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Medizin

Was ist dran an der Männergrippe?

Virale Infekte scheinen das männliche Geschlecht tatsächlich stärker zu treffen

Der erkältete Mann: das personifizierte Leiden © Ocus Focus/ iStock.com

Von wegen reine Anstellerei: Grippale Infekte und „echte“ Grippeerkrankungen treffen Männer tatsächlich oft schwerer als Frauen. Eine Überblicksarbeit bestätigt nun: Vertreter des männlichen Geschlechts landen häufiger wegen einer Influenza im Krankenhaus und scheinen auch bei anderen Infekten anfälliger für Komplikationen zu sein. Ein möglicher Grund könnte ihr offenbar schwächeres Immunsystem sein.

Husten, Schnupfen, Heiserkeit: Für Frauen sind diese Symptome noch längst kein Grund, sich krank zu melden. Sie gehen mit einer normalen Erkältung brav zur Arbeit, schmeißen den Haushalt und kümmern sich um die Kinder. Für Männer hingegen wäre das in einer solchen Situation undenkbar. Sie liegen dann wie ein Häufchen Elend auf dem Sofa, bemitleiden sich und sehen vor ihrem inneren Auge schon die eigene Beerdigung ablaufen.

Kein Wunder: Schließlich sind Männer nicht einfach erkältet. Männer haben die „Männergrippe“, eine zumindest gefühlt weitaus schlimmere Variante solcher Infekte. Der schwere Verlauf hängt dabei vor allem mit der ausgeprägten Wehleidigkeit des männlichen Geschlechts zusammen. „Mann“ übertreibt und leidet eben gerne – so die gängige, hauptsächlich von Frauen beeinflusste Lehrmeinung.

Der Mythos vom Warmduscher

Doch stimmt das auch? Oder wird der Männerwelt damit Unrecht getan? Schließlich gibt es inzwischen Hinweise darauf, dass einige Infekte Männer tatsächlich schwerer treffen als Frauen. Ob das auch für grippale Infekte und die Grippe gilt, hat nun Kyle Sue von der Memorial University of Newfoundland im kanadischen St John’s untersucht.

Der Mediziner war es nach eigenen Angaben leid, ständig der Übertreibung bezichtigt zu werden – und durchforstete deshalb die wissenschaftliche Literatur auf der Suche nach Belegen für geschlechtsspezifische Unterschiede in Sachen Erkältung und Co. Die Recherche ergab: Das Phänomen scheint sich nicht nur durch die Tatsache erklären zu lassen, dass Männer Warmduscher sind. Ihr Körper leidet womöglich wirklich stärker unter den viralen Attacken.

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Anfälliger für Komplikationen

So zeigen epidemiologische Studien beispielsweise, dass Männer mit einer Grippeerkrankung häufiger ins Krankenhaus eingeliefert werden und auch öfter daran sterben als Frauen im gleichen Alter. Bei anderen akuten viralen Infekten der Atemwege ist das männliche Geschlecht offenbar ebenfalls anfälliger für Komplikationen und einen tödlichen Verlauf, wie Sue berichtet.

Eine mögliche Erklärung dafür: Einigen Untersuchungen zufolge scheinen Männer ein weniger robustes Immunsystem zu haben. Als Folge kommt ihr Körper mit einem Infekt schlechter zurecht. „Männer übertreiben in Bezug auf ihre Symptome womöglich gar nicht. Stattdessen könnte ihr schwächeres Immunsystem zu schwereren Krankheitsverläufen und sogar einer höheren Sterblichkeit führen als bei Frauen“, schreibt der Forscher.

Evolutionsbedingtes Verhalten?

Was zunächst unvorteilhaft klingt, könnte aus evolutionärer Sicht Sinn machen. Weniger in das Immunsystem zu investieren, erlaube Männern mehr Energie in andere wichtige biologische Prozesse zu stecken – zum Beispiel Wachstum oder Fortpflanzung, glaubt Sue.

Zudem könnte es für unsere Vorfahren ein lebenswichtiger Vorteil gewesen sein, bei einem Infekt gar nicht erst in Versuchung zu kommen, noch am normalen Alltagsleben teilzunehmen und etwa auf die Jagd zu gehen: „Auf dem Sofa zu liegen oder im Bett zu bleiben könnte ein evolutionsbedingtes Verhalten sein, das uns früher davor schützte, zu einem leichten Opfer für Räuber zu werden“, konstatiert der Mediziner.

Rauf aufs Sofa, Männer!

Zwar sei noch weitere Forschung nötig, um das Phänomen der Männergrippe genauer zu verstehen – und zum Beispiel zu klären, ob bestimmte Umweltaspekte den männlichen Genesungsprozess beeinflussen können. Klar sei jedoch: Männer haben es mitunter wirklich schwerer.

„Vielleicht ist es jetzt an der Zeit, männerfreundliche Räume mit großen Fernsehern und Liegesesseln zu schaffen – Räume, in denen sich Männer in Ruhe und in Sicherheit von ihrem schweren Leiden erholen können“, schließt Sue. (BMJ, 2017; doi: 10.1136/bmj.j5560)

(The BMJ Christmas editions, 12.12.2017 – DAL)

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