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Umwelt

Glyphosat schädigt Darmflora von Bienen

Studie weist indirekte Schadwirkung des Herbizids auf Honigbienen nach

Das Spritzmittel Glyphosat ist für Bienen schädlicher als gedacht - es wirkt indirekt, wie nun eine Studie enthüllt. © Alex Wild/ University of Texas at Austin

Fataler Effekt: Das umstrittene Pestizid Glyphosat könnte für Bienen schädlicher sein als bisher angenommen. Denn wie ein Experiment enthüllt, beinträchtigt das Herbizid die Darmflora der Honigbienen. Mehrere wichtige Bakterienarten im Darm der Insekten gehen stark zurück – und das macht sie anfälliger gegenüber Infektionen, wie die Studie belegt. Diese indirekte Wirkung könnte erklären, warum das vermeintlich für Insekten harmlose Glyphosat trotzdem das Bienensterben fördert.

Kaum ein anderes Pestizid ist so umstritten wie Glyphosat. Denn das weltweit am häufigsten eingesetzte Herbizid steht im Verdacht, gesundheitsschädlich zu sein und zum Insektenschwund beizutragen. Während die WHO das Mittel im Jahr 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ einstufte, kamen die beiden EU-Behörden ECHA und EFSA zum gegenteiligen Schluss. Ein Versuch, die Verlängerung der EU-Zulassung für das Pestizid zu verhindern, scheiterte im Herbst 2017. Fakt ist jedoch, dass Glyphosat inzwischen längst allgegenwärtig ist: Es findet sich unter anderem in Bier und auch in unserem Urin.

Glyphosat wirkt auf ein Enzym

Jetzt jedoch liefern Erick Motta von der University of Texas und sein Team Indizien dafür, dass Glyphosat entgegen bisherigen Annahmen auch Bienen schaden kann – indirekt, durch ihre Darmflora. Bekannt war bereits, dass Glyphosat das Enzym EPSPS hemmt, das nur in Pflanzen und einigen Bakterien, nicht aber in Tieren vorkommt. Deshalb galt der Unkrautvernichter bislang als für Tiere unschädlich.

Allerdings: „Die Gesundheit der Bienen ist eng mit der Gemeinschaft der Bakterien in ihrem Darm verknüpft“, erklären Motta und seine Kollegen. „Bienen ohne ihre normale Darmflora zeigen eine verringerte Gewichtszunahme, einen veränderten Stoffwechsel, eine erhöhte Anfälligkeit für Krankheitserreger und eine höhere Sterblichkeit.“ Bisher jedoch war unklar, ob die von acht Bakterienarten dominierte Darmflora der Bienen zu den glyphosatsensiblen Mikroben gehört oder nicht.

Markierte Arbeiterinnen im Bienenstock. Die Farbe ihrer Punkte zeigt an, wieviel Glyphosat sie ausgesetzt waren. © Vivian Abagiu/ The University of Texas at Austin

Test am Bienenstock

Um Klarheit zu schaffen, haben die Forscher nun die Wirkung von Glyphosat auf die Darmflora von Honigbienen getestet. Für ihre Studie fütterten sie Arbeiterinnen eines Bienenstocks fünf Tage lang mit einer Zuckerlösung, die fünf oder zehn Milligramm Glyphosat pro Liter oder kein Pestizid enthielt. „Diese Konzentrationen entsprechen denen, die in der Umwelt vorkommen und denen Bienen bei Blütenbesuchen ausgesetzt sind“, erklären die Wissenschaftler.

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Die Bienen wurden farbig markiert und dann wieder in ihren Stock entlassen. Nach drei Tagen entnahmen die Forscher einiger ihrer Testbienen wieder aus dem Stock und untersuchten ihre Darmflora. In einem weiteren Test infizierten die Wissenschaftler einige mit Glyphosat belastete Bienen sowie Kontrollbienen mit dem opportunistischen Erreger Serratia marcescens.

Schwund der Darmflora – und die Folgen

Das Ergebnis: Das Glyphosat im Futter beeinträchtigte die Darmflora der Honigbienen. Vier der acht Bakterienarten in ihrem Darm erwiesen sich als anfällig gegenüber dem Pestizid und nahmen stark ab, wie die Forscher berichten. Am stärksten betroffen war dabei die Bakterienart Snodgrassella alvi, eine für die Verdauung und die Erregerabwehr wichtige Spezies der Bienen-Darmflora.

Welche Folgen dies haben kann, zeigte der Infektionsversuch: Von den zuvor nicht dem Glyphosat ausgesetzten Honigbienen lebte nach acht Tagen noch rund die Hälfte. Die Arbeiterinnen aber, die kontaminierte Zuckerlösung bekommen hatten, starben zu 90 Prozent. „Das belegt, dass Glyphosat den Schutzeffekt der Darmflora gegenüber opportunistischen Pathogenen verringert“, erklären die Forscher.

„Das sollte zu denken geben“

Konkret bedeutet dies: Das auf den ersten Blick bienenunschädliche Glyphosat schadet den Bestäuberinsekten indirekt – indem es ihre Darmflora und ihre Infektionsabwehr stört. „Unsere Studie beleuchtet damit einen der möglichen Mechanismen, über die Glyphosat die Gesundheit von Bienen schädigen kann“, konstatieren Motta und sein Team.

Sie appellieren daher an alle Landwirte und Gartenbesitzer, Glyphosat keinesfalls auf blühenden Pflanzen einzusetzen. „Wir benötigen bessere Richtlinien für den Glyphosateinsatz, besonders im Hinblick auf den Bienenschutz“, sagt Motta. „Denn bisher gehen die Richtlinien davon aus, dass Bienen durch das Herbizid gar nicht geschädigt werden. Unserer Studie zeigt aber, dass das nicht wahr ist.“

Wie die Forscher betonen, ist Glyphosat sicher nicht die einzige Ursache für das Bienensterben und den Rückgang vieler Bestäuberinsekten. „Aber es ist definitiv etwas, über das sich die Leute Gedanken machen sollten, denn Glyphosat ist inzwischen überall“, so Motta. Er und seine Kollegen gehen stark davon aus, dass auch andere heimische Bienenarten wie Hummeln oder Wildbienen auf ähnliche Weise betroffen sein können, weil ihre Darmflora der der Honigbienen ähnelt. (Proceedings of the National Academy of Sciences, 2018; doi: 10.1073/pnas.1803880115)

(University of Texas at Austin, 25.09.2018 – NPO)

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