Während der Mensch mit seinen Armen nicht nach hinten greifen kann, ohne sich die Schulter zu verdrehen, kann ein Elefantenrüssel nahezu jede erdenkliche Bewegung ausführen. Deshalb haben Wissenschaftler jetzt einen flexibel einsetzbaren Rüsselroboter entwickelt. Er ist leicht und mit geringem Energieaufwand zu steuern.
Dass er komplexe Bewegungen umsetzen kann, zeigt sich in seiner Kunstfertigkeit, chinesische Schriftzeichen mit großer Präzision zu malen, berichten die Forscher in der Fachzeitschrift „IEEE Transactions on Robotics“.
Gesperrte Gelenke
Die große Zahl der Gelenke stellt Wissenschaftler bei der Konstruktion von Rüsselrobotern vor ein Problem. An jedem Gelenk zerrt die Schwerkraft – es muss das Eigengewicht des Rüssels und die des zu hantierenden Objektes tragen. Ein enormer Energieaufwand ist nötig, um dieser Schwerkraft entgegenzuwirken und den Rüssel zu bewegen oder auch nur in einer Position zu halten.
Dieses Problem haben die beiden Biophysiker Professor Florentin Wörgötter und Kejun Ning vom Bernstein Zentrum für Computational Neuroscience und der Universität Göttingen auf elegante Weise gelöst. Wenn der Rüsselroboter seine Position hält, sind seine Gelenke gesperrt und verbrauchen keine Energie. Bei jeder Bewegung wird Schritt für Schritt ein Gelenk nach dem anderen nur für kurze Zeit entsperrt und in den richtigen Winkel gebracht.
Feine Drahtseile als Gelenksteuerung
Gesteuert werden die Gelenke nach Angaben der Wissenschaftler durch vier feine Drahtseile, die an den Kanten des Rüssels entlanglaufen. Die Zugkraft der Seile wird über kleine Motoren am Rüsselrumpf geregelt. Sowohl den Zug auf den Draht als auch die Reihenfolge der Entkopplung der Gelenke können die Forscher steuern und dabei fast jede beliebige Bewegung mit minimalem Energieaufwand erreichen.
Domestizierte Elefanten der Benefiz-Aktion „The Asian Elephant Art & Conservation Project“ sind in der Lage, mit ihrem Rüssel Blumen, Muster oder sich selber zu zeichnen. Diese geschickte Rüsselfertigkeit und exakte Pinselführung inspirierte die Göttinger Wissenschaftler, auch ihren Roboter malen zu lassen. Noch beschränkt sich das Repertoire des Göttinger Rüsselroboters auf vorprogrammierte Bewegungen – er malt chinesische Schriftzeichen.
Rüsselroboter soll Lernen lernen
Ein Computerprogramm berechnet dabei die energetisch günstigste Reihenfolge von Drahtseilzug und Gelenkentkopplung, die eine gewünschte Bewegungskurve erzeugt. „Elefanten lernen natürlich eigenständig, durch abgucken“, sagt Wörgötter. „Das nächste Ziel unserer Forschung wird sein, auch den Rüsselroboter mit einer Lernfähigkeit auszustatten, so dass er selbständig durch Versuch und Irrtum optimale Lösungen für bestimmte Aufgaben finden kann.“
Lernprozesse im computergestützten System zu realisieren, ist eines der Ziele von Wörgötters Team. Erkenntnisse über die Prinzipien des Lernens aus der Hirnforschung werden dazu in mathematische Algorithmen gefasst, mit denen der Roboter gesteuert wird. Auf diese Weise soll er lernen, komplexe Bewegungen selbständig auszuführen.
(idw – Nationales Bernstein Netzwerk Computational Neuroscience, 03.02.2010 – DLO)