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Archäologie

Rezept eines Eroberers

Was machte Dschingis Khan so erfolgreich?

Dschingis Khan gilt noch heute als einer der erfolgreichsten Eroberer der Weltgeschichte. Kaum ein anderer militärischer Anführer schaffte es, in so kurzer Zeit so viele Reiche und Gebiete zu erobern. Doch was war das Geheimnis seines Erfolgs? Wie konnte ein mitten in der Steppe aufgewachsener Junge ohne formelle Bildung zum Herrscher über ein Weltreich werden?

Mongolgen im Kampf gegen Chinesen
Dschingis Khan setzte auf Abschreckung: Gegner fielen nicht nur im Kampf, wie in dieser persischen Darstellung aus dem 14. Jh. zu sehen, sondern wurden auch danach aus Vergeltung in Massen umgebracht. © historisch

Massaker als Abschreckung

Ein Grund dafür ist ein blutiger Abschreckungseffekt: Stieß Dschingis Khan auf Gegenwehr und Widerstand, reagierte er mit unerbittlicher Grausamkeit. Besiegte Feinde wurden in Massen niedergemetzelt und hingerichtet, nicht selten mussten auch ihre Frauen und Kinder sterben oder werden versklavt. Der Mongolenherrscher statuierte mit diesen Massakern ein Exempel, das künftige Gegner und bereits eroberte Völker gleichermaßen abschrecken sollte. „Ich bin die Strafe Gottes“ soll seine Botschaft an seine Feinde gewesen sein.

Allein nach der Eroberung von Gurgandsch, der Hauptstadt des persischen Choresmiden-Reichs, sollen persischen Aufzeichnungen zufolge eine halbe Million Einwohner von Mongolenkriegern getötet worden sein – nicht im Kampf, sondern als Bestrafung. Insgesamt könnten die Eroberungskriege der Mongolen unter Dschingis Khan fast 30 Prozent der Bevölkerung in den betroffenen Gebieten ausgerottet haben – bis zu 30 Millionen Menschen. Bis heute gilt Dschingis Khan daher als einer der blutrünstigsten Eroberer der Geschichte.

Dschingis Khan
Dschingis Khan wusste das Können und Wissen besiegter Gegner für sich zu nutzen. Hier ein chinesisches Porträt des Mongolenführers aus dem 14. Jahrhundert. © historisch

Fortschritt durch Assimilation

Doch Abschreckung und Grausamkeit allein können Dschingis Khans Erfolg nicht erklären. Tatsächlich enthüllen historische Aufzeichnungen, dass der Mongolenführer mehr war als nur ein blutiger Schlächter. Schon in den Anfängen seiner Karriere war ihm klar, dass sein Reich und seine Armee nur dann stabil und erfolgreich sein können, wenn er das Wissen, die Technologie und die wirtschaftlichen Beziehungen der von ihm eroberten Völker für seine Zwecke nutzt.

Unterwarf sich ein Stamm oder Reich ohne große Gegenwehr, ließ Dschingis Khan daher Milde walten und setzte auf Kooperation und Integration. Zudem soll er bei der Eroberung einer Stadt oder eines Gebiets gezielt diejenigen verschont und in seine Dienste aufgenommen haben, die über besondere Fähigkeiten verfügten – unter anderem Waffenschmiede, Handwerker, Schriftgelehrte oder Heilkundige. Auch die Waffentechnik unterworfener Feinde – beispielsweise Schießpulver, Mörsergeschosse oder Katapulte – wurde assimiliert und bei folgenden Feldzügen eingesetzt.

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Durchstrukturierte Armee statt ungeordneter Horde

Für Dschingis Khans strategisches und organisatorisches Geschick spricht zudem die Art, wie sein Mongolenheer aufgebaut war. Denn die zumeist berittenen Reitertruppen waren bis in die unteren Ränge durchstrukturiert. An der Basis standen dabei Einheiten aus jeweils zehn Kriegern, die eine feste Gruppe bildeten und füreinander verantwortlich waren. Versagte einer von ihnen oder wurde eines Fehlverhaltens für schuldig befunden, traf die Strafe auch alle anderen Mitglieder der Einheit.

