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Neurobiologie

Wie das Gehirn lernt und verlernt

Forscher filmen neuronale Lernprozesse

Abbild der Hirnaktivität © RUB

Wie laufen Lernprozesse im Gehirn ab? Wie sehr kann es sich im erwachsenen Organismus noch umorganisieren? Wie stabil sind Lernerfolge? Diese Fragen beantworten jetzt Wissenschaftler mithilfe eines neuartigen bildgebenden Verfahrens, bei dem nicht nur Momentaufnahmen auf gezeichnet werden, sondern ein Film der kontiniuierlichen Veränderungen der Hirnaktivität beim Lernen entsteht.

Der Bochumer Neuroinformatiker Hubert Dinse und der Houstoner Elektrotechniker Valery Kalatsky hsetzen mit ihrer neuen Technik am Sehsystem an. Eine von Kalatsky entwickelte Software spielt ein spezielles optisches Reizmuster ab, während die Aktivität der Hirnnervenzellen im visuellen Cortex aufgezeichnet wird. Die kontinuierliche Aufzeichnung ist erst dank der Rechenkapazität aktueller Hochleistungsrechner möglich. „Es entsteht so ein Film der Änderungen neuronaler Aktivierung während eines Lernprozesses“, erklärt Dinse. Das Projekt wird mit 750.000 US-Dollar über drei Jahre aus dem Human Frontier Science Program (HFSP) gefördert.

Karte der Aktivität

Die Aktivität von Hirnnervenzellen lässt sich durch das so genannte Optical Imaging beobachten. Das Verfahren basiert darauf, dass Hirnnervenzellen, die aktiv sind, mehr Sauerstoff benötigen als inaktive, weswegen bei vermehrter Aktivität mehr sauerstoffreiches Blut in den betreffenden Hirnbereich strömt. Mit Sauerstoff beladene Blutzellen absorbieren Licht einer bestimmten Wellenlänge stärker als sauerstoffarmes Blut. Mittels einer speziellen CCD-Kamera lassen sich diese Lichtverhältnisse aufzeichnen. Es entsteht eine „Karte“ der Aktivität im beobachteten Hirnareal. Bislang gelangen allerdings nur Momentaufnahmen. Jetzt sind dank leistungsstarker Computer mehrstündige kontinuierliche Aufzeichnungen der Hirnaktivität während eines Versuchs machbar.

Film statt Schnappschuss

Neu ist auch die Art der Stimulation: Bei bisherigen Experimenten musste der optische Reiz – zum Beispiel ein Lichtgitter oder -balken – hunderte von Malen dargeboten werden, wobei jeweils zwischen jeder Reizdarbietung längere Pausen nötig waren. Das neue Imaging-System, das Kalatsky entwickelt hat, erlaubt nun eine pausenlose Aufzeichnung der Hirnaktivität.

„Die dabei entstehende Datenflut lässt sich nur mit Hochleistungsrechnern überhaupt handhaben“, erklärt Dinse. „Was wir dann sehen, ist nicht mehr wie bisher ein Vorher-Nachher-Bild, sondern ein regelrechter Film von Lernprozessen im Gehirn von ein paar Stunden Länge.“ Die Forscher erhoffen sich durch ihre Untersuchungen, die sie mehrheitlich in Bochum durchführen werden, Antworten auf die weltweit untersuchte Frage, welche Gesetzmäßigkeiten hinter der Veränderung von Hirnkarten während Lernen stehen. Auch die Dauer und Stabilität von Lernerfolgen werden sie untersuchen.

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Dinse und Kalatsky hatten sich auf einem Kongress kennen gelernt und beschlossen, sich gemeinsam um die Förderung zu bewerben. Das Human Frontier Science Program ist ein internationales Forschungsförderprogramm der International Human Frontier Science Program Organization mit Sitz in Straßburg. Gefördert werden interdisziplinäre Projekte in interkontinentaler Zusammenarbeit mit Schwerpunkt in den Life Sciences. Geldgeber sind Australien, Kanada, Frankreich, Deutschland, Italien, Japan, Korea, die Schweiz, England, die USA und die Europäische Union.

(Ruhr-Universität-Bochum, 06.06.2006 – NPO)

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