Manchmal verbirgt sich Großes in etwas so Kleinem wie einem Loch in einem Baumstamm: Britische Wissenschaftler haben bei der Untersuchung der Lebenswelt wassergefüllter Höhlungen in Bäumen ein neues universell gültiges biologisches Gesetz entdeckt.
Chris van der Gast vom britischen Zentrum für Ökologie und Hydrologie und Kollegen von der Universität von Oxford untersuchten die Häufigkeitsverteilung und genetische Vielfalt der in Baumlöchern lebenden Mikroorganismen. Dabei fanden sie bestimmte Muster, die offenbar ein auch in Gemeinschaften höherer Lebewesen gültig sind, wie die Forscher in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Science“ berichten. Die Wissenschaftler analysierten das Verhältnis der Anzahl der Arten zur Größe des von ihnen bewohnten Habitats.
Schon seit langem gilt für die Ökologie größerer Lebewesen die simple Faustregel: Je größer das Gebiet, desto mehr Arten sind dort auch zu erwarten. “Die Arten-Flächen-Beziehung wird in Naturschutz-Studien häufig eingesetzt, um Entscheidungen darüber fällen zu können, wie die Artenvielfalt eines Gebiets am besten erhalten werden kann“, erklärt van der Gast. „Für Pflanzen und Tiere erlaubt uns dieses Gesetz, Verteilungen, Anzahl der Individuen und die Artenvielfalt abzuschätzen.“
Auf die Welt der Mikroorganismen allerdings, so die bisherige Lehrmeinung, könne diese Regel nicht übertragen werden, da sich die Artenvielfalt auf mikrobiellem Niveau fundamental von der der größeren Organismen unterscheide. Zur Überraschung der Forscher zeigte die neue Studie jedoch, dass die Muster von Mikro- und Marko-Lebenswelt durchaus übereinstimmen.
“Wenn Mikroorganismen den gleichen Gesetzen folgen wie Pflanzen und Tiere macht das unseren Job ein ganzes Stück leichter“, erklärt van der Gast. „Diese Beziehungen zu verstehen hat große Bedeutung für medizinische und landwirtschaftliche Anwendungen und den Umweltschutz.“
Nach Ansicht der Forscher könnte dieses Gesetz, auf die mikrobielle Lebenswelt angewandt, zahlreiche industrielle Schüsselprozesse verbessern, die Mikroorganismen einsetzen. „Mikrobielle Lebensgemeinschaften sind entscheidend wichtig. Sie tragen beispielsweise zum Pflanzenwachstum bei und schützen Pflanzen gegen Krankheiten, bauen aber auch Schadstoffe ab“, so van der Gast. „Indem wir die Gesetze kennen, die die natürlichen Gemeinschaften der Mikroben regulieren, können wir entscheiden, ob wie im Falle einer Verunreinigung eingreifen müssen oder nicht.”
So könnten beispielsweise Kläranlagen von den Ergebnissen seiner Arbeit profitieren. „Zur Zeit sind die Abwassertanks noch eine ‚Black Box’ – wir wissen dass die Bakterien die Verunreinigungen zersetzen, aber wir wissen nicht genau, wie sie es tun“, so der Forscher. „Wenn wir verstehen, wie diese Organismen funktionieren, können wir Kläranlagen für Haus- und Industrieabwässer so entwerfen, dass sie noch effektiver arbeiten.“
(Natural Environment Research Council (NERC), 24.06.2005 – NPO)