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Raumfahrt

Philae sorgt für Überraschungen

Daten der Landesonde liefern spannende Erkenntnisse zur Natur des Kometen

Diese Aufnahme der Kometenoberfläche machte Philae kurz vor seiner Landung aus rund drei Kilometern Entfernung. © ESA/Rosetta/Philae/ ROLIS/DLR

Nur drei Tage dauerte die wissenschaftliche Karriere der Landesonde Philae – aber die hatten es in sich. Denn in dieser Zeit hat sie einzigartige Daten vom Kometen geliefert – wie jetzt gleich sieben Artikel im Fachmagazin „Science“ unter Beweis stellen. Unter anderem identifizierte Philae viele organische Verbindungen auf der Kometenoberfläche und Messungen ergaben, dass zumindest dieser Komet eher einem porösen Dreckklumpen als einem „schmutzigen Schneeball“ gleicht.

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Als im November 2014 mit der kleinen Sonde Philae die erste Landung auf einem Kometen gelang, war die Freude groß. Denn die Sonde sollte erstmals mehr über diese bisher rätselhaften Brocken aus Eis und Staub herausfinden, die nur ab und zu das innere Sonnensystem passieren. Doch Philae prallte ab und landete an einer so schattigen Stelle, dass ihm nach 57 Stunden der Strom ausging.

Aber selbst in dieser kurzen aktiven Zeit führte der Lander die meisten seiner geplanten Messungen planmäßig durch. Er schaffte es zudem, diese Daten zu übermitteln, bevor er verstummte. Zwar hat sich Philae inzwischen sporadisch sogar wieder gemeldet, ob die kleine Landesonde aber weitere wissenschaftliche Arbeiten durchführen kann, ist fraglich.

Eher Dreckklumpen als Schneeball

Dennoch: Wie sich jetzt zeigt, schaffte es Philae, selbst in den wenigen Stunden seiner Arbeit einzigartige neue Erkenntnisse über Kometen zu liefern. So zeigen Panoramabilder der Oberfläche von 67P/Churyumov-Gerasimenko, dass zumindest dieser Komet offenbar weniger ein „schmutziger Schneeball“ ist als vielmehr ein Dreckklumpen. Denn Eis ist kaum zu sehen, dafür umso mehr Staub und felsige Brocken. Auch Analysen des Inneren lassen auf mehr Staub als Eis schließen.

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Bei seinem ersten Aufsetzen wirbelte Philae Staub auf, der dadurch in die Öffnung des Gasmessgeräts Instrumentes COSAC an seiner Unterseite gelangen konnte – ein echter Glücksfall. Denn dadurch gelang es, den Kometenstaub chemisch zu analysieren. „Dieser aufgewirbelte Staub ist das ursprünglichste Kometenmaterial, das die Rosetta-Mission und alle vorherigen Kometenmissionen bisher zu fassen bekommen haben“, erklärt Fred Goesmann, Leiter des COSAC-Teams am Max-Planck-institut für Sonnensystemforschung.

„Ein ganzer Baukasten organischer Moleküle“

Wie sich zeigte, enthält der Oberflächenstaub des Kometen eine Vielzahl organischer Moleküle. Insgesamt 16 Verbindungen wies Philae nach, darunter Alkohole, Amine und Nitrile, aber auch Methylisocyanat, Aceton, Propanal und Acetamid. „Insgesamt handelt es sich um einen wahren Baukasten organischer Verbindungen, von denen viele als Ausgangspunkt für wichtige biochemische Reaktionen dienen können“, sagt Goesmann. So gelten einige der Verbindungen als Schlüsselmoleküle für die Synthese von Zuckern, Aminosäuren, Peptiden und Nukleotiden. Dies könnte die Annahme stützen, dass einst Kometen die ersten Lebensbausteine auf die Erde brachten.

Mindestens ebenso aufschlussreich sind jedoch auch die Moleküle, die fehlen – wie beispielsweise Kohlendioxid und Ammoniak. Kohlendioxid gilt eigentlich als einer der Hauptbestandteile von Kometeneis und Ammoniak müsste als Ausgangsstoff für die nachgewiesenen Stickstoffverbindungen vorhanden sein. „Mit diesen beiden Molekülen hatten wir eigentlich fest gerechnet“, so Goesmann. „Ihr Fehlen deutet daraufhin, dass Philae in einer Region niedergegangen ist, aus der solch leicht flüchtigen Stoffe längst verdampft sind.“ Auch Benzol und andere aromatische Kohlenwasserstoffe konnte Philae nicht nachweisen.

Porös und innen verblüffend homogen

Auch zum grundsätzlichen Aufbau von Kometen liefert Philae überraschende Neuigkeiten: Eine mit der Muttersonde Rosetta gemeinsam durchgeführten „Durchleuchtung“ des Kometen mittels Radiowellen ergab, dass „Chury“ im Inneren alles andere als massiv ist. Stattdessen ähnelt es eher einem von Hohlräumen durchzogenen Bimsstein oder Schwamm. Immerhin zwischen 75 und 85 Prozent des Kometen könnten nichts als leerer Raum sein, wie die Forscher berichten.

So verschieden ist die Oberfläche des Kometen: Links die staubige erste Abprallstelle, rechts die felsige Gegend, in der Philae endgültig zum Stehen kam. © ESA/Rosetta/Philae/ ROLIS/DLR und ESA/Rosetta/Philae/CIVA

Die Messungen ergaben auch, dass das Innere des Kometen zumindest in seiner Kopfregion erstaunlich homogen aufgebaut ist. Überraschend ist dies deshalb, weil die Rosettasonde je nach Region chemisch sehr unterschiedliche Ausgasungen von der Oberfläche detektiert hatte. Außerdem scheint zumindest die Oberflächen-Beschaffenheit variabel zu sein: Während Philaes erster Landeplatz eher weich und nachgiebig wie Neuschnee war, war der Untergrund an seinem endgültigen Standort so hart, dass weder Hammer noch Eisschrauben eindringen konnten.

Kann Philae noch mehr liefern?

„Die Experimente direkt vor Ort haben zu neuen, zum Teil unerwarteten Einsichten in die Natur des Kometen geführt“, fasst Planetenforscher Ekkehard Kührt vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen. „Manches lässt sich eben nur messen, wenn man ganz nah dran ist.“ Die einzigartigen Daten der Landesonde Philae haben uns daher die Natur der rätselhaften eisigen Boten aus dem äußeren Sonnensystem wieder ein Stück näher gebracht.

Ob Philae weitere Daten von seinem fernen Landeplatz auf 67P/Churyumov-Gerasimenko liefern kann, ist allerdings fraglich. Denn der Lander ist zwar seit Anfang Juli wieder wach und zu weiteren Messungen bereit. Aber Probleme mit der Funkverbindung führen dazu, dass der Kontakt immer wieder abreißt. Seit Wochen herrscht sogar wieder komplette Funkstille.

„Es ist frustrierend, dass wir einen augenscheinlich funktionierenden Lander auf einem Kometen haben und nicht mit ihm kommunizieren können“, sagt der Leiter des Landerteam, Stefan Ulamec vom DLR. Dennoch geben die Forscher nicht auf und versuchen weiter, den Kontakt wieder herzustellen.

(AAAS/ Science/ Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, 31.07.2015 – NPO)

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