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Biotechnologie

Bakterien als „lebende Farben“

Farben und Lacke könnten zukünftig selber wachsen

Kolonien des Flavobakteriums IR1 erstrahlen in vielen Farben © Sarah Collins/ University of Cambridge

Lebendes Farbenspiel ohne Pigmente: Wissenschaftler haben den genetischen Code von natürlichen Strukturfarben geknackt. Mittels Genmanipulation veränderten sie die Form, Anordnung und Beweglichkeit von Bakterien und ließen ihre Kolonien dadurch im ganzen Farbspektrum, von rot bis blau, erstrahlen. Durch solche Bakterien könnte man künftig Farben produzieren, die biologisch abbaubar, leicht veränderbar und selbstheilend sind.

Die Flügel von Schmetterlingen, die Federn eines Pfaus, das Schillern von Beeren. Viele Farben der Natur entstehen nicht durch Pigmente, sondern durch komplexe Strukturen, die das Licht in vielen unterschiedlichen Winkeln reflektieren und dadurch Farben produzieren. Über die zugrundeliegenden genetischen Bauanleitungen für diese Nanostrukturen ist jedoch kaum etwas bekannt.

Bakterienkolonien wechseln die Farbe

Um den Strukturfarben auf die Spur zu kommen, haben die Wissenschaftler der University of Cambridge und des niederländischen Unternehmens Hoekmine BV sich ein Flavobakterium genauer angeschaut. Diese Mikroben wachsen in dicht gepackten Kolonien, die in kräftigem Grün schillern. „Dies ist die erste systematische Studie der Gene, die strukturelle Farben unterstützen – nicht nur in Bakterien, sondern in allen lebenden Systemen“, sagt Erstautor Villads Egede Johansen von der University of Chambridge.

Knallbunt: Durch Genmutationen bekommen die Bakterienzellen eine intensive Farbe © Sarah Collins/ University of Cambridge

Um nun herauszufinden, welche Gene die Farben steuern, haben die Forscher zuerst wahllos Gene ausgeschaltet und anschließend nach veränderten Farben in den Bakterien-Mutanten gesucht. Manche Kolonien erstrahlten nun nicht mehr grün, sondern in rot, gelb oder blau – eine komplette Farbpalette entstand. Sie schafften es auch blassere Farben zu kreieren oder die Färbung ganz verschwinden zu lassen.

Die Packdichte ist entscheidend

Doch wodurch wurden diese Veränderungen bewirkt? Als sie genauer hinschauten, merkten die Wissenschaftler, dass sie die Größe der einzelnen Mikroben und ihre Packdichte in den Kolonien verändert hatten. Kleinere oder größere Bakterien konnten keine regelmäßigen Schichten mehr bilden – ihre Kolonien änderten dadurch die Farbe oder verblassten. Doch die Größe war nicht alles.

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Auch Bakterien, die sich nicht richtig fortbewegen konnten, bildeten löchrige Schichten und änderten damit ihre Farbe. In ihnen waren Gene mutiert, die den Bewegungsapparat steuerten. „Wir kartierten mehrere Gene mit bisher unbekannten Funktionen und verbanden sie mit der Fähigkeit der Kolonien, sich selbst zu organisieren, und mit ihrer Färbung“, sagt Autor Colin Ingham, CEO von Hoekmine BV.

Petrischale mit verschiedenfarbigen Bakterienpopulationen © Sarah Collins/ University of Cambridge

Die Zukunft von Farben

Was hält diese Entdeckung nun für die Zukunft von Farben bereit? „In der Anwendung erlaubt uns dieses bakterielle System, lebende und einstellbare photonische Strukturen in großen Mengen herzustellen und traditionelle Methoden der Nanoherstellung zu vermeiden“, sagt Koautorin Silvia Vignolini von der University of Cambridge. So sollen die neuen Farben nicht nur biologisch abbaubar, sondern auch leicht manipulierbar und selbstheilend sein.

Tatsächlich ließ sich die Farbe der Bakterien nicht nur durch Genmanipulation einfach verändern. Gab man Fucoidan, ein Polymer aus Braunalgen, hinzu, wuchsen eher blaue und lilafarbene Kolonien und mit der Zeit verblasste Bakterien gewannen wieder an Farbe. Die Braunalgen erhöhten auch die Haltbarkeit der Farben von nur wenigen Tagen auf drei Wochen. Selbst Kratzer könnten sich selbst reparieren, denn die Bakterien heilten eine Verletzung ihrer Schicht einfach selbst.

„Die Zukunft ist da, für biologisch abbaubare Farben auf unseren Autos und Wänden – einfach indem wir genau die Farbe und das Erscheinungsbild wachsen lassen, die wir wollen!“, sagt Vignolini. (Proceedings of the National Academy of Science, 2018; doi: 10.1073/pnas.1716214115)

(University of Cambridge, 20.02.2018 – YBR)

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