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Geowissen

Schnitzeljagd in der Ostsee

Ocean Tracer Injection System soll neue Erkenntnisse über den Nährstoffkreislauf im Meer liefern

Nach dem ersten Einsatz im Gotland Becken wird OTIS an Bord geholt © T. Tanhua, IFM-GEOMAR

Wie gelangt nährstoffreiches Tiefenwasser an die Oberfläche? Welche Wege nutzt es dabei? Diese und viele andere Fragen lösen helfen soll in Zukunft das neue Ocean Tracer Injection System (OTIS). Auf einer Expedition in der Ostsee haben Wissenschaftler OTIS erstmals zur Markierung von Wassermassen erfolgreich eingesetzt. Sie wollen so wie bei einer Schnitzeljagd Vermischungsprozesse im Wasser detailliert verfolgen. Die Meeresforscher erhoffen sich dadurch neue Erkenntnisse über den Nährstoffkreislauf in marinen Ökosystemen.

Es war eine europäische Premiere, als Mitte September das neue Gerät OTIS vom Forschungsschiff Poseidon aus in der zentralen Ostsee auf 200 Meter Tiefe abgesenkt wurde. Während einer Schleppfahrt brachte OTIS auf einer Strecke von rund 500 Metern in einer definierten Wassertiefe mikrofeine Tröpfchen einer künstlichen, chemisch und biologisch inaktiven Markersubstanz (Tracer) aus, deren Ausbreitung nun in den kommenden Wochen und Monaten verfolgt wird.

„Wir haben OTIS natürlich vorher intensiv getestet und uns mit den Kollegen vom Woods Hole Oceanographic Institution (USA) ausgetauscht, die auch über ein solches Gerät verfügen“, erklärt Toste Tanhua vom IFM-GEOMAR, das neben dem Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde (IOW) an dem Experiment beteiligt war. „Trotzdem ist ein Feldversuch immer etwas anderes als ein Trockenlauf“, so Tanhua weiter.

Auf der Suche nach „Mikro-Schnitzeln“

Während der Kieler Ozeanograph hauptsächlich daran interessiert war, das Gerät für spätere Einsätze im Atlantik kennen zu lernen, hängt für seine Warnemünder Kollegen vom IOW die Beantwortung vieler Forschungsfragen am erfolgreichen Einsatz des OTIS. Mit Hilfe des Tracers können die Ozeanographen und Meereschemiker nun wie bei einer Schnitzeljagd den Weg des Wassers verfolgen.

OTIS wird für den ersten Einsatz in der Ostsee vorbereitet © T. Tanhua, IFM-GEOMAR

„Die logistische Herausforderung des Unternehmens war enorm“, so Fahrtleiterin Joanna Waniek vom Leibniz-Institut für Ostseeforschung. Die Technik des Ausbringens, die geeignete Strategie und Analytik zum Wiederauffinden der „Mikro-Schnitzel“, eine enge Abstimmung zwischen Schiffsbesatzung und Wissenschaftlern – alles musste bei diesem komplizierten Ersteinsatz sofort funktionieren.

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Entscheidend war jedoch letztlich die wissenschaftliche Vorarbeit – die Auswahl der richtigen Position zum Ausbringen des Tracers. „Erst als wir den Tracer auf der ersten Kontrollfahrt in der vergangenen Woche nachgewiesen haben, wussten wir, dass alles geklappt hat.“ so Waniek. Das erfolgreiche Ausbringen des Tracers war die Grundlage für die eigentliche wissenschaftliche Studie, die nun in den nächsten 18 Monaten folgen wird. Im Projekt „Baltic Sea Tracer Release Experiment“ (BaTRE) wird der injizierten Tracer weiter verfolgt, um neue Erkenntnisse über den Austausch zwischen tiefen und oberflächennahen Wassermassen in der Ostsee zu gewinnen. Ähnliche Studien sind vom Kieler Exzellenzcluster „Ozean der Zukunft“ und dem Leibniz-Institut für Meereswissenschaften Kiel auch im subtropischen Ostatlantik geplant.

OTIS: moderner Unterwasserschlitten

Wie funktioniert das OTIS? Die Injektion des Marker wird durchgeführt, indem mehrere Tracer-Streifen ausgelegt werden, während das OTIS als ein Unterwasserschlitten hinter einem Schiff bei einer Geschwindigkeit von ein bis zwei Kilometer geschleppt wird. Das OTIS hat ein eingebautes CTD-System, das Salzgehalt und Temperatur (und daher Dichte) des umgebenden Wassers überwacht. Diese Information wird an ein Steuersystem auf dem Schiff weitergeleitet, das automatisch die Winde derartig kontrolliert, dass der Schlitten im angestrebten Dichtebereich verbleibt. Die Freigabe des Markers ist aus mehreren Gründen technisch sehr anspruchsvoll: Das Material muss in einem sehr engen Tiefenbereich (zwei bis drei Meter) freigegeben werden. Ferner muss es in Form sehr kleiner Tröpfchen injiziert werden, da sie sonst zum Meeresboden absinken.

Bei weiteren Forschungsfahrten wird der Tracer-Gehalt des Wassers überwacht, oftmals über mehrere Jahre hinweg. Die effektive Vermischung des Ozeans kann dann aus der Kenntnis der Tracer- Verteilung im Wasser berechnet werden.

(idw – Leibniz-Institut für Ostseeforschung Warnemünde, 04.10.2007 – DLO)

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