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Astronomie

Rätsel um kreisförmige Radio-Objekte

Runde Gebilde passen zu keiner bekannten Struktur im Kosmos

ASKAP
Die Teleskope des ASKAP-Observatoriums in Australien haben drei der vier Rätsel-Objekte aufgespürt. © CSIRO

Mysteriöse Objekte: Astronomen haben vier im Radiobereich strahlende Objekte entdeckt, die zu keinem bisher bekannten Phänomen passen. Alle vier sind kreisrund, haben einen helleren Ring und nehmen am Himmel etwa eine Bogenminute ein. Doch worum es sich handelt, ist den Forschern bislang schleierhaft. Sie schließen nicht aus, dass es sich um ein ganzes neues, noch nie zuvor beobachtetes Phänomen handelt.

Wenn Astronomen den Himmel mit Radioteleskopen abhorchen, treten unzählige Strukturen zutage, die für unsere Augen unsichtbar sind. Denn die langwelligen Radiowellen werden bei vielen energiereichen Prozessen frei und dringen selbst durch dicke interstellare Wolken hindurch. Das Spektrum der beobachteten Phänomene reicht von riesigen Radioröhren in der irdischen Ionosphäre über nudelförmige Störfelder und mysteriöse Radioblitze bis hin zu zwei enormen Radioblasen, die aus dem Zentrum unserer Milchstraße emporragen.

ORC
Radio-Aufnahmen von zwei der vier Odd Radio Circles (ORC). © Norris et al./ arXiv:2006.14805

Runde Radiostrukturen mit hellem Ring

Doch jetzt haben Astronomen vier Strukturen entdeckt, für die sie bisher keine Erklärung haben. „Die Objekte erscheinen in den Radioaufnahmen als kreisrunde, am Rand hellere Scheiben von rund einer Bogenminute Durchmesser“, berichten Ray Norris von der Western Sydney University und seine Kollegen. Alle vier Objekte senden schwache Radiostrahlung aus und stehen außerhalb der Hauptebene der Milchstraße. In anderen Wellenlängen, wie dem sichtbaren, infraroten oder Röntgenlicht, sind sie komplett unsichtbar.

Drei dieser Rätselobjekte entdeckten die Forscher im Rahmen einer Himmelsdurchmusterung mit dem Australian Square Kilometer Array Pathfinder (ASKAP), einem aus 36 Einzelteleskopen bestehenden Radio-Observatorium. Ein viertes fanden sie nach einer gezielten Suche in den Daten des indischen Giant MetreWave Radio Telescope. Die Tatsache, dass diese Objekte in beiden Observatorien auftauchen, belegt, dass diese Strukturen real sind – und nicht nur ein Instrumenten-Artefakt.

„Wir haben bislang keine Erklärung“

Aber worum handelt es sich? Prinzipiell sind gerade runde Objekte in der Radioastronomie nichts Ungewöhnliches: „Solche Strukturen stammen meist von einem runden Objekt wie einem Supernova-Überrest, einem Planetarischen Nebel, der Gashülle um einen Stern oder auch der uns zugekehrten Breitseite einer Galaxie oder einer protoplanetarischen Scheibe“, erklären die Astronomen.

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Das Problem nur: Die neuentdeckten Objekte passen zu keiner dieser altbekannten Strukturen. Entweder Form und Radiofrequenz passen nicht oder es fehlen charakteristische Begleit-Merkmale. „Weil wir bislang keine Erklärung für ihre Ursachen haben und um ihnen einen Namen zu geben, taufen wir diese Objekte vorerst ‚Odd Radio Circles‘, kurz ORC“, so die Forscher. Zu deutsch heißt dies schlicht: merkwürdige Radiokreise.

Weder Galaxie noch Supernova-Relikt

Auf der Suche nach einer Erklärung haben Norris und sein Team die Radio-Kreise noch einmal mit allen potenziellen Kandidaten abgeglichen – vergeblich. Eine ringförmige oder runde Galaxie beispielsweise müsste auch im sichtbaren Licht klar erkennbar sein. Zwar ist bei zwei der ORCs eine Galaxie in der Nähe der Mitte erkennbar, ihre Merkmale sprechen aber eher dafür, dass sie ein weiter entferntes Hintergrundobjekt ist.

Ein Supernova-Relikt würde von der Form und Strahlung her zwar durchaus passen: „Die Odd Radio Objects sind einigen Supernova-Relikten bemerkenswert ähnlich“, konstatieren die Astronomen. Das Problem ist jedoch, dass ihre Dichte zu hoch ist: Wenn diese Dichte im beobachteten Himmelsausschnitt repräsentativ wäre, müsste es in der Galaxie 50.000 Supernovae geben – bestätigt sind jedoch bislang nur 350.

„Selbst wenn wir von einer galaktischen Population von 1.000 Supernova-Überresten ausgehen, läge die Wahrscheinlichkeit, drei davon in unserem Suchfeld zu finden, bei nur 0,02 Prozent“, sagen Norris und seine Kollegen. „Wir halten ein Supernova-Relikt als Erklärung daher für sehr unwahrscheinlich.“ Ähnliches gelte für einen Planetarischen Nebel. Ebenfalls keine Übereinstimmung fand sich für einen Wolf-Rayet-Stern – einen heißen, sehr massereichen Stern am Ende seines Lebenszyklus. Diese stellaren Riesen können zwar ringförmige Radiosignaturen erzeugen, sind aber viel kleiner als die ORCs.

Rätsel bleibt bestehen

Was aber bleibt dann noch? „Wir halten es für durchaus wahrscheinlich, dass diese ORCs einen ganz neuen Typ von Radioobjekten repräsentieren“, sagen Norris und sein Team. Vielleicht handele es sich bei diesen merkwürdigen Kreisen um eine Art Schockwelle von einem extragalaktischen Ereignis oder einem anderen Prozess. Denkbar wäre aber auch, dass die Radiokreise eine neue Kategorie eines bereits bekannten Phänomens repräsentieren – welches, bleibt allerdings offen.

Damit stehen die Astronomen bislang vor einem echten Rätsel. Sie hoffen nun, in weiteren Beobachtungen mehr über die mysteriösen Radiokreise herauszufinden. (Nature Astronomie, submitted, arXiv:2006.14805)

Quelle: arXiv

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