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Zoologie

Ameisen-Navi komplexer als gedacht

Wüstentiere nutzen auch Magnetismus, Vibrationssignale und CO2-Geruch zur Orientierung

Ameisen der Art Cataglyphis noda vor ihrem Nesteingang, einem kleinen Loch im Boden des Experimentierkanals. © Badeke / MPI für chemische Ökologie

Wüstenameisen verwenden nicht nur optische Wegweiser, Gerüche oder das Zählen der Schritte um nach der Nahrungssuche in ihr Nest zurückzukehren. Dies haben jetzt Verhaltensforscher in einer neuen Studie in der Fachzeitschrift „Current Biology“ aufgedeckt. Demnach können Tiere der Gattung Cataglyphis in Tunesien und der Türkei auch magnetische oder vibrierende Orientierungshilfen nutzen, um ihre Heimstätte – ein kleines Loch im Erdboden – sicher wieder zu finden.

Zusätzlich dient nach Angaben der Wissenschaftler das im Nest durch Atmung entstehende Kohlendioxid der Wegfindung. Damit erweisen sich die Navigationsfähigkeiten der Ameisen als enorm anpassungsfähig an ihre unwirtliche Umgebung.

Falsches Nest kann den Tod bedeuten

Ein bei Wüstenameisen erstaunliches Merkmal ist der so genannte Wegintegrator. Durch Zählen der Schritte nach Verlassen des Nestes in Kombination mit dem „Einnorden“ ihrer Laufrichtung mit Hilfe des polarisierten Sonnenlichts können die Insekten zu ihrem Heim zurückfinden.

Diese Methode ist für die Tiere eine wichtige Überlebensformel in ihren kargen Lebensräumen. Der Wegintegrator ist jedoch fehleranfällig, und um möglichst schnell und treffsicher das heimische Nest zu erreichen, bedienen sich Wüstenameisen weiterer Orientierungshilfen: Sichtbare Gegenstände genauso wie Gerüche kommen in Frage – und werden auch genutzt.

Es ist für die Ameise nach Angaben der Forscher überlebenswichtig, zum richtigen Nest zurück zu finden, denn wenn eine Ameise versehentlich ein falsches Nest betritt, wird sie getötet, mindestens aber in die Flucht geschlagen.

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Zittern oder Magnetismus

Von Blattschneiderameisen ist bekannt, dass sie Vibrationssignale zur Verständigung untereinander nutzen. Und dass neben Vögeln auch Ameisen Magnetismus spüren können, scheint mehr und mehr deutlich zu werden. Die Verhaltensforscher um Markus Knaden vom Max-Planck-Institut für chemische Ökologie wollten daher herausfinden, ob die an „Minimalumgebungen“ angepassten Wüstenameisen auch auf Magnetismus oder Vibrationssignale zurückgreifen, wenn andere Orientierungshilfen nicht vorhanden sind.

„Wir waren sehr erstaunt, dass dies wirklich der Fall ist“, so Cornelia Buehlmann, die die Experimente durchführte. Trainierte Ameisen der Art Cataglyphis noda fanden zielsicher zu ihrem Nesteingang zurück, wenn man direkt daneben einen batteriebetriebenen Vibrationsgeber eingrub und die Ameisen nur die damit erzeugte Vibration zur Lokalisierung des Nests benutzen konnten.

Um auszuschließen, dass die Tiere nicht auf elektromagnetische Effekte des Geräts reagieren, führten die Forscher Experimente durch, bei denen die Vibration ohne Kontakt zum Erdboden erfolgte – hier reagierten die Ameisen wie ihre untrainierten Artgenossen: Sie irrten ziellos umher. Wurden jedoch oberirdisch neben dem Nest zwei starke Neodym-Magnete platziert, die ein Magnetfeld von 21 Millitesla erzeugten – das natürliche Erdmagnetfeld machte, zum Vergleich, nur 0,041 Millitesla aus -, fanden entsprechend trainierte Ameisen ebenso sicher zurück zu ihrer Heimstätte.

Ameisen reagieren empfindlich auf Vibrationssignale

Die Experimente zeigen nach Angaben der Wissenschaftler, dass Wüstenameisen enorm empfindlich auf Vibrationssignale reagieren können. Mit welchem Sinn sie sich wiederum an dem künstlichen Magnetfeld um ihr Nest herum orientieren können, ist unklar. „Dies heißt nicht, dass Ameisen ein Art Magnetsinnesorgan haben. Es könnten auch durch das starke Magnetfeld bedingte Anomalien von Nervensignalen sein, die sich die Tiere quasi merken“, so Knaden.

Dennoch: Weder ständiges Zittern noch starke Magnetfelder sind in der Regel natürlicherweise an den Nesteingängen vorhanden, erstaunlich also, dass die Tiere Vibrationen oder ein Magnetfeld als Nestmarkierung „erinnern“. Die an extreme, unwirtliche Lebensräume angepassten Tiere scheinen den Forschern zufolge somit über eine erstaunliche Flexibilität zu verfügen, sämtliche Sinne für die Navigation zu gebrauchen.

CO2 als Duftmarke

Ein ständig vorhandenes Geruchssignal ist das im Ameisennest durch Atmung entstehende Kohlendioxid. Wüstenameisen der Art Cataglyphis fortis nutzen tatsächlich den CO2-Geruch, um zum Nest zurückzukehren, wie jetzt die Experimente in Tunesien gezeigt haben. Vor allem laufen sie nur dann in Richtung einer CO2-Duftfahne, wenn die Konzentration nicht zu hoch ist und etwa derjenigen der Nestumgebung entspricht. Jedoch: Alle Ameisennester riechen nach CO2, wie also das eigene, heimische Nest erkennen?

„Wir haben mithilfe gezielter Versuche herausgefunden, dass die Tiere zuerst ihrem Wegintegrator vertrauen“, so Buehlmann. Wurden Ameisen nach Erreichen einer entfernten Futterquelle von Hand in die Nähe ihres Nestes zurückgetragen, dann mieden sie den Nesteingang, obwohl er nach CO2 roch – Geruchssignal und Schrittanzahl schienen nicht übereinzustimmen. Um nicht den Tod in einem fremden Nest zu finden, vertrauen die Tiere demnach dem Wegintegrator mehr als dem chemischen Botenstoff CO2 und folgen letzterem nur, wenn der Wegintegrator ihnen sagt, dass sie schon fast zu Hause sind. (Current Biology, 2012; DOI: 10.1016/j.cub.2012.02.029)

(Max-Planck-Institut für chemische Ökologie, 12.03.2012 – DLO)

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