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Physik

Atome beim Platzwechsel erwischt

Grundlegender Effekt des Quantenmagnetismus mit ultrakalten Atomen beobachtet

Einem internationalen Wissenschaftlerteam ist es in einem Experiment mit ultrakalten Atomen gelungen, fundamentale Mechanismen des Quantenmagnetismus im Labor direkt zu beobachten und zu beeinflussen.

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„Wir haben mit zwei gekoppelten Atomen eine kontrollierbare magnetische Wechselwirkung realisiert, wie sie auch in den Muttersubstanzen vieler Hochtemperatursupraleiter auftritt, also in Materialien, die gerade hoch aktuell sind“, erklärt Stefan Trotzky von der Universität Mainz, der zusammen mit Wissenschaftlern aus Harvard und Boston an der neuen Studie beteiligt war. Die Forscher berichten über die quantenphysikalischen Austauschmechanismen in der Online-Ausgabe des Wissenschaftsmagazins Science Express.

Die untersuchten Prozesse sind nicht nur für das Verständnis neuer Werkstoffe mit speziellen magnetischen und elektrischen Eigenschaften von großer Bedeutung, sondern bilden auch die Basis für chemische Bindungen in Molekülen. Darüber hinaus können sie ein wichtiger Baustein für einen Quantencomputer mit ultrakalten Atomen sein, der die Leistungsfähigkeit eines konventionellen Computers um ein Vielfaches übertreffen würde.

Kristall aus Licht

Die Physiker kühlten in ihrem Experiment Atome bis nahe an den absoluten Nullpunkt auf eine Temperatur von etwa minus 273 Grad ab und halten sie dann durch ein optisches Gitter in einem „Kristall aus Licht“ auf vorgeschriebenen Plätzen fest. Die Atome sitzen dort anschaulich wie Eier in einem Eierkarton. Die Besonderheit des Mainzer Experiments ist dabei, dass sich die Atome von einem bestimmten Gitterplatz aus nur zu einem einzigen benachbarten Platz und von dort wieder zurück bewegen können. Dadurch entstehen Tausende von paarweise gekoppelten Gitterplätzen, in denen sich die Dynamik weniger miteinander wechselwirkender Atome im Detail untersuchen lässt.

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„In diesen Doppeltöpfen ist es uns nun gelungen, den Austausch zweier Atome mit unterschiedlichem Spin auf benachbarten Plätzen direkt zu beobachten und zu kontrollieren“, so Trotzky. Unter dem Spin eines Teilchens wird eine Art Eigendrehung verstanden, die unter anderem dem Magnetismus in Festkörpern zugrunde liegt.

Die Wissenschaftler haben jeweils ein Atom mit nach oben gerichtetem und eines mit nach unten gerichtetem Spin auf benachbarte Gitterplätze gesetzt. Das Durchdringen der zwischen ihnen liegenden Schranke ist dabei nach den Regeln der klassischen Physik nicht möglich – erst die Eigenart der Quantenmechanik erlaubt diesen Vorgang in Form eines Hüpf- oder Tunnelprozesses. So kommt es, dass die beiden Atome dazu in der Lage sind, ihren Platz zu tauschen. Dies lässt sich direkt beobachten, da die jeweiligen Atome sich in der Ausrichtung ihres Spins unterscheiden.

Synchroner Hüpfprozess

Stoßen sich die beiden Teilchen stark ab, so wird man sie niemals zusammen auf einer Seite des Doppeltopfes finden, da dieser Zustand aufgrund der Energieerhaltung nicht erlaubt ist. Allerdings beobachtet man einen Austausch der beiden Atome: War zunächst das Atom mit nach oben gerichtetem Spin auf der linken Seite zu finden, so wird es nach einer bestimmten Zeit rechts auftauchen, während das andere Atom mit entgegen gerichtetem Spin von rechts nach links gewandert ist.

Die Grundlage für diesen Vorgang ist ein synchroner Hüpfprozess der beiden Teilchen oder formal ein Tunnelprozess zweiter Ordnung. Bereits im Sommer war es den Mainzer Wissenschaftlern gelungen, einen ähnlichen Tunnelprozess, bei dem zwei Teilchen trotz starker Abstoßung eine Schranke nur gemeinsam überwinden, erstmals mit ultrakalten Atomen direkt zu beobachten. Hier durchqueren nun beide Atome in entgegen gesetzter Richtung simultan die Barriere. Die Austauschrate, also die Häufigkeit mit der die beiden ihren Platz tauschen, hängt dabei von der Höhe der Barriere und der Stärke der Abstoßung der Atome ab. Beide Größen lassen sich im Experiment über einen weiten Bereich mit großer Genauigkeit einstellen.

Wechselwirkung zwischen Spins

Der Platzwechsel der beiden Atome mit unterschiedlichem Spin lässt sich physikalisch als eine Wechselwirkung zwischen den Spins beschreiben. Bemerkenswert ist dabei, dass kein direkter Kontakt zwischen den zwei Atomen benötigt wird. Allein die Form des Doppeltopfes, in dem die beiden Teilchen gefangen sind, bestimmt die Art der Wechselwirkung und damit die magnetischen Eigenschaften der Festkörperminiatur.

Die im Experiment gezeigte Möglichkeit, die magnetische Natur des Systems kontrolliert zu verändern, ist dabei einzigartig. In Zukunft wollen die Forscher diese Eigenschaften des Systems nutzen, um exotische Vielteilchenzustände zu erzeugen, von denen einige Ausgangspunkte für neuartige Methoden des Quantenrechnens sein können.

(idw – Universität Mainz, 02.01.2008 – DLO)

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