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Chemie

Geheimnis des Promethiums gelüftet

Chemiker bestimmen erstmals die Bindungsmerkmale des seltenen Elements

Promethium-Komplex in Lösung
Diese rosafarbene Flüssigkeit enthält ein Novum: Erstmals haben Chemiker das seltene Element Promethium in einem Komplex-Molekül "eingefangen" und so genauer analysierbar gemacht. © ORNL/ Jacqueline DeMink, Thomas Dyke

Chemischer Meilenstein: 80 Jahre nach seiner Entdeckung haben Chemiker die Geheimnisse des extrem seltenen Elements Promethium gelüftet. Ihnen ist es erstmals gelungen, eine lösliche Verbindung dieses extrem seltenen, radioaktiven Lanthanoids herzustellen. Dadurch konnten sie zum ersten Mal überhaupt die Ionengröße und die Bindungslänge dieses Elements ermitteln, wie das Team in „Nature“ berichtet. Dies schließt eine entscheidende Lücke bei den Lanthanoiden, könnte aber auch ganz praktischen Nutzen haben.

Die Position im Periodensystem der Elemente verrät oft schon, welche chemischen Eigenschaften ein Element haben wird. Denn die Größe des Atomkerns und die Zahl der Außenelektronen sowie freien Elektronenorbitale beeinflussen die Reaktion und chemische Bindung mit anderen Atomen. Dies erlaubt es, chemische Trends vorherzusagen, enthüllt aber auch spannende Ausreißer und möglicherweise fehlplatzierte Elemente.

Promethium
Promethium hat 61 Protonen im Kern und 61 Elektronen in der Hülle. Es gehört damit in die Gruppe der Lanthanoide.© Jonas Reuel/ iStock

Das rätselhafte Element

Doch ausgerechnet in den Lanthanoiden, einer für unsere moderne Technik besonders wichtigen Gruppen des Periodensystems, klaffte bisher eine Lücke: Das Element Promethium mit der Ordnungszahl 61 hat sich fast jeder Erforschung entzogen. „Weil es keine stabilen Isotope besitzt, war Promethium das letzte Lanthanoid, das entdeckt wurde, und es ist das am schwierigsten zu untersuchende“, erklärt Seniorautor Ilja Popovs vom Oak Ridge National Laboratory (ORNL) in Tennessee.

Kein Wunder: Zu jedem Zeitpunkt enthält die gesamte Erdkruste nur wenig mehr als ein halbes Kilogramm dieses extrem seltenen, radioaktiven Elements. Es entsteht beim Zerfall von Uran und Europium, zerfällt aber selbst je nach Isotop innerhalb von Stunden bis Tagen wieder. Erstmals nachgewiesen wurde Promethium daher erst vor knapp 80 Jahren. Und auch künstlich lässt sich das geheimnisvolle Lanthanoid nur schwer und in winzigsten Mengen herstellen. Sein chemisches Verhalten ist daher weitgehend unbekannt.

„Es gibt tausende von Publikationen zur Chemie der Lanthanoide – aber ohne Promethium“, sagt Koautorin Santa Jansone-Popova vom ORNL. „Das war eine klaffende Lücke für die Wissenschaft, wir konnten die meisten seine Eigenschaften nur vermuten.“

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Geheimnis des Promethiums gelüftet.© Oak Ridge National Laboratory

Im Komplex gefangen

Das hat sich jetzt geändert. Denn Popovs, Erstautor Darren Driscoll vom ORNL und ihren Kollegen ist es nun erstmals gelungen, Promethium dingfest zu machen: Sie haben das Lanthanoid in einer löslichen Komplexverbindung eingefangen. Das Entscheidende daran: In einem solchen Molekül lässt sich analysieren, welche Art von Bindungen das Promethium eingeht und welche Bindungslängen dabei auftreten. Das wiederum erlaubt Rückschlüsse auf das Verhalten seiner Elektronen und die Größe des ionisierten Atoms.

Für ihr Experiment nutzte das Team die Tatsache, dass das Oak Ridge Laboratorium verschiedene Anlagen zur Erzeugung radioaktiver Isotope besitzt. Dabei fällt – quasi als Abfall – auch das Isotop Promethium-147 an, das eine Halbwertszeit von gut zweieinhalb Jahren besitzt. Allerdings sind aufwendige Prozeduren nötig, um das Promethium von den restlichen Zerfallsprodukten zu trennen. Dennoch gelang es den Chemikern, eine ausreichende Menge reines Promethium zu gewinnen.

