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Medizin

Zellen beim Selbstmord beobachtet

Todessignal breitet sich wellenartig in unseren Körperzellen aus

Breiten sich Krebszellen unkontrolliert aus, hat die Apoptose versagt. © Selvanegra/ iStock.com

Programmierter Zelltod: Forscher haben beobachtet, wie sich Suizidsignale innerhalb unserer Körperzellen ausbreiten. Demnach wandern diese den Zelltod auslösenden Signale wie eine Welle durch die Zelle – und zwar mit einer konstanten Geschwindigkeit von 30 Mikrometern pro Minute. Diese Erkenntnis könnte in Zukunft zu einem besseren Verständnis der sogenannten Apoptose führen und damit womöglich neue Ansätze im Kampf gegen Krankheiten wie Krebs eröffnen.

Die Apoptose rafft jeden Tag Millionen unserer Zellen dahin – und das nur zu unserem Besten. Denn dieses zelluläre „Suizidprogramm“ stellt sicher, dass sich Körperzellen und Gewebe stetig erneuern können und potentiell schädliche Zellen eliminiert werden. Indem sie sich selbst zerstören, verhindern entartete Zellen beispielsweise die Ausbreitung von Krebs.

Doch wie läuft dieser zielgerichtete Abbau von Körperzellen ab? Klar ist, dass eine Art Selbstmordsignal die Aktivierung sogenannter Caspasen auslöst – das kann zum Beispiel das von geschädigten Mitochondrien freigesetzte Protein Cytochrom c sein. Die Caspasen nehmen die Zelle von innen heraus auseinander, bis nur noch geschrumpfte Fragmente übrig sind, die schließlich von den Fresszellen des Immunsystems verspeist werden. Wie dieser Prozess allerdings genau abläuft und wie sich der Tod innerhalb der Zelle ausbreitet, war bisher nicht bekannt.

Dominoeffekt in der Zelle

James Ferrell von der Stanford University und seine Kollegen lüften dieses Geheimnis nun. Sie haben Zellen so genau wie nie zuvor beim Selbstmord beobachtet: Eizellen des Krallenfrosches. Für ihre Studie nahmen die Forscher zunächst das Cytoplasma der Zellen, injizierten diese Flüssigkeit in kleine Röhrchen und initiierten künstlich ein Apoptose-Signal. Seine Ausbreitung konnten sie dann mithilfe der Fluoreszenztechnik optisch mitverfolgen.

Es zeigte sich: Das Todessignal bewegte sich wie eine Welle von oben nach unten durch das Röhrchen. Ähnliches beobachteten die Wissenschaftler anschließend bei intakten Eizellen. Wie sie berichten, scheint sich der programmierte Zelltod demnach in Form einer sogenannten Triggerwelle durch die Zelle zu bewegen. Dabei wird das biochemische Signal zum Suizid wie in einer Reihe von Dominosteinen weitergegeben: mit dem Kippen des ersten Steins setzt sich eine Kettenreaktion in Gang.

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30 Mikrometer pro Minute

Übertragen auf die Körperzelle heißt das: Werden an einer Stelle zum Beispiel durch eine entsprechende Konzentration von Cytochrom c Caspasen aktiviert, sorgen diese dafür, dass benachbarte Mitochondrien ebenfalls Cytochrom c ausschütten, dadurch wiederum todbringende Enzyme aktiviert werden und so weiter. „Auf diese Weise setzt sich der Prozess durch die gesamte Zelle fort“, sagt Ferrell. „Immer mehr inaktive Moleküle werden aktiviert, bis sich die Apoptose in jedem Winkel der Zelle ausgebreitet hat und sie vor ihrem Ende steht.“

Anders als Mechanismen wie beispielsweise die Diffusion werde die Triggerwelle nicht langsamer, je länger sie durch die Zelle rolle: „Denn mit jeder Aktivierung eines weiteren Moleküls entsteht ein neuer Impuls“, erklärt Ferrell. Zum Vergleich: Die Ausbreitung der Apoptose über die gesamte Frosch-Eizelle würde per Diffusion rund fünf Stunden dauern – per Triggerwelle ist es nur rund eine halbe Stunde. Der Tod, er bewegt sich mit einer konstanten Geschwindigkeit von knapp 30 Mikrometern pro Minute durch die Zelle, wie das Forscherteam berichtet.

Nützlich für Kampf gegen Krebs?

Die Apoptose ist nicht der einzige Prozess in unserem Körper, bei dem Triggerwellen eine Rolle spielen: Auch neuronale Aktionspotentiale, die den Nervenzellen in unserem Gehirn die Weiterleitung von Signalen ermöglichen, breiten sich zum Beispiel nach diesem Prinzip aus. „Unsere Arbeit liefert ein weiteres Beispiel dafür, wie sich die Natur Triggerwellen zunutze macht“, sagt Ferrell.

Mehr über den Ablauf des programmierten Zell-Selbstmords zu wissen, könnte in Zukunft neue Möglichkeiten in der Medizin eröffnen, so seine Hoffnung: „Manchmal sterben Zellen, obwohl sie es gar nicht sollten – beispielsweise im Fall von neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer. Und manchmal sterben Zellen nicht, obwohl es an der Zeit dafür wäre – etwa im Fall von Krebs. Wollen wir in diese Prozesse eingreifen, müssen wir verstehen, wie die Apoptose reguliert wird“, schließt der Forscher. (Science, 2018; doi: 10.1126/science.aah4065)

(AAAS/ Stanford University, 13.08.2018 – DAL)

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