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Neurobiologie

Depressive entscheiden besser

Stimmungskranke gehen Denkaufgaben analytischer an

Depressive gehen Denkaufgaben analytischer an und treffen bessere Entscheidungen als Gesunde. Dies hat jetzt ein internationales Forscherteam in einer neuen Studie im „Journal of Abnormal Psychology“ nachgewiesen. Die positiven Effekte der Depression stehen im Gegensatz zur landläufigen Ansicht, wonach die Krankheit häufig mit einer schlechteren Leistung in Denkaufgaben zusammenhängt.

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Depression ist eine schwerwiegende Stimmungserkrankung, die mit einer Störung des emotionalen Erlebens verbunden ist und viele Bereiche des Lebens beeinträchtigt. Lange Zeit nahm man an, dass sich eine depressive Erkrankung auch negativ auf die Fähigkeit auswirkt, Entscheidungen zu treffen.

Depression kann auch positive Konsequenzen haben

Nun berichtet jedoch Bettina von Helversen von der Universität Basel zusammen mit Kollegen aus Deutschland und den USA, dass eine Depression auch positive Konsequenzen haben kann. In der aktuellen Studie schnitten Patienten, die an einer Depression litten, bei einer Entscheidungsaufgabe deutlich besser ab – sowohl im Vergleich zu Gesunden als auch zu Patienten, die sich auf dem Weg zur Besserung befanden.

Die Forscher ließen die 54 Probanden ein Computerspiel spielen, das alltagsnahe sequenzielle Entscheidungsprobleme wie die Vergabe eines Parkplatzes, einer Wohnung oder eines Jobs simuliert. Dabei hatten die Testpersonen aus einer Reihe von Bewerbern von unterschiedlicher Qualität den besten auszuwählen. Die Bewerber wurden nacheinander in einer zufälligen Reihenfolge präsentiert, und bei jedem konnten sich die Teilnehmer entscheiden, ob sie ihn einstellen oder ablehnen und weitersuchen möchten.

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Depressive wählen sorgfältiger aus

Die Studie ergab den Wissenschaftlern zufolge, dass die depressiven Teilnehmer bessere Entscheidungen trafen: Während sich nicht depressive Probanden nur wenige Bewerber ansahen, bevor sie einen von ihnen akzeptierten, gaben sich Depressive nicht so schnell zufrieden – sie suchten länger und wählten im Mittel die besseren Bewerber aus.

Depression als Anpassung?

Die Frage, ob eine Depression zu einer schlechteren Leistung bei Denkaufgaben führt, wird in der Psychologie seit Jahrzehnten diskutiert. Zum einen gibt es Befunde, die dafür sprechen, dass eine Depression die kognitive Leistungsfähigkeit wie etwa die Gedächtnisleistung verschlechtert.

Zum andern vertreten Forscher vor allem aus den USA die Meinung, dass Depression als eine Anpassung an die Lösung von komplexen Problemen verstanden werden kann. Demnach fördert eine depressive Verstimmung eine analytische und beharrliche Herangehensweise an Probleme, die das Lösen von komplexen Aufgaben fördert – zum Beispiel in Entscheidungssituationen.

Erster Nachweis für die Anpassungstheorie

Die neue Studie bringt nun erstmals einen Nachweis dieser Theorie, basierend auf einer Stichprobe mit klinisch depressiven Patienten. Ein besseres Verständnis der Konsequenzen von Depressionen kann dazu beitragen, die evolutionären Wurzeln dieser Erkrankung zu verstehen, so die Forscher. (Journal of Abnormal Psychology, 2011; doi: 10.1037/a0023238)

(Universität Basel, 03.05.2011 – DLO)

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