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Chemie

Bismut verblüfft Chemiker

Schwermetall wird doch supraleitend – aber anders als alle anderen Elemente

Bismut-Kristall: Das Metall läuft an der Luft farbig an – und hat auch sonst einige ungewöhnliche Eigenschaften. © H. Zell/CC-by-sa 3.0

„Unmögliches“ Verhalten: Das Element Bismut wird bei extremer Kälte supraleitend – obwohl das eigentlich als fast unmöglich galt. Die widerstandslose Stromleitung beginnt erst bei weniger als einem Tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt, wie ein Experiment nun belegt. Das Überraschende daran: Die Standardtheorie der Supraleitung kann nicht erklären, warum und wie dieses Schwermetall supraleitend wird, wie die Forscher im Fachmagazin „Science“ berichten.

Das Element Bismut ist in vieler Hinsicht ungewöhnlich: Es schmilzt im Turbotempo, ist einer der stärksten Diamagneten und zeigt in Verbindung mit Natrium einen ganz neuen Quantenzustand der Materie. Hinzu kommt, dass Bismut zwar ein Schwermetall ist, aber trotzdem ein sehr schlechter Elektronenleiter. Der Grund dafür liegt in der extrem geringen Anzahl von Leitungselektronen im Bismut-Kristall: Auf 100.000 Atome kommt nur ein bewegliches Elektron.

Keine Supraleitung möglich?

Diese Eigenheit des Bismuts macht es eher unwahrscheinlich, dass dieses Element zum Supraleiter werden kann. Denn wenn ohnehin kaum Strom fließen kann, dann ist der Übergang zur widerstandslosen Leitung und die Bildung der dafür nötigen Elektronenzustände kaum möglich. Dennoch versuchen Forscher seit mehr als einem halben Jahrhundert, Bismut doch noch supraleitend zu machen – bisher ohne Erfolg.

„In kompakter Form bleibt Bismut noch bis zum Herunterkühlen auf zehn Millikelvin im normalen Zustand“, berichten Om Prakash und seine Kollegen vom Tata Institute of Fundamental Research in Mumbai. Sie haben jedoch nun ultrareine Bismutkristalle noch weiter heruntergekühlt – bis auf 0,5 Millikelvin – dies ist weniger als ein Tausendstel Grad über dem absoluten Nullpunkt.

Sprung bei 0,53 Millikelvin

Das überraschende Ergebnis: Magnetmessungen belegten, dass Bismut unterhalb von 0,53 Millikelvin doch supraleitend wird. „Das beim Bismut beobachtete Messsignal ist nahezu das gleiche wie bei supraleitenden Blei und Rhodium“, berichten die Forscher. „Das spricht dafür, dass ein großer Volumenanteil des Bismutkristalls den Übergang zur Supraleitung vollzogen hat.“

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Bismut ist damit gleich doppelt ungewöhnlich. Zum einen ist es unerwartet, dass bei einem so schlechten Leiter wie Bismut dennoch ein widerstandsloser Stromfluss möglich ist. Das Element ist einer der Supraleiter mit der niedrigsten bekannten Dichte an Leitungselektronen, wie die Forscher erklären.

Passt zu keiner Theorie der Supraleitung

Zum anderen aber lässt sich sein Verhalten mit keiner der gängigen Theorien zur Supraleitung erklären. „Das konventionelle Modell der Bardeen-Cooper-Schrieffer-Theorie kann auf Bismut nicht angewendet werden“, erklären Prakash und seine Kollegen. „Die für Bismut nach dieser Theorie ermittelte Sprungtemperatur läge mehrere Größenordnungen tiefer als jetzt beobachtet.“ Auch andere Erklärungsmodelle für Sonderformen der Supraleitung passen für Bismut nicht.

Das ohnehin schon ungewöhnliche Element erweist sich demnach auch hier als Sonderling: Es passt nicht in das Standardbild der Supraleitung. „Weitere theoretische Arbeit ist nun nötig, um die Supraleitung in Systemen mit niedriger Leitungselektronendichte und ungewöhnlicher Bandstruktur zu verstehen wie Bismut“, konstatieren die Wissenschaftler. (Science 2016; doi: 10.1126/science.aaf8227)

(AAAS/ Science, 02.12.2016 – NPO)

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