Dschingis Khan nutzte zudem eine raffinierte Methode, um das aus vielen verschiedenen Stämmen und Völkern zusammengesetzte Mongolenheer zusammenzuhalten: Krieger aus einem Stamm wurden auf verschiedene Teile der Armee verteilt. Dadurch verhinderte Dschingis Khan, dass ganze Einheiten abtrünnig wurden oder sich gegen ihn wendeten. Auch Rivalität zwischen den verschiedenen Volksgruppen wurden so minimiert.

Mongolen mit Bögen
Die enorme Reichweite und Durchschlagskraft der rekursiven Kompositbögen der Mongolen trug zu ihrem kriegerischen Erfolg bei. © historisch/ Rashid al-Din, 1340

Raffinierte Angriffs-Strategien

Entgegen landläufiger Meinung waren auch die Angriffe und Belagerungen der Mongolen keineswegs ungeordnet oder spontan: Ihnen voraus ging eine oft monatelange Phase der Vorbereitung, in der Späher die Versorgungsrouten, Bewaffnung und Befestigungen ihrer Feinde auskundschafteten. Die Kommunikation zwischen Dschingis Khan und seinen Truppen erfolgte über Reiterkuriere, die dank Pferdewechsel und Relaisstationen nur wenige Stunden bis Tage für das Überringen einer Botschaft benötigten.

In ihren Schlachten spielten die Mongolen die Wendigkeit ihrer meist berittenen Krieger voll aus: Sie führten schnelle, kurze Angriffe aus, in denen sie mithilfe ihrer leistungsfähigen rekursiven Kompositbögen quasi im Vorbeireiten viele Gegner wie möglich töteten. Durch die große Reichweite und hohe Durchschlagskraft der Pfeile konnte die Mongolen so große Breschen in gegnerische Armeen schlagen, waren aber selbst nur schwer zu treffen. Häufiger nutzten die Reiterkrieger ihre Flexibilität auch, um Teile der gegnerischen Truppen durch Scheinrückzüge zur Verfolgung zu verleiten. Hatten diese sich aus dem schützenden Gesamtverband gelöst, kehrten die Mongolen um und griffen wieder an.

Wie das Klima Dschingis Khan half und behinderte

Es gibt aber noch einen Faktor, der Dschingis Khans Aufstieg und das rasante Wachstum des Mongolenreichs begünstigte: das Klima. Ab 1190 wandelt sich das zuvor sehr trockene Klima in der asiatischen Steppe und es wurde feuchter und wärmer, wie Analysen mongolischer Baum-Jahresringe ergaben. Durch diesen Klimawechsel lieferte die Steppe nun reichlich Nahrung für Mensch und Tier. Vor allem ab 1211 konnte die Streitmacht des Mongolenherrschers ihre Pferde und Krieger daher gut versorgen.

„Gras und Einfallsreichtum waren die Brennstoffe der Mongolen und der Kulturen um sie herum“, erklärt Neil Pederson von der Columbia University. „Das Klima war zwar nicht der einzige Faktor, aber es bot Dschingis Khan vermutlich ideale Bedingungen, um seine Armee aufzubauen.“ Allerdings blieb das Wetter den Mongolen nicht gewogen – und dies könnte Europa vor der Eroberung durch die Nachkommen Dschingis Khans gerettet haben. Im Jahr 1241 sah es für die Reitertruppen unter dem Enkel des Dschingis Khans noch sehr gut aus: Sie fielen in Osteuropa ein, besiegten die Armeen Polens und Ungarns und überquerten sogar die Donau.

Doch im Frühjahr 1242 stockte der Vormarsch der Mongolen und sie zogen sich wieder in die eurasischen Steppengebiete zurück – warum, geht aus historischen Aufzeichnungen nicht hervor. Doch auch hier haben Baumringdaten eine mögliche Erklärung geliefert: Das Frühjahr 1242 war außergewöhnlich kühl und nass und verwandelte die ungarische Steppe in ein schwer passierbares und wenig Nahrung lieferndes Sumpfgebiet. Die Mongolen könnten ihren Angriff auf Europa deshalb abgebrochen haben.

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In den Schlagzeilen

Inhalt des Dossiers

Dschingis Khan
Wie ein mongolischer Steppennomade die Welt eroberte

Vom Ausgestoßenen zum Herrscher
Ein Steppennomade erschafft ein Weltreich

Rezept eines Eroberers
Was machte Dschingis Khan so erfolgreich?

Nicht nur Krieg
Die zivile Seite des Mongolenreichs

Rätselhaftes Ende
Wie starb Dschingis Khan und wo liegt sein Grab?

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