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Umwelt

Forscher entdecken erste plastikfressende Mikrobe

Bakterium zersetzt PET-Kunststoff in wenigen Wochen nahezu restlos

PET-Flaschen sind normalerweise kaum biologisch abbaubar, doch jetzt haben Forscher eine Mikrobe entdeckt, die dies kann. © Filippo Vicarelli/ freeimages

PET als Lieblingsspeise: Erstmals haben Forscher eine Mikrobe entdeckt, die einen Kunststoff effektiv angreift und nahezu restlos zersetzt. In rund sechs Wochen kann das Bakterium Ideonella sakaiensis eine PET-Folie komplett abbauen. Es nutzt dabei zwei zuvor unbekannte Enzyme, um das Plastik in zwei Schritten in seine Grundbausteine zu zerlegen. Diese Entdeckung eröffnet erstmals die Chance, PET biologisch abzubauen, so die Forscher im Fachmagazin „Science“.

Wir müllen die Erde mit Plastik zu: Mehr als 300 Millionen Tonnen Kunststoff werden jährlich weltweit produziert, darunter etwa 50 Millionen Tonnen Polyethylenterephthalat (PET). Dieses Plastik findet sich vor allem in Kunststofflaschen, aber auch in Verpackungen aller Art. Das Problem dabei: PET und Co sind kaum biologisch abbaubar. Sie finden sich daher noch Jahrzehnte später als Plastikmüll und Mikroplastik in Meeren, Gewässern und sogar in als Mikrorückstände in Getränken, Honig und Salz.

Nach sechs Wochen komplett zersetzt

Jetzt jedoch haben Shosuke Yoshida vom Kyoto Institute of Technology und seine Kollegen erstmals ein Bakterium entdeckt, das PET abbauen kann. Sie spürten die Mikrobe auf, nachdem sie 250 Proben von PET-Abfällen gezielt nach aufwachsenden Bakterien durchsucht hatten und anschließend ausgewählte Arten auf PET-Folien weiterzüchteten.

Eine Mikrobengemeinschaft, die das Bakterium Ideonella sakaiensis enthielt, erwies sich als besonders effektiv: „Der PET-Film wurde stark beschädigt und war nach sechs Wochen bei 30 Grad fast komplett abgebaut“, berichten Yoshida und seine Kollegen. „Die Bakterien zersetzten die PET-Oberfläche in einer Rate von 0,13 Milligramm pro Quadratzentimeter und Tag. 75 Prozent des Kohlenstoffs aus dem PET wurde zu CO2 umgesetzt.“

Das neuentdeckte Bakterium und seine Enzyme könnte dabei helfen, die Unmengen an PET-Müll zu recyceln. © Michal Manas CC-by-sa 3.0

Spezialenzyme sorgen für effektiven Abbau

Wie sich zeigte, heftet sich das Bakterium Ideonella sakaiensis an die PET-Oberfläche an und greift dann den Kunststoff mit Hilfe des zuvor unbekannte Enzyms PETase an. Dieses bricht die chemischen Bindungen im Kunststoff auf. Die Abbauprodukte dieser Reaktion werden von der Mikrobe aufgenommen und von einem zweiten selektiven Enzym (MHETase) in die Grundbausteine Ethylenglykol und Terephthalsäure gespalten.

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Letztlich zersetzt die Mikrobe auch diese chemischen Bausteine und gibt den Rest als CO2 ab, wie die Forscher berichten. Dieser Abbauprozess ist so effektiv, dass das Bakterium seinen gesamten Energie- und Nahrungsbedarf allein aus dem PET decken kann.

„Bahnbrechende Entdeckung“

„Die Entdeckung dieses Bakteriums ist aus mehreren Gründen bahnbrechend“, kommentiert der Biochemiker Uwe Bornscheuer von der Universität Tübingen in einem begleitenden Artikel. „Bislang waren nur ganz wenige Enzyme bekannt, die überhaupt eine sehr geringe Aktivität im Abbau von PET zeigen.“ Entscheidend sei zudem die Fähigkeit des Bakteriums, die glatte PET-Oberfläche effektiv anzugreifen.

Die neuentdeckte Mikrobe könnte gezielt genutzt werden, um PET-Abfälle umweltfreundlich abzubauen. Durch die Kenntnis der beteiligten Enzyme ergeben sich aber auch neue Wege des Kunststoff-Recyclings: Man könnte Verfahren zu entwickeln, um den PET-Baustein Terephthalsäure zu isolieren und für die Synthese von PET wieder einzusetzen. „Dies würde ohne Zweifel eine erhebliche Umweltentlastung darstellen, da auf den Einsatz von Erdöl zur Herstellung dieses Kunststoffes verzichtet werden könnte“, so Bornscheuer.

Rätselhaft ist bisher, wie und warum diese Bakterien ihre beiden hochspezifischen Enzyme entwickelt haben. Denn PET gibt es in der Umwelt erst seit rund 70 Jahren – für eine evolutionäre Anpassung an diese neue Nahrungsquelle ist das extrem wenig Zeit. Sollte Ideonella sakaiensis ihre Enzyme in dieser Zeit neu entwickelt haben, wäre dies ein Beispiel für eine ungewöhnlich schnelle Evolution. (Science, 2016; doi: 10.1126/science.aad6359)

(Science/ Universität Greifswald, 11.03.2016 – NPO)

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