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Grönland: Eis doch weniger sensibel gegen Wärme?

Warmzeit vor 130.000 Jahren dezimierte Eisdecke weniger als gedacht

Einer der Eiskerne, den die Forscher auf Grönland aus dem Eis holten. Im Labor werden die einzelnen Schichten später untersucht. Er hat einen Durchmesser von 10,2 cm und eine Länge von 3,5 Metern. © Sepp Kipfstuhl

Die Warmzeit vor 130.000 Jahren hat das Eis Grönlands deutlich weniger dezimiert als bisher vermutet. Forscher der Universität Kopenhagen haben herausgefunden, dass trotz der damals acht Grad höheren Temperaturen nur wenig Eis abschmolz und das Schmelzwasser nur wenig zum Meeresspiegelanstieg beitrug. Die Höhe der damals auf Grönland herrschenden Temperaturen ist dagegen bisher unterschätzt worden. So interpretieren die Wissenschaftler ihre aus Eisbohrkernen gewonnenen Ergebnisse, die diese Woche im Fachmagazin „Nature“ veröffentlich wurden.

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In den letzten Jahrmillionen der Erdgeschichte hat sich das Klima stetig verändert. Dabei war es meist geprägt von Eiszeiten, die um die 100.000 Jahre andauerten und von kurzen Wärmephasen mit etwa 10.000 bis 15.000 Jahren Länge unterbrochen wurden. Diese Klimageschichte der Erde können Forscher anhand von Bohrkernen zurückverfolgen. Denn in den kilometerdicken Eisschilden Grönlands und der Antarktis liegt eine Eisschicht über der anderen. Jedes Jahr bilden sich durch den Schneefall auf die Oberfläche der Eisdecke neue Schichten, die sich je nach Wetterbedingungen unterscheiden. Anhand spezifischer Merkmale geben sie – ähnlich wie die Jahresringe eines Baumes – Aufschluss über das zu einem bestimmten Zeitpunkt vorherrschende Klima, das so Hunderttausende von Jahren zurückverfolgt werden kann.

Mit Blick zurück die Zukunft verstehen

Besonders von Interesse: vorherige Wärmeperioden, wie beispielsweise die Eem-Warmzeit vor rund 130.000 Jahren. Klimaexperten hoffen, durch die Erforschung dieser Warmzeiten besser abschätzen zu können, welche Veränderungen die Erde in unserem Jahrhundert durch den Klimawandel erwarten. So wusste man bereits, dass das Klima zur Eem-Zeit wärmer als heute war. Doch wie warm genau und in welchem Maße sich dies etwa auf die Eisdecken und den Meeresspiegel auswirkte, war bis jetzt unklar.

Um dem auf den Grund zu gehen, hatte ein internationales Forscherteam Bohrkernproben aus Grönlands Eispanzer gesammelt. „Wir waren zunächst völlig geschockt von den warmen Temperaturen, als wir im Juli 2012 das Bohr-Camp erreichten, sagt Dorthe Dahl-Jensen vom Niels Bohr Institut in Kopenhagen. „Es regnete und genau wie wir es in den Bohrkernen aus der Eem-Zeit fanden, bildete sich eine Schicht aus Schmelzwasser, die dann in die darunterliegenden Eisschichten eindrang, um dort erneut zu gefrieren.“

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Zwar handele es sich hier um eine Extremwettersituation, dennoch könnten die Beobachtungen aus dem vergangenen Sommer ein erster Hinweis sein, dass uns in den kommenden 50 bis 100 Jahren Eem-ähnliche Verhältnisse erwarten, so die Forscherin. Wie Klima und Eis sich in der Eem-Zeit entwickelten, haben sie und ihre Kollegen nun durch Auswertung der Bohrkerne herausgefunden. Denn nach vier Jahren intensiver Bohrungen auf dem grönländischen Eisschelf und der Analyse der Bohrkerne haben sie erstmalig ein komplettes Profil dieser Wärmeperiode erstellen können.

Arktiseis schmolz weniger stark als vermutet

„Die Resultate zeigen höhere Temperaturen im Norden Grönlands als bisherige Klimamodelle für die damalige Zeit bisher errechnet hatten“, sagt Dahl-Jensen. Zudem scheint das grönländische Eis im Eem weniger stark zurückgegangen zu sein als bisher angenommen. Die Forscher fanden nur eine Abnahme des Eises von etwa sechs Zentimetern pro Jahr. Und auch zum Meeresspiegel-Ansteig trug das Eis damals offenbar weniger bei als bisher gedacht. So habe das Meeresniveau zwar im Vergleich zu heute zwischen vier und acht Meter höher gelegen, die grönländische Eisschicht sei jedoch im Nordwesten nur wenige hundert Meter dünner gewesen als heute. „Das lässt vermuten, dass das Grönlandeis weniger als die Hälfte zum damaligen Anstieg der Meeresspiegel beitrug“, erklärt Dahl-Jensen.

Eine nur auf den ersten Blick gute Nachricht, so die Forscherin.

Denn die schlechte Neuigkeit ist, dass es statt des grönländischen Eises wohl das antarktische gewesen sein muss, welches für einen Großteil des damaligen Anstiegs der Meere um vier bis acht Meter verantwortlich ist. (Nature, 2013; doi: 10.1038/nature11789)

(Nature, 24.01.2013 – KBE)

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