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Medizintechnik

Mundwasser gegen Krebs?

Orale Desinfektionsmittel induzieren Zelltod in menschlichen Tumorzellen

Mundwasser mit ungeahnter Wirkung: Künftig könnten die enthaltenen Wirkstoffe bei der Krebstherapie eingesetzt werden. © Erschaffung / Wikipedia / CC - by - sa 3.0

Meist kommen sie bei Zahnfleischentzündungen zum Einsatz: desinfizierende Mundwässer. Künftig könnten die Wässer jedoch auch bei Krebs Anwendung finden: Denn in ihnen häufig enthaltene Wirkstoffe wie Chlorhexidin und Alexidin verstärken den programmierten Zelltod. Sie könnten daher dazu beitragen, Krebszellen abzutöten, indem sie sich quasi in den Selbstmord treiben. Zumindest in Zellkulturen habe das bereits funktioniert, berichten die Wissenschaftler in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“. Ob diese Mundwasser-Wirkstoffe künftig tatsächlich als Krebstherapeutikum eingesetzt werden können, müssen aber nun weitere Studien klären.

Zuweilen werden bei etablierten Arzneimitteln noch weitere Wirkungen entdeckt, die über die ursprüngliche Anwendung hinausgehen, für die sie eigentlich zugelassen waren. Ein prominentes Beispiel hierfür ist die Acetylsalicylsäure (ASS) – besser bekannt unter dem Präparatnamen Aspirin – ein geläufiges Mittel gegen Schmerzen und Fieber. Mittlerweile wird das Pharmazeutikum auch Thrombose-gefährdeten Patienten verordnet. Denn es hilft, deren Blut dünnflüssiger zu halten. Ähnliche Beispiele finden sich vielfach in der Geschichte der Schulmedizin. Deshalb ist das Team um Thorsten Berg von der Universität Leipzig überzeugt, dass viele niedermolekulare Wirkstoffe, die bereits zugelassen sind, noch ungeahnte Fähigkeiten bergen.

Im Fokus:Bad und Bcl-xL

Um mehr darüber zu erfahren, konzentrierten sich die Forscher zunächst auf den Einfluss verschiedener Arzneimittel auf zwei für die menschliche Gesundheit besonders relevante Eiweiße: die Proteine Bad und Bcl-xL. Sie sind gemeinsam für die Regulation der Apoptose verantwortlich, des programmierten Zelltodes. Dieser sorgt normalerweise dafür, dass defekte oder entartete Zellen absterben. In vielen Krebstumoren aber funktioniert die Apoptose nicht – die entarteten Zellen wuchern dadurch unkontrolliert weiter. Die beiden untersuchten Proteine spielen hierfür eine Schlüsselrolle: Das Protein Bad löst den Zelltod aus, während Bcl-xL sein Gegenspieler ist – es bindet an das apoptosefördernde Protein und hemmt es auf diese Weise.

Um die Wirkung möglichst vieler Substanzen auf dieses lebenswichtige Zusammenspiel von Bad und Bcl-xL zu testen, führten die Forscher ein groß angelegtes Screening durch. Dabei untersuchten sie mehr als 4.000 Substanzen. In Bindungsversuchen ermittelten sie, welche dieser Moleküle die Bindung der beiden Ziel-Proteine hemmten. Um sicher zu gehen, dass die Inhibition für Bad und Bcl-xL spezifisch ist und nicht allgemein für Proteine gilt, testeten die Forscher zusätzlich deren Wirkung auf andere Protein-Protein-Wechselwirkungen.

Mundwasser löst Zelltod aus

Und tatsächlich wurden Berg und seine Kollegen fündig: Chlorhexidin, die aktive Komponente vieler oraler Desinfektionsmittel wie Chlorhexamed, Chlorhexal, Periogard und auch Alexidin,die Wirkkomponente von Esemdent, hemmen die Bindung des Apoptose-Gegenspielers Bcl-xL an den Apoptose-Auslöser. Dabei wirkt Chlorhexidin spezifisch, während Alexidin weitere, aber sehr viel schwächere Wirkungen auch auf andere Proteine zeigt.

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In Versuchen an Zellkulturen verschiedener Zungen- und Rachenkarzinome lösten beide Wirkstoffe eine verstärkte Apoptose aus. Diese Wirkung war sogar deutlich stärker als bei gesunden Zellen. Ein Einsatz der Stoffe in der Krebstherapie könnte daher nach Ansicht der Forscher interessant sein. Zunächst hoffen sie aber, weitere Protein-Protein-Wechselwirkungen als Ziele für schon zugelassene niedermolekulare Wirkstoffe ausmachen zu können. doi:10.1002/ange.201208889)

(Angewandte Chemie, 25.03.2013 – KBE)

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