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Genetik

Viren „befruchteten“ Ur-Zellen

Studie bestätigt bisherige Hypothese zur Evolution der Zelle

Elektronenmikroskopische Aufnahme von reifen EsV-1 Viruspartikeln © MPI für chemische Ökologie/Delaroque

Ein Blick in vergangene Viruswelten ist jetzt Jenaer Forschern gelungen. Sie haben im Genom der Braunalge Ectocarpus siliculosus komplette Abschnitte viralen Erbgutes gefunden. Dadurch wird die Hypothese eines schon in der frühen Evolution erfolgten Austausches von Nukleinsäuren zwischen DNA-Viren und Ur-Zellen erneut erhärtet.

Die entdeckte Sequenz der DNA-Abschnitte zeigt Ähnlichkeiten zum Genom des Ectocarpus-siliculosus-Virus-1 (EsV-1), einem rezenten Virus, das Braunalgen infiziert und zur Gruppe der so genannten „nukleocytoplasmatischen großen DNA-Viren“ (NCLDV) gehört.

Die sich im Algengenom befindende Virus-DNA ist interessanterweise durchsetzt von Gensequenzen anderer NCLD-Viren, so die Forscher um Nicolas Delaroque und Wilhelm Boland vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie. Diese kodieren Enzyme zur DNA Replikation, Transposition und Integration, also Werkzeuge, die Viren benutzen, um in das Genom ihrer Wirte einzudringen oder wieder zu verlassen.

Horizontaler Gentransfer

Wahrscheinlich ermöglicht ein als horizontaler Gentransfer bezeichneter Vorgang die Neukombination bestimmter DNA-Abschnitte. Die Viren dienen dabei als Vehikel für die Erbgutabschnitte und stellen einen Motor der Evolution dar, so die Forscher in der Fachzeitschrift BMC Evolutionary Biology.

Viren aus der Gruppe der „nukleocytoplasmatischen großen DNA-Viren“ (NCLDV), zu der EsV-1 gehört, besitzen ein für Viren außergewöhnlich großes Genom – bis zu 1,2 Millionen Basenpaare im Falle der Mimiviren, die erst 1992 entdeckt wurden. Auch die Pockenviren gehören zu dieser Gruppe. Das EsV-1 Genom, das von Delaroque und seinen Kollegen vollständig kloniert und sequenziert wurde, umfasst 335.593 Basenpaare.

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Frühere Studien wiesen darauf hin, dass Virus-Genom im Wirts-Genom der Braunalge Ectocarpus siliculosus integriert vorliegt. Eine detaillierte Untersuchung sollte nun zeigen, an welcher Position sich die Virus-DNA in den Chromosomen der Alge befindet. Dazu wurde eine Genbank aus der Algen-DNA hergestellt, und mit Hilfe von EsV-1 DNA-Sonden wurden 200 verschiedene, je etwa 35.000 Basenpaare große Abschnitte aus der Genbank isoliert und sequenziert.

Die Braunalge Ectocarpus siliculosus © MPI für chemische Ökologie/Delaroque

„Virusinfizierten“ Genomabschnitte

Die Sequenzierung ergab, dass auf diesen Genomabschnitten tatsächlich der genetische Informationsfluss der Braunalge von Kopien viraler DNA unterbrochen war, die große Ähnlichkeit mit Genomabschnitten von EsV-1 zeigten. Diese „virusinfizierten“ Genomabschnitte der Alge, so zeigte sich jedoch, sind aber auch noch durchsetzt von DNA-Bereichen, auf denen sich virustypische Gene für Erbgut-Replikation, Integration und Transposition befinden – diese jedoch sind gar nicht im EsV-1 Genom vorhanden.

Allerdings: Sie finden sich in ganz anderen Viren aus der Gruppe der NCLD-Viren wieder, beispielsweise in den Mimiviren, wie der darauf folgende bioinformatische Abgleich mit öffentlich zugänglichen Gendatenbanken zeigte. „Dieses Ergebnis bedeutet, dass das Genom von Ectocarpus siliculosus Überbleibsel des Genoms entweder eines großen, ursprünglichen DNA-Virus oder vielleicht eines ganz ursprünglichen Einzellers trägt, welcher der Vorfahre der heutigen NCLD-Viren gewesen sein könnte“, so Boland.

(idw – Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, 30.04.2008 – DLO)

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