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Nanotechnologie

Zwergenspeicher mit Riesendichte

Speicherdichte-Rekord eröffnet Weg zu Arbeitsspeicher der Zukunft

In der Aufnahme des Rasterelektronenmikroskops (oben) sind oben die Lochmaske und unten die Nano-Kondensatoren zu erkennen © Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik

Einem Forscherteam ist es gelungen, Datenspeicher mit einer Dichte von 176 Milliarden Kondensatoren auf einem Quadratzoll herzustellen – Weltrekord für dieses Material. Solche Speicherpunkte lassen sich leicht ansteuern und speichern Information dauerhaft. Chips aus diesem Material könnten daher die derzeitigen temporären Arbeitsspeicher ersetzen, wie die Forscher in der Fachzeitschrift Nature Nanotechnology berichten.

Egal ob MP3-Player, Fotohandys, Navigationssysteme oder Notebooks: Sie sollen handlich sein, aber immer mehr Musik, Bilder, Filme oder Landkarten speichern und diese auch schnell verarbeiten. Um Elektronik weiter zu verkleinern und gleichzeitig leistungsfähiger zu machen, brächten neuartige Arbeitsspeicher einen großen Fortschritt. Wenn sie Informationen permanent speichern und mit Daten dennoch so schnell hantieren könnten wie der Arbeitsspeicher, auf dem ein PC heute gerade benutzte Programme ablegt.

Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik, der Pohang University of Science and Technology (POSTECH) in Korea und des Korea Research Institute of Standards and Science (KRISS haben nun ein Verfahren entwickelt, mit dem sich solche neuartigen, dicht gepackten Datenspeicher herstellen lassen. „Solche nichtflüchtigen Speicher könnten mit unserer Methode womöglich besonders einfach und effizient hergestellt werden“, erklärt Dietrich Hesse, der als Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts für Mikrostrukturphysik in Halle an den Arbeiten des Forscher-Teams maßgeblich beteiligt war.

Mini-Dipole als Schalter

Ausgangspunkt für die Entwicklung ist das keramische Material Blei-Zirkonat-Titanat, das zu den so genannten Ferroelektrika gehört. Solche Materialien besitzen in ihren kleinsten Baueinheiten permanente elektrische Dipole. Vergleichbar dem Nord- und Südpol eines Magneten lassen sich der positive und negative Pol eines permanenten elektrischen Dipols gezielt vertauschen – allerdings viel schneller. Daher können diese Stoffe Daten permanent speichern wie eine Festplatte, aber so schnell mit ihnen operieren wie ein Arbeitsspeicher.

Bei Blei-Zirkonat-Titanat geschieht der Polwechsel beispielsweise, wenn mit Hilfe eines äußeren elektrischen Feldes ein Titanion in der kleinsten Baueinheit verschoben wird. Bei Temperaturen über 460 Grad Celsius wechselt der Dipol sogar ohne äußeres Zutun ständig die Orientierung.

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Kondensatoren in der Maske: Durch eine nur rund 100 nm dünne Schablone aus Aluminiumoxid (oben) lässt das deutsch-koreanische Forscherteam erst die Bestandteile der Keramik (PZT) auf die Platinschicht (Pt) rieseln. Anschließend scheiden die Wissenschaftler noch ein wenig Platin ab, um einen elektrischen Kontakt zur Keramik herzustellen. © Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik

Sechseck-Muster entscheidend

Um aus diesem ferroelektrischen Material 176 Milliarden Kondensatoren auf einem Quadratzoll aufzubauen, haben die Wissenschaftler zunächst eine rund 100 nm dünne Schablone aus Aluminiumoxid hergestellt, die entsprechend löchrig ist. Zu diesem Zweck oxidierten sie einen Aluminiumfilm elektrochemisch – eine Methode, die als Eloxal-Prozess bekannt ist und Aluminiumbauteile seit Jahrzehnten mit einer Schutzschicht versieht und Aluminium-Geschirr, aber auch manchem MP3-Player zu einem farbigen matt-metallischem Schimmer verhilft. Dabei fressen sich gewöhnlich in ungeordnetem Muster Poren in das Aluminiumoxid.

