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Umwelt

Leder, Garn und Papier aus Schimmelpilzfäden

Pilz wandelt Brotreste und andere Lebensmittelabfälle in nutzbare Fasern um

Pilzfasern
Diese Fasern wurden aus den Fäden eines Schimmelpilzes hergestellt. © University of Borås

Abfallverwertung auf neue Art: Ein auf Lebensmittelabfällen wachsender Schimmelpilz könnte den Rohstoff für Kunstleder, Papier oder Baumwoll-Ersatz liefern. Denn der Pilz produziert Fasern aus Chitin und Chitosan, aus denen sich stabile Gewebe herstellen lassen. Diese ähneln je nach Verarbeitung in ihren Eigenschaften gängigem Leder, Papier oder Stoff. Dank einer speziellen Zuchtmethode ist die Produktion dieser Pilzfasern zudem schnell und benötigt keine umweltschädlichen Zusatzstoffe.

Ob Baumwolle, Leder, Kunstleder oder Papier: Viele der heute für Textilien und andere stoffartige Gewebe verwendeten Materialien verursachen erhebliche Umweltprobleme. So verbrauchen der Anbau und Verarbeitung der Baumwolle und die Papierherstellung große Mengen an Wasser, für Leder müssen Tiere sterben und Kunstleder wird aus Erdölprodukten hergestellt. Bei allen Materialien werden zudem umweltschädliche Chemikalien eingesetzt.

Schimmelpilz als Rohstofflieferant

Auf der Suche nach einer Alternative haben Akram Zamani von der Universität Borås in Schweden und ihr Team einen Helfer aus dem Reich der Pilze hinzugezogen – den Schimmelpilz Rhizopus delemar. Dieser Verwandte unseres Brotschimmels wächst ebenfalls auf Brot und Lebensmittelabfällen aller Art und erzeugt dabei ein dichtes Gespinst aus mikroskopisch feinen Pilzhyphen. Typischerweise sind solche Pilzfasern weich und wenig widerstandsfähig.

Anders jedoch bei Rhizopus delema: Seine Pilzfäden enthalten einen relativ hohen Anteil an Chitin und Chitosan in ihren Zellwänden. Diese Biopolymere machen die Panzer von Insekten und Krebstieren steif und stabil und verleihen auch den Pilzfäden eine hohe Widerstandsfähigkeit, wie Zamani und ihre Kollegen herausfanden. Das brachte sie auf die Idee, diese Schimmelpilzfäden als Rohstoff für Leder, Papier und Textilien zu nutzen.

Aus Brotresten werden Pilzfäden

Für die Herstellung der benötigten Fasern sammelten die Forschenden altes, unverkauftes Brot von Supermärkten, das normalerweise im Müll gelandet wäre. Dieses zerkleinerten und trockneten sie, bevor sie es zusammen mit Pilzsporen in einen Bioreaktor gaben. Dort wuchs der Pilz in einer Art Nährlösung aus Wasser und den Brotkrümeln heran. Nach zwei Tagen entnahmen die Forschenden die fädige Pilzmasse und entfernten Fette, Proteine und andere Zellbestandteile, so dass nur noch eine gelartige Masse aus den Chitin- und Chitosan-haltigen Zellwänden der Pilzfasern übrigblieb.

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„Bei der Entwicklung unseres Prozesses haben wir darauf geachtet, keine giftigen Chemikalien oder anderen umweltschädlichen Verfahren einzusetzen“, betont Zamani. Die von Pilzresten befreiten Fasern können anschließend im feuchten Zustand zu Garn versponnen werden, das beispielsweise in der Chirurgie als Nahtmaterial oder für wundheilendes Verbandsmaterial eingesetzt werden kann. Auch als Ersatz für normale Baumwollstoffe könnten die aus diesem Pilzgarn gewebten Stoffe verwendet werden.

Pilzleder
Pilzfäden und eine aus Pilzleder hergestellte Brieftasche. © Akram Zamani

Leder und Papier aus Pilzmaterial

Die Pilzfasern können jedoch auch ausgewalzt, getrocknet und zu einer Art Papier verarbeitet werden. Dieses ist ähnlich reißfest wie normales Papier aus Zellulose. In mehreren Schichten aufgetragen und mit Zwischenschichten von aus Holz gewonnenem Tannin lässt sich aus dem Pilzmaterial auch eine Art Leder herstellen. Anders als andere Ansätze zur Herstellung von lederähnlichen Materialien aus Pilzmaterial kommt dieser ohne Zusatz synthetischer Polymere aus, wie das Team erklärt.

Das resultierende Pilzleder ist ähnlich fest und trotzdem biegsam wie klassisches Tierleder: „Unsere Tests zeigen, dass dieses Pilzleder mechanische Eigenschaften aufweist, die dem des echten Leders nahekommen“, berichtet Zamani. Ein biobasiertes Bindemittel und eine Nachbehandlung mit Glycerin machen das Material zudem glatt und haltbarer.

Auch anderes „Pilzfutter“ möglich

Nach Ansicht des Forschungsteams eröffnet die Nutzung des Schimmelpilzes Rhizopus delema neue Chancen für die Herstellung biobasierter, umweltfreundlicher Materialien. „Wir hoffen, dass diese aus Pilzen gewonnenen Materialien Baumwolle, synthetische Fasern und Tierleder ersetzen können, die mit ethischen und umweltbedingten Problemen verknüpft sind“, sagt Zamani.

Die Wissenschaftler arbeiten bereits daran, ihre Pilzprodukte weiter zu optimieren. Außerdem haben sie damit begonnen, den Schimmelpilz auch mit anderen Lebensmittelabfällen wie Früchten und Gemüseresten zu füttern. „Anstatt dass man diese Reste wegwirft, könnte man sie zur Zucht von Pilzen nutzen“, sagt Zamani. (ACS Spring 2022)

Quelle: American Chemical Society

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