateau transportierten, war lange rätselhaft.

Cheops-Arm
Lage des Cheops-Arms und der Pyramiden. Die roten Punkte markieren Bohrproben, bei Gizeh 3 wurden Relikte von altägyptischen Hafenanlagen gefunden. © Sheisha et al./PNAS

Gab es einen Hafen am Seitenarm?

Doch wie sich nun bestätigt, halfen die Natur und günstige Klimaverhältnisse bei der Transportlogistik des Pyramidenbaus nach. Schon länger vermuten Wissenschaftler, dass es zur Zeit des Baus einen heute ausgetrockneten Seitenarm des Nils gab, der bis an das Pyramidenplateau heranführte. „Die Flusshafen-Hypothese postuliert, dass die Pyramidenbauer einen Kanal durch das Westufer dieses Cheops-Arms gruben und den Seitenarm vertieften“, erklären Hader Sheisha von der Universität Aix-Marseille und seine Kollegen.

Dadurch, so die Hypothese, konnten die Steinblöcke für den Pyramidenbau bis direkt an das Plateau gebracht und dort entladen werden. Unklar blieb jedoch bisher, ob der Pegel des Nils und seines Cheops-Seitenarms damals ausreichend hoch war, um diesen Schiffstransport bis ans Plateau zu ermöglichen. Sheisha und sein Team haben dies nun anhand von fünf Bohrkernen aus dem Gebiet des ehemaligen Cheops-Seitenarms näher untersucht. Mittels Gesteins- und Pollenanalysen sowie Klimamodellen konnten sie den Wasserstand über 8.000 Jahre hinweg rekonstruieren.

Von zu nass bis gerade richtig

Das Ergebnis: Bis etwa 3500 v. Chr. war das Klima in Ägypten relativ feucht und die Wasserstände von Nil und Cheops-Arm extrem hoch. Dann jedoch sanken die Pegel etwas, was es den Menschen in der prädynastischen Zeit und in den Anfängen des ägyptischen Reichs ermöglichte, in den fruchtbaren Niederungen der Flussufer zu siedeln. „Die Attraktivität von Gizeh während des vierten Millenniums vor Christus könnte eng mit diesem Absinken der Flusspegel verknüpft sein“, erklären die Forscher.

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Ab etwa 2970 v.Chr. durchlief das Klima eine etwas trockenere Periode, in der auch die jährlichen Hochwasser des Nils nur schwach ausgeprägt waren. Dennoch blieb der Wasserstand im Cheops-Seitenarm weiterhin konstant hoch genug, um schiffbar gewesen zu sein. Davon profitierten ab 2686 v.Chr. vor allem die Pharaonen in der ersten Hälfte des Alten Reichs. „Von der dritten bis fünften Dynastie war der Cheops-Arm gut geeignet, um den Pyramidenbauplatz anzulegen und zu entwickeln“, erklären die Archäologen.

Nilpegel bei Gizeh
Nilpegel in Gizeh in den letzen 8.000 Jahren. © Sheisha et al./PNAS, CC-by-nc-nd 4.0

Cheops-Arm blieb die gesamte Bauzeit schiffbar

Nach Ansicht der Forscher spricht einiges dafür, dass das Plateau von Gizeh auch wegen des Cheops-Nilarms ausgewählt worden war. „Die Ingenieure des Alten Reichs machten sich die Flussumgebung und die jährlichen Fluten des Nils zunutze, um ihre monumentalen Konstruktionen auf dem Plateau zu errichten“, so Sheisha und seine Kollegen. Die Baumeister ließen Teile des Cheopsarms  vertiefen und bauten Kanäle und Hafenanlagen, um die Fracht besser entladen zu können.

„Das half den Baumeistern, den Transport von Steinen und anderen Materialien per Schiff abzuwickeln“, so das Team. Vor allem während der jährlichen Nilfluten konnten dadurch selbst schwer beladene Frachter fast direkt bis zur Pyramidenbaustelle fahren. „Als Folge nahm die Zahl der archäologischen Bauten auf dem Plateau von Gizeh vor allem während der vierten Dynastie schnell zu.“ Die Pharaonen Cheops, Chefre und Menkaure nutzten dies, um sich mit den Großen Pyramiden ein bis heute einzigartiges Denkmal zu setzen.

Sinkende Pegel brachte das Ende des alten Reichs

Die stabilen Wasserstände im Cheops-Arm des Nils hielten noch bis etwa 2225 v.Chr. an – und damit etwa bis zum Ende des Alten Reichs, wie die Forscher ermittelten. Danach sanken die Pegel im Nil und seinem Seitenarm ab, wenig später kam es sogar zu einer Trockenperiode in Nordafrika, durch die selbst das jährliche Nilhochwasser ausblieb. „Es wird vermutet, dass dieser Ausfall schwere Hungersnöte auslöste, die das Ende des alten Reichs und den Beginn der ersten Zwischenzeit verursachten“, erklären Sheisha und sein Team.

In den folgenden Jahrhunderten schwankten das Klima und Wasserstände immer wieder deutlich, bis sich etwa mit Beginn der Herrschaft des Pharaos Tutenchamun im Jahr 1349 v.Chr. eine weitere Trockenperiode anbahnte. Mit Beginn der Dritten Zwischenzeit hatten die Wasserstände von Nil und Cheops-Arm einen neuen Tiefststand erreicht, in dessen Folge der Cheops-Seitenarm allmählich versandete und austrocknete. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2022; doi: 10.1073/pnas.2202530119)

Quelle: Proceedings of the National Academy of Sciences

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