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Umwelt

Biologische Invasionen im Ozean: was bestimmt den Erfolg?

Alter der Einwanderergemeinschaften entscheidend

Versuchsplatten mit Aufwuchsgemeinschaften © Leibniz-Institut für Meereswissenschaften

Die Einwanderung und Einschleppung von fremden Arten in bisher von ihnen unbesiedelte Meeresgebiete nimmt immer weiter zu. Auch der Klimawandel begünstigt eine Verschiebung der Artenzusammensetzung. Doch was entscheidet darüber, ob sich eine solche invasive Art erfolgreich ansiedeln kann oder nicht? Genau das hat ein internationales Projekt jetzt genauer untersucht.

Über zehn Monate lang haben Studenten des internationalen Programms GAME (Global Approach by Modular Experiments) am Kieler Leibniz-Institut für Meereswissenschaften (IFM-GEOMAR) an Untersuchungen zur Stabilität von marinen Lebensgemeinschaften gearbeitet. Einzigartig an dem Ansatz ist die zeitgleiche Ausführung der Experimente in mehreren Ländern. Von Australien bis Finnland spannt sich das weltweite Netz der Daten. Jetzt präsentieren die jungen Forscher gemeinsam mit ihren wissenschaftlichen Betreuern aus Kiel neue Erkenntnisse über den Verlauf von Invasionen im Meer.

Auswirkungen teilweise hoch brisant

Ausgangspunkt des ungewöhnlichen Projekts ist eine zentrale Fragestellung aus der Invasionsökologie: Was begünstigt die Verschleppung von Arten im Meer und ermöglicht ihnen, sich in fremden Ökosystemen zu etablieren? Festsitzende Meeresorganismen können sich zwar nicht eigenständig fortbewegen, unter Umständen sind sie aber dennoch äußerst mobil. Zum Beispiel, wenn sie als Aufwuchs auf Schiffsrümpfen über sehr weite Strecken transportiert und auf diese Weise als ortsfremde Organismen in neue Lebensräume gelangen.

Dieser Prozess birgt manchmal eine hohe Brisanz, denn die Auswirkungen der Verschleppung sind oft unbekannt und können ökologische und wirtschaftliche Schäden verursachen. Ein bekanntes Beispiel dafür ist die aus den Zuflüssen vom Schwarzen und Kaspischen Meer stammende Dreikantmuschel Dreissena polymorpha, die hierzulande oft Rohrleitungen zusetzt. Wenn eingewanderte Arten besonders konkurrenzstark sind, können sie auch heimische Arten verdrängen.

Experimente weltweit zeitgleich

Ob sich Arten aus einer fremden Lebensgemeinschaft auch langfristig im neuen Ökosystem etablieren können hängt maßgeblich von der Stabilität der Gemeinschaft ab. In der Forschung zu biologischen Invasionen wurden bisher lediglich einzelne Arten oder sogar nur deren Larven untersucht. Erstmalig haben die jungen Wissenschaftler im Rahmen von GAME ganze Gemeinschaften von ausgewachsenen und fortpflanzungsfähigen Individuen untersucht.

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Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu bekommen haben die Studenten, wie bei allen GAME-Projekten, ihre Experimente zeitgleich an verschiedenen Küstenstandorten auf der ganzen Welt durchgeführt. Dies geschah von November 2005 bis April 2006 auf der Südhalbkugel in Australien, Brasilien, Chile und Neuseeland und von Mai bis Oktober 2006 auf der Nordhalbkugel in England, Finnland, Japan, Malaysia und Portugal.

Einwanderer versus Ortsansässige

Die Studenten gingen der Frage nach, ob es einen Zusammenhang zwischen der Stabilität von so genannten Aufwuchsgemeinschaften oder sesshaften Organismengruppen, und deren Alter gibt. Hierzu haben sie beobachtet, wie lange verschiedene Entwicklungsstadien von diesen Gemeinschaften an einem neuen Standort überdauern können, ohne dass sich ihre Struktur und Zusammensetzung ändert.

Als experimentellen Ansatz haben die Wissenschaftler PVC-Ringe mit Besiedlungsplatten im küstennahen Flachwasser verankert, um darauf Lebensgemeinschaften wachsen zu lassen. Nach zwei bzw. nach vier Monaten versetzten sie die Ringe mit dem Bewuchs an neue Standorte mit anderen Umweltbedingungen. Auf diese Weise haben die jungen Forscher den Transport von Meeresorganismen durch Schiffe oder treibenden Müll simuliert. Die Ringe wurden nicht weiter als zehn Kilometer versetzt, um eine tatsächliche Verschleppung von Arten über Verbreitungsgrenzen hinweg zu vermeiden.

Ältere Einwanderergemeinsachften widerstandsfähiger

Die Ergebnisse zeigen ein einheitliches Bild: Die zwei Monate alten Gemeinschaften verfügten in den allermeisten Fällen über eine geringere Artenvielfalt (Biodiversität) als die älteren Aufwuchsgemeinschaften und boten auf ihren Besiedlungsplatten mehr freien Raum für die Ansiedlung von "ortsansässigen" Organismen. Nach und nach konnten die für den Lebensraum typischen Individuen die eingeschleppten Arten auf diese Weise verdrängen. Die älteren Einwanderergemeinschaften dagegen waren artenreicher und stabiler. Die "einheimischen" Arten konnten sich nicht gegen die eingewanderte Gemeinschaft durchsetzen. Damit war es den fremden Arten möglich, durch Reproduktion im neuen Lebensraum fortzubestehen.

Dr. Mark Lenz, Meeresbiologe am IFM-GEOMAR und Koordinator von GAME, zieht aus diesen Resultaten eine wichtige Erkenntnis für die Praxis: "Will man die Verschleppung von Arten im Meer begrenzen, müsste man prophylaktisch vorgehen, in dem man zum Beispiel Schiffsrümpfe in möglichst kurzen Zeitabständen von Meeresorganismen befreit. Unsere Ergebnisse zeigen nämlich, dass sich ältere Gemeinschaften in der Regel im neuen Lebensraum besser behaupten können."

(Leibniz-Institut für Meereswissenschaften, 10.01.2007 – NPO)

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