Indem die Forscher bei der Oxidation jedoch sorgfältig die Temperatur, den pH-Wert und die chemische Zusammensetzung wählen, zwingen sie die Poren in eine sechseckige Anordnung, in der jede Pore von sechs anderen umgeben ist. Das sechseckige Muster ist allerdings an einigen Stellen ein wenig verzerrt, was sie als Schablone für Datenspeicher unbrauchbar macht. „Wenn wir das Aluminium mit einem Stempel vorstrukturieren, ordnen sich die Poren aber völlig regelmäßig an“, erklärt Woo Lee vom KRISS. Der Stempel trägt Milliarden von Noppen, die entsprechend viele Dellen in das Aluminium drücken. Diese wiederum dienen der Oxidation als Angriffspunkte, an denen sie die Poren in das Material frisst.

Keramikdampf auf Platinträger

Mit der fein perforierten Maske ist die Sache aber noch nicht erledigt. Die Schablone legen die Hallenser Wissenschaftler auf ein 650 Grad Celsius heißes Plättchen aus Magnesiumoxid, das mit Platin beschichtet ist und als Träger dient. Anschließend verdampfen sie mit einem Laserstrahl in genau austariertem Verhältnis Blei-Zirkonat-Titanat, bis sich die Keramik 30 bis 50 Nanometer dick auf dem Platin niedergeschlagen hat. Ein dünner Deckel aus Platin komplettiert den Kondensator, in dem die beiden Edelmetallschichten als Elektroden und die Keramik als Dielektrikum dienen.

Auch die hauchdünne Schablone wieder abzuziehen, stellt keine unüberwindbare Hürde dar. Dabei müssen die Wissenschaftler vorsichtig vorgehen, damit sie nicht zerbricht und ein Teil an den Speicherpunkten hängen bleibt. Mit etwas Geschick und einem Stück Tesafilm gelingt es ihnen aber, die Maske problemlos abzulösen. „Nicht ganz selbstverständlich ist dabei, dass nicht einzelne Sandwiches aus Platin und Blei-Zirkonat-Titanat in den Poren hängen bleiben“, erklärt Hesse. „Vermutlich ziehen sich die Kondensatoren, die wir bei 650 Grad aufdampfen, beim Abkühlen etwas zusammen, ehe wir die Maske bei Raumtemperatur entfernen.“

Rekord der Speicherdichte

Die neuen Datenspeicher aus der deutsch-koreanischen Kooperation können 176 Milliarden Bits pro Quadratzoll speichern, das sind 27 Milliarden pro Quadratzentimeter – mehr als alle vergleichbaren Speicher dieser Materialklasse. „Wir nähern uns damit Speicherdichten von einigen Terabit, Billionen von Bits, pro Quadratzoll“, so Hesse: „Und wir hoffen, dass wir die Speicherdichte noch weiter steigern können.“ So hohe Speicherdichten sind eine Voraussetzung, damit permanente Speicher breitere Anwendung finden. Sie könnten etwa die Festplatte und das lästige Booten im PC überflüssig machen.

Für den Einsatz als Speicher erfüllen die Nanokondensatoren noch eine weitere Bedingung: Jeden Speicherpunkt können die Wissenschaftler gezielt ansteuern, obwohl sie nur gut 60 Nanometer Abstand voneinander haben. „Diese Arbeit zeigt, dass auch ganz unkonventionelle und bisher nicht beachtete Herstellungsmethoden aus Nachbargebieten der Elektronik-Forschung einen wesentlichen Fortschritt bei der Suche nach Konzepten für hochdichte Festkörperspeicher bringen können“, so Professor Ulrich Gösele, Direktor am Max-Planck-Institut für Mikrostrukturphysik.

(MPG, 17.06.2008 – NPO)

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