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Physik

Wenn sich Atome nicht entscheiden können

Erstmals Überlagerungszustand aus Atom und Molekül in reiner Form beobachtet

Rabi-Oszillationen von Atomen und Molekülen. Durch schnelles Schalten des Magnetfeldes können Atome (gelb) in Moleküle (rot) überführt werden und umgekehrt. Zu bestimmten Zeiten befinden sich die Teilchen in einem Überlagerungszustand (gelb und rot), in dem sie gleichzeitig Atom und Molekül sind. © MPQ

Gleichzeitig schwarz und weiß, aufwärts und abwärts gerichtet – nur die Quantenteilchen des Nanokosmos vermögen zwei Eigenschaften miteinander zu vereinbaren, die sich nach den Gesetzen der klassischen Physik ausschließen. Forschern ist es jetzt erstmals gelungen, einen Überlagerungszustand aus Atom und Molekül in reiner Form zu beobachten.

In der Zeitschrift Physical Review Letters berichten die Wissenschaftler über Experimente, in denen sich Paare aus je zwei Rubidiumatomen nicht entscheiden können, ob sie miteinander eine Molekülbindung eingehen oder im atomaren Zustand verharren sollen. Stattdessen schwingen sie zwischen beiden Zuständen hin und her – bis zu 29 dieser so genannten Rabi-Oszillationen wurden innerhalb einer Messung nachgewiesen. Dazwischen nehmen die Rubidium-Pärchen einen Zustand ein, in dem sie beides, Moleküle und Atome, zugleich sind.

Quantenteilchen, die sich in einem solchen zweideutigen Zustand befinden, sind die idealen Kandidaten für Speichereinheiten – so genannte Quantenbits – in Quantencomputern. Zukünftige Präzisionsmessungen der Schwingungsfrequenz könnten überdies Schlüsse auf mögliche Veränderungen der Fundamentalkonstanten zulassen, so die Forscher um Professor Gerhard Rempe vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik in Garching.

Eine Wolke aus Rubidiumatomen

Im Experiment wird zunächst eine Wolke von Rubidiumatomen in einer optische Falle eingefangen und auf wenige Milliardstel Grad über dem absoluten Nullpunkt abgekühlt. Hier bilden die Atome ein so genanntes Bose-Einstein-Kondensat, einen Zustand, indem alle – etwa 60.000 – Teilchen identisch werden und sich praktisch nicht mehr bewegen. Mit Hilfe eines „optischen Gitters“ werden die Atome dann in einer regelmäßigen Struktur angeordnet.

Dazu wird durch Einschalten von stehenden Lichtwellen aus drei verschiedenen Raumrichtungen ein Laserlichtfeld erzeugt, dessen Form an einen Stapel von Eierkartons erinnert. Die Vertiefungen in diesem winzigen Kristallgitter aus Licht entsprechen energetisch besonders günstigen Zuständen, in denen sich die Rubidiumatome daher niederlassen. Der Gitterabstand zwischen den Atomen ist durch die Lichtwellenlänge bestimmt. Er beträgt hier einige hundert Nanometer und ist damit etwa 1000mal größer als in einem Festkörperkristall. Daher stellt diese Struktur aus Licht und Atomen auch ein ideales System dar, um komplexe Probleme der Festkörperphysik zu modellieren. Die Tiefe der Mulde hängt von der Laserleistung ab und ist hier so gewählt, dass die Atome darin gefangen sind. Dieser hochgradig geordnete Zustand wird Mott-Isolator genannt.

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Diskrete Quantenzustände

Atome und Moleküle in einem Kristallgitter aus Licht. In der Mitte dieses hochgeordneten Zustandes befinden sich anfangs Pärchen von Atomen (links), die in Moleküle überführt werden (rechts. ) Es kommt zu einer periodischen Wiederholung dieser Konfiguration. © MPQ

Über die Gesamtzahl der Atome im optischen Gitter können die Physiker die Zahl der Atome pro Gitterplatz so steuern, dass sich im mittleren Bereich des Kristalls genau zwei Atome pro Mulde befinden. Damit sind die wesentlichen experimentellen Voraussetzungen geschaffen, um gezielt Übergänge in den molekularen Zustand anzuregen und anschließend präzise zu vermessen.

Zum einen sind die Atome von ihren Nachbarn isoliert und sehen nur den Partner an ihrem jeweiligen Gitterplatz. Durch die Beschränkung auf einen winzigen Bereich stehen dem Pärchen nur wenige diskrete Quantenzustände zur Verfügung, die es als Molekül einnehmen kann. Zum andern sind auch die resultierenden sehr fragilen Moleküle voneinander getrennt und können daher nicht durch zufällige Stöße verloren gehen.

Um die Atome dazu zu bewegen, mit ihrem Partner eine feste Bindung einzugehen, wird abrupt ein Magnetfeld eingeschaltet. Aufgrund der Wechselwirkung des Magnetfeldes mit den magnetischen Momenten der Atome wird die Wahrscheinlichkeit für eine molekulare Bindung bei einem bestimmten Wert für das Magnetfeld genauso groß wie für den atomaren Zustand. Bei dieser so genannten „Feshbach-Resonanz“ beginnen die Atome daher, zwischen Single-Dasein und fester Partnerschaft hin- und her zu schwingen. Entsprechend schwankt im Laufe eines Schwingungszyklus die Menge von Atomen bzw. Molekülen im optischen Gitter.

Sowohl Atom als auch Molekül

Indem die Zahl der Atome für unterschiedliche Haltezeiten des Magnetfeldes ermittelt wurde, ließen sich die Rabi-Oszillationen über 29 Zyklen nachvollziehen. „Das Wichtigste an diesem Ergebnis ist, dass die Rubidiumpaare während eines Schwingungszyklus einen Zustand durchlaufen, in dem sie sowohl Atom als auch Molekül sind“, erläutert Niels Syassen, der die Messung zusammen mit seinen Kollegen im Rahmen seiner Doktorarbeit durchgeführt hat. „Ein solcher kohärenter Überlagerungszustand wurde bisher noch nicht in dieser Reinform beobachtet“, betont Rempe. „Damit verfügen wir über neue Möglichkeiten, Quantenregister zu realisieren, in denen verschiedene Informationen auf einem Quantenbit gespeichert werden könnten.“

In einem weiteren Experiment nutzen die Wissenschaftler die Rabi-Oszillationen, um zunächst zweiatomige Moleküle im optischen Gitter zu erzeugen. Dann fahren sie das Magnetfeld auf Werte, bei denen die Atome eigentlich lieber single als gebunden wären. Dennoch geht die Partnerschaft nicht immer auseinander. Denn die Moleküle können nur bei bestimmten, diskreten Magnetfeldwerten zerfallen. In den Zwischenbereichen existieren keine Zustände, die die Endprodukte, die Atome, nach den Regeln der Quantenmechanik besetzen dürfen. Solche Messungen zeigen, dass man mit optischen Gittern gezielt Strukturen schneidern kann, die es erlauben, mit instabilen Molekülen so zu hantieren als wären sie stabil.

Die Forscher planen auch, solche Atom-Molekül-Oszillationen mit noch größerer Präzision zu bestimmen und damit Aussagen über atomare Eigenschaften zu erhalten, die wiederum Schlüsse auf möglicherweise extrem geringe Änderungen der Naturkonstanten zulassen.

(idw – Max-Planck-Institut für Quantenoptik, 20.07.2007 – DLO)

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