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Biologie

Krankheiten aussitzen statt bekämpfen

Erster Nachweis einer Toleranz gegenüber Erregern im Tierreich

Tiere können sich nicht nur durch Resistenz gegen die Angriffe von Krankheitserregern schützen, sondern auch, indem sie ihre Toleranz gegenüber der Infektion auf genetischer Ebene erhöhen. Ein solcher Mechanismus, bisher nur von Pflanzen bekannt, ist jetzt erstmals in einer in „Science“ veröffentlichten Studie an Mäusen belegt worden.

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Schon seit längerem ist bekannt, dass Pflanzen zwei Möglichkeiten besitzen, mit Parasiten und Erregern umzugehen. Entweder entwickeln sie eine Resistenz gegen sie oder aber sie verbessern ihre Toleranz gegenüber der Krankheit und leiden weniger unter einem Befall selbst wenn die Zahl der Erreger steigt. „Denken sie an einen Flugzeugträger unter Beschuss“, erklärt Andrew Read, Professor für Biologie und Entomologie an der Penn State Universität. „Resistenz ist vergleichbar mit dem Versuch, die heran schießenden Geschosse abzuwehren bevor sie treffen.“ Toleranz dagegen beschreibt die Anzahl der Treffer, die das Schiff aushalten kann, bevor es untergeht.

Erster Nachweis im Tierreich

Read und seine Kollegen Derek Sim sowie Lars Raberg von der Universität in Lund, Schweden, haben in Versuchen an Mäusen nun erstmals getestet, ob nicht auch Tiere ihre Toleranz anpassen können. Sie infizierten fünf verschiedene Mäusestämme mit Erregern der Malaria und maßen anhand des Körpergewichts und der Menge der roten Blutkörperchen, wie stark sich die Krankheit bei ihnen ausprägte.

Tatsächlich zeigten sich einige Unterschiede zwischen den Mäusestämmen: Bei einigen dauerte es deutlich länger, bis die Erreger ihre maximale Dichte erreicht hatten – nach Ansicht der Forscher ein Anzeichen für unterschiedlich starke Resistenz gegenüber der Infektion. Gleichzeitig aber unterschied sich auch der Krankheitsverlauf bei gleicher Parasitenzahl zwischen den Stämmen: Einige Tiere nahmen langsamer an Gewicht ab und verloren weniger rote Blutkörperchen als andere.

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Entweder – oder

„Das war der große ‘Aha’-Moment, der uns andeutete, dass Toleranz am Werk war”, so Read. Überraschenderweise schienen dabei Toleranz und Resistenz in einem negativen Verhältnis zueinander zu stehen: Die Mäuse konnten offenbar entweder die Erreger abtöten – Resistenz – oder aber sie tolerierten sie ohne Schaden zu nehmen – Toleranz – nicht aber beides auf einmal.

Ende des Rüstungswettlaufs

Nach Ansicht der Forscher sind sowohl Resistenz als auch Toleranz Teil des evolutionären „Spielplans“, den nicht nur Pflanzen, sondern auch Tiere als Reaktion auf Infektionen entwickelt haben. Resistente Wirte sind meist erfolgreich darin, die Infektion abzuwehren, aber im Laufe der Zeit passen sich die Erreger an und lernen, die Resistenz zu überwinden. Als Folge muss der Wirt neue, noch stärkere Abwehrmaßnahmen entwickeln. „Es ist ein nie endender Rüstungswettlauf“, so Read. „Aber im Fall der Toleranz versucht der Wirt nicht mehr, den Erreger zu vernichten und der Wettlauf hört auf.“ Pflanzen und Tiere lernen es einfach, mit den Pathogenen zu leben.

Der Forscher warnt zwar davor, diese ersten Hinweise allzu sehr zu verallgemeinern, betont aber, dass die Ergebnisse der Studie ein besseres Bild der Krankheitsentwicklung in Tieren liefern können. Das Verständnis von Krankheitstoleranz und –resistenz könnte beispielsweise auch dazu beitragen, optimale Auswahlstrategien bei der Nutztierzüchtung zu entwickeln.

(Penn State Universität, 08.11.2007 – NPO)

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