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Astronomie

Galaxien-Methusalems aufgespürt

Astronomen finden bisher lichtschwächste Galaxien des frühen Kosmos

Masseverteilung (grün) und Vergrößerungseffekt (lila)des Galaxienclusters Abell 2744. Mit ihm haben die Astronomen 94 lichtschwache Urzeit-Galaxien entdeckt. © STScI/NASA/ CATS Team/R. Livermore (UT Austin)

Der Blick in die Anfänge unseres Universums wird schärfer: Mit Hilfe einer neuen Methode haben Astronomen 167 Galaxien aus der Frühzeit des Kosmos aufgespürt. Diese sind zehnmal lichtschwächer als alle bisher entdeckten Galaxien aus dieser Zeit. Die älteste von ihnen entstanden nur rund 650 Millionen Jahre nach dem Urknall. Ermöglicht hat diesen Fund das Hubble-Weltraum-Teleskop, kombiniert mit einer neuentwickelten Filtermethode.

Als wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall die ersten Sterne und Galaxien im Kosmos entstanden, durchlebte dieser einen großen Wandel: Die Strahlung der jungen Sterne ionisierte die bis dahin neutralen interstellaren Gaswolken. Astronomen vermuten, dass diese Reionisierung rund 550 Millionen Jahre nach dem Urknall begann.

Kosmisches Vergrößerungsglas

Doch es gibt eine Diskrepanz: Bisher haben Astronomen nur wenige Sterne und Galaxien aus dieser frühen Phase des Alls entdeckt – zu wenige, um die Reionisierung zu erklären. Sie vermuten daher, dass es noch viele lichtschwache „Galaxien-Methusalems“ gibt, die mit heutigen Teleskopen schlicht nicht sichtbar sind.

Einen wichtigen Schritt weitergekommen sind nun Rachel Livermore von der University of Texas in Austin und ihre Kollegen. Sie haben auf der Suche nach den ersten lichtschwachen Galaxien die Leistung des Weltraumteleskops Hubble mit einem kosmischen „Vergrößerungsglas“ ergänzt: Gravitationslinsen.

Überstrahlt vom Vordergrundlicht

Dafür richteten die Forscher im Rahmen des Frontier Fields Projekts das Hubble-Teleskop auf massereiche Galaxiencluster. Deren Schwerkraft verzerrt und vergrößert das schwache Licht hinter ihnen stehender entfernter und damit sehr alter Galaxien. „Die Schwierigkeit liegt allerdings darin, die Kontamination durch das Vordergrundlicht herauszufiltern“, erklärt Koautorin Jennifer Lotz vom Space Telescope Science Institute.

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Prinzip des Gravitationslinsen-Effekts, hier am Beispiel eines erdbasierten Teleskops. © ALMA (NRAO/ESO/NAOJ)/ Luis Calçada (ESO)

Das Problem: Die Galaxienhaufen im Vordergrund sind zwar eine gute Linse, senden aber selbst viel Licht aus. Dieses überstrahlt das schwache Glimmen der fernen Galaxien. „Wir mussten daher eine Methode entwickeln, um die Haufengalaxien aus den Bildern zu entfernen“, sagt Livermore. Dies gelang mit Hilfe eines speziellen Modells, das die Unterschiede in der Lichtqualität der Quellen für die Filterung ausnutzt.

167 lichtschwache Methusalems

Die Astronomen haben die neue Methode nun bei zwei Gravitationslinsen eingesetzt, Abell 2744 und MACS 0416. Durch deren Verstärkungseffekt gelang es, die bisher lichtschwächsten Galaxien aus der Frühphase des Universums zu finden. Die ältesten dieser 167 Galaxien stammen aus einer Zeit nur rund 650 Millionen Jahre nach dem Urknall. Ihre Entdeckung bestätigt, dass solche eher kleinen Galaxien damals durchaus häufig waren – aber für unsere Teleskope bisher einfach nicht sichtbar.

Wie die Forscher erklären, sind diese primordialen Sternenansammlungen zehnfach lichtschwächer als alle bisher entdeckten. Ihre Magnitude ist zudem 100-fach niedriger als bei den schwächsten Galaxien, die im Hubble Ultra Deep Field erfasst sind – dem bisher am weitesten ins All hineinreichenden Himmelsbild überhaupt.

Als nächstes wollen die Astronomen mit Hilfe des Hubble-Teleskops und ihrer Filtermethode auch noch vier weitere Felder von Galaxienhaufen durchmustern. Sie hoffen zudem, dass das James Webb Space Telescope der NASA ab Ende 2018 noch mehr solcher Methusalem-Galaxien finden und beobachten wird. (The Astrophysical Journaly, 2017; doi: 10.3847/1538-4357/835/2/113)

(University of Texas at Austin, 13.02.2017 – NPO)

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