Erster Röntgenblick auf das gebundene Promethium

Im nächsten Schritt mischten Driscoll und seine Kollegen das Promethium mit einer dafür entwickelten wasserlöslichen organischen Verbindung, dem Bispyrrolidin-Diglycolamid (PyDGA). „Die DGA-Familie von neutralen Liganden ist dafür bekannt, dass sie mit Lanthanoiden und Actinoiden Komplexe bilden und sie auftrennen kann“, erklären die Chemiker. Mithilfe von Modellierungen hatten sie ermittelt, dass sich PyDGA für die Bindung von Promethium eignen müsste.

Promehtium-PyDGA-Komplex
Aufbau des Komplex-Moleküls aus PyDGA und Promethium. © Driscoll et al./ Nature, CC-by 4.0

Und tatsächlich: Es entstand ein Komplexmolekül, in dem jeweils ein Promethium-Ion an mehrere PyDGA-Partner gebunden war. Diese Konfiguration und die Stabilität dieses Komplexes in wässriger Lösung ermöglichte es den Chemikern, das scheue Lanthanoid einer Analyse mittels Röntgen-Absorptionsspektroskopie zu unterziehen. Dies lieferte zum ersten Mal genauere Daten zur Bindungslänge, der Ionengröße und weiteren chemischen und quantenphysikalischen Merkmalen des Elements.

„Fast acht Jahrzehnte nach der Entdeckung des Elements Promethium haben wir es nun als löslichen Komplex synthetisiert und mithilfe moderner Synchrotron-Werkzeuge analysiert“, konstatieren Driscoll und sein Team.

Lanthanoidenkontraktion bestätigt

Besonders wichtig jedoch: Die neuen Analysen beantworten auch eine entscheidende Frage für die gesamte Gruppe der Lanthanoide – das Ausmaß und die Abfolge der sogenannten Lanthanoidenkontraktion. Sie besagt, dass die Größe der dreiwertigen Ionen innerhalb dieser Gruppe von Lanthan (Ordnungszahl 57) bis Lutetium (Ordnungszahl 71) immer weiter abnimmt. Als Ursache dafür gilt eine mit steigender Atomkerngröße schwächer werdende Abschirmung, durch die die Elektronen der Hülle immer stärker zum Kern gezogen werden.

Doch ob diese Kontraktion innerhalb der Lanthanoide wirklich so fortschreitet wie theoretisch postuliert, ließ sich nicht direkt nachweisen – bis jetzt. Denn Driscoll und sein Team haben neben Promethium auch alle anderen Lanthanoide mit PyDGA reagieren lassen und konnten so die Ionengrößen direkt messen und vergleichen. „Wir haben damit erstmals die Lanthanoidenkontraktion direkt auf Basis experimenteller Beobachtungen gemessen“, berichten die Chemiker. „Das ist ein wichtiger Meilenstein im Verständnis der chemischen Bindungseigenschaften dieser Elemente.“

Lanthanoide
Die Gruppe der Lanthanoide mit dem Namensgeber Lanthan am Anfang und dem bisher nicht näher analysierten Promethium an fünfter Position. © gemeinfrei

Das Ergebnis betätigt theoretische Annahmen, zeigt aber auch Neues auf: „Die Kontraktion wird im Laufe der Reihe stärker“, berichtet Co-Seniorautor Alex Ivanov vom ORNL. „Aber nach Promethium verlangsamt sich dieser Trend deutlich.“

Relevant auch für die Trennung der Seltenerdmetalle

Bedeutsam ist diese erste genauere Charakterisierung des Promethiums aber nicht nur für die Grundlagenforschung – sie könnte auch ganz praktischen Nutzen haben. Einer davon ist die Trennung der Seltenerdmetalle, die in der Natur typischerweise immer gemeinsam in einem Erz vorkommen. „In den modernen Technologien kann man all diese Lanthanoide aber nicht in gemischter Form nutzen, man muss sie auftrennen“, erklärt Jansone-Popova. „Hierfür ist die Lanthanoidenkontraktion wichtig, weil sie die Basis für Trennmethoden bildet.“

Das Wissen um die genauen Ionengrößen von endlich allen Lanthanoiden könnte daher helfen, die wertvollen Hightech-Rohstoffe einfacher verfügbar zu machen. „Das Promethium war das letzte noch fehlende Puzzlestück“, sagt Jansone-Popova. (Nature, 2024; doi: 10.1038/s41586-024-07267-6)

Quelle: DOE/Oak Ridge National Laboratory

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