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Materialforschung

Alte Corona-Masken machen Beton stabiler

Persönliche Schutzausrüstung kann recycelt werden, um Baumaterialien widerstandsfähiger zu machen

Beton
Diese Betonstücke wurden mit recycelter Schutzausrüstung verstärkt. © RMIT University

Pandemie-Recycling: Ausgediente Einmalhandschuhe, Masken und medizinische Schutzmäntel können dazu beitragen, die Materialeigenschaften von Beton zu verbessern. Mischt man geringe Anteile solche geschredderten Kunststoffmaterialien unter den Beton, erhöht sich unter anderem seine Druckbeständigkeit und Elastizität. Durch das Verfahren könnten die in der Corona-Pandemie verwendeten Unmengen an plastikbasierter Schutzausrüstung eine zweite Aufgabe bekommen, statt auf einer Mülldeponie zu landen.

Jeden Monat verbrauchen Menschen weltweit insgesamt fast 130 Milliarden Masken, um sich vor dem Coronavirus SARS-CoV-2 zu schützen. Im medizinischen Bereich werden zum Infektionsschutz zusätzlich Kittel und Einmalhandschuhe eingesetzt. So erzeugt die Menschheit in der Pandemie täglich im Schnitt 54.000 Tonnen Plastikabfall – nur durch persönliche Schutzausrüstung. „Wir brauchen dringend intelligente Lösungen für den ständig wachsenden Haufen von Covid-19-Abfällen. Eine Herausforderung, die auch nach dem Ende der Pandemie bestehen bleiben wird“, sagt Erstautorin Shannon Kilmartin-Lynch vom Royal Melbourne Institute of Technology in Australien.

Abfall als Beton-Verstärker

In mehreren Studien hat ein Forscherteam um Kilmartin-Lynch und ihren Kollegen Rajeev Roychand nun einen möglichen Recycling-Weg für den Pandemie-Abfall gefunden. Demnach könnten die Einmalprodukte aus Kunststoff in der Bauindustrie eine zweite Chance bekommen, indem sie Beton beigemischt werden – sofern sie einen positiven Effekt seine Materialeigenschaften haben. In einer der Studien lag der Fokus auf medizinischen Schutzkitteln, die dem Zementgemisch in verschiedenen Dosierungen zugesetzt wurden.

Um möglichst anwendungsnah zu forschen, nahm das Team für seine Untersuchung keine fabrikneuen, sondern tatsächlich benutzte Schutzkittel. „Bevor wir die Mäntel für das Experiment verwenden konnten, wurden sie in einem luftdichten Behälter 96 Stunden lang unberührt in Quarantäne gelassen“, schreiben die Forscher. Anschließend wurden sie gewaschen, getrocknet und in fünf Millimeter breite und 20 Millimeter lange Stücke geschnitten. Die zu 55 Prozent aus Polypropylen und zu 45 Prozent aus Polyethylen bestehenden Streifen wurden dann in mehreren Durchläufen mit Dosierungen von 0,01, 0,02 und 0,03 Volumenprozent dem Beton beigemischt.

Verbesserungen in allen Bereichen

„Unsere Forschung zeigt, dass die Beigabe der richtigen Menge geschredderter Schutzausrüstung die Stärke und die Haltbarkeit von Beton verbessern kann“, berichtet Kilmartin-Lynch. Konkret äußerte sich das in allen von den Wissenschaftlern getesteten Eigenschaften, wobei der Plastikanteil von 0,03 Prozent die größte Verbesserung brachte. So erhöhte sich die Druckbeständigkeit im Gegensatz zum Kontrollbeton um etwa 15 Prozent, die Elastizität um zwölf Prozent und die Beständigkeit gegen eine Biegebelastung um 21 Prozent.

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In einem weiteren Test untersuchten die Wissenschaftler die Endgeschwindigkeit von durch den Beton geleitetem Ultraschall, wodurch das Material auf Hohlräume und Risse geprüft wird. Die resultierende Geschwindigkeit gibt einen Eindruck über die Gesamtqualität des Betons und war mit einem Höchstwert von 4.678 Metern pro Sekunde bei maximaler Abfallzugabe etwa zwei Prozent höher als bei reinem Beton. „Dies ist höchstwahrscheinlich darauf zurückzuführen, dass die Schutzmäntel die Verbindung zwischen dem Zement und den Zuschlagstoffen unterstützen und dadurch die Bildung von Mikrorissen begrenzen“, erklären die Forscher.

Auch Handschuhe und Masken förderlich

In den beiden vorangegangenen Studien hatte das Team um Kilmartin-Lynch bereits den Einfluss von Einmalhandschuhen und Gesichtsmasken auf Beton untersucht – mit ähnlich positivem Ergebnis. So verbesserte die Zugabe von 0,2 Volumenprozent geschredderten Nitrilhandschuhen die Druckbeständigkeit des Materials um etwa 22 Prozent. Die gleiche Menge zerkleinerter Masken brachte 17 Prozent Verbesserung.

Interessant hierbei: Bei einer höheren Dosierung von 0,25 Volumenprozent nahm der Wert in beiden Fällen wieder ab – es scheint also einen optimalen Höchstanteil für diese recycelten Kunststoffmaterialien zu geben. In Bezug auf die Elastizität und die Leitfähigkeit von Ultraschall führte die Zugabe der geschredderten Handschuhe oder Masken jedoch zu keinen signifikanten Verbesserungen der Betoneigenschaften.

Eine Win-Win-Situation

Die Wissenschaftler hoffen, mit ihrer Forschung einen positiven Einfluss auf den ökologischen Aspekt der Corona-Pandemie haben zu können. „Wir alle haben schon Einwegmasken gesehen, die auf der Straße herumlagen. Aber selbst, wenn sie ordnungsgemäß entsorgt werden, landen solche Abfälle schlicht auf der Mülldeponie“, erklärt Forschungsgruppenleiter Jie Li. „Mit unserem Ansatz der Kreislaufwirtschaft könnten wir diese Materialien von der Deponie fernhalten, gleichzeitig ihren vollen Wert ausschöpfen und bessere Produkte herstellen – es wäre ein Gewinn für alle Seiten.“

Im nächsten Schritt wollen die Forscher testen, inwiefern die verschiedenen Schutzausrüstungen miteinander vermischt werden können und welchen Einfluss das auf die Betoneigenschaften hat. Außerdem sollen auch die Größen der geschredderten Teile variiert werden. „Eine der größten Herausforderungen für die nachhaltige Verwendung von persönlicher Schutzausrüstung in der Bauindustrie ist allerdings auch eine kontinuierliche Versorgung mit dem Material“, schreiben die Forscher. „Außerdem muss ein geeignetes Verfahren zur sicheren Dekontaminierung des Abfalls von Bakterien und Viren vor der Weiterverarbeitung entwickelt werden.“ (Case Studies in Construction Materials, 2022; doi: 10.1016/j.cscm.2022.e01408; Science of the Total Environment, 2022; doi: 10.1016/j.scitotenv.2021.151423; Journal of Cleaner Production; 2021; doi: 10.1016/j.jclepro.2021.126460)

Quelle: RMIT